Auf Anweisung der Bürgermeisterin wurden in Hermsdorf (Heřmánkovice) in der Region Nachod (Náchod) dutzende Gräber der ehemaligen deutschen Bevölkerung vom örtlichen Friedhof entfernt. Das Vorgehen sorgte bis in Regierungskreise für Kritik. Die Bürgermeisterin sprach jedoch von einem Missverständnis und sagte, dass der Friedhof lediglich verbessert werden sollte.
„Dort waren ca. 20, vielleicht 30 auseinanderfallende Grabsteine, die man schon nicht mehr wirklich als Gräber bezeichnen konnte. Sie waren in einem unwürdigen Zustand, unwürdig auch für die, die unter ihnen begraben lagen. Sie waren zusammengefallen und deshalb beschlossen wir, den Friedhof zu sanieren“, erklärte die Bürgermeisterin Jana Králová (parteilos), nachdem auf dem Friedhof in Hermsdorf Bagger und weiteres schweres Gerät aufgetaucht waren und über 50 Gräber abrissen. Über den Vorfall berichtete am vergangenen Freitag der tschechische Nachrichtensender ČT24.
Die beschädigten Steine wurden anschließend in das zwölf Kilometer entfernte Barzdorf (Božanov) gebracht. Wie sich jedoch herausstellte, war der aufgelöste Teil des Friedhofs vor allem mit Fragmenten von Grabsteinen der ehemaligen deutschsprachigen Bevölkerung des Dorfes bedeckt.
Alles nur ein Missverständnis?
Wie die Bürgermeisterin von Hermsdorf weiter gegenüber ČT24 ausführte, sei die Zerstörung der Gräber nicht das Ziel der Aktion gewesen. Vielmehr wollte man die zerstörten Steine entfernen, umgefallene Steine wieder aufstellen und den Friedhof so erneuern. Sie verwies auch darauf, dass in der Vergangenheit alle Denkmäler und Gräber, die an die ehemalige deutsche Bevölkerung erinnern, repariert wurden.
Zweifel an der Version der Bürgermeisterin
Jiří Chotěborský vom Bauamt im nahe gelegenen Braunau (Broumov) äußerte Zweifel an der Version der Bürgermeisterin. Wie er gegenüber dem tschechischen Nachrichtenportal „irozhlas“ erklärte, seien die Gräber der ehemaligen deutschen Bevölkerung noch in einem guten Zustand gewesen. Weiter führte er aus, dass er eine so gezielte Liquidierung deutscher Gräber noch nie erlebt habe.
Auch der Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik und stellvertretende Vorsitzende des Regierungsrates für nationale Minderheiten, Martin Herbert Dzingel, äußerte sich bestürzt über die Ereignisse in Hermsdorf. So sei die Liquidierung von Gräbern moralisch inakzeptabel. „Friedhöfe und Grabstätten der ehemaligen deutschen Bevölkerung sind heute die einzigen öffentlichen Gedenkstätten für diejenigen, die ihre Heimat über Jahrhunderte hinweg erbaut und so kulturelle, wirtschaftliche, architektonische und andere Werte geschaffen haben, die uns bis heute am Herzen liegen“, sagte Dzingel.
Das könnte sie auch interessieren
Deutsche Gräber sollen erhalten bleiben
Eine Konferenz im tschechischen Außenministerium beschäftigte sich mit Fragen rund um die Gräber der ehemaligen deutschen Bevölkerung in der heutigen Tschechischen Republik sowie mit Gräbern anderer nationaler Minderheiten.
Verstoß gegen Vertrag über gute Nachbarschaft
Auch der Leiter der Abteilung für Menschenrechte und Minderheitenschutz des Regierungsamts, Viktor Kundrák, sieht die Beseitigung der Gräber aus rechtlicher Sicht „zumindest sehr problematisch“. Er machte dabei auch auf den Vertrag über gute Nachbarschaft zwischen Deutschland und der damaligen Tschechoslowakei von 1992 aufmerksam. Darin steht, dass die Vertragsparteien auf ihrem Territorium befindliche tschechoslowakische und deutsche Gräber gleicherweise würdigen und schützen müssen.
Erst im vergangenen Jahr hatte Hermsdorf eine Auszeichnung für die Restaurierung und Rekonstruktion denkmalgeschützter Gebäude in der Region Königgrätz (Hradec Králové) erhalten.
Der Ort Hermsdorf war bis zum Zweiten Weltkrieg überwiegend von Deutschen besiedelt. Nach Kriegsende wurden die meisten vertrieben.
Quelle: ČT24