Als Tschechin stößt unsere LandesBloggerin Natálie im Ausland oft auf begeisterte Berichte über die Schönheit Prags und den Genuss von tschechischem Bier, das ebenso schmackhaft wie erschwinglich sein soll. Doch diese Anerkennung wird oft von Stereotypen überschattet, die teils amüsant, teils bedenklich sind, wie sie findet.
Während meiner Reisen und Gespräche mit Menschen aus verschiedenen Ländern wird schnell deutlich, dass viele nur Prag kennen. Einmal in Sizilien erzählte mir ein älterer Herr von seinem Prag-Besuch. Auf die Frage, ob er auch andere Orte in der Tschechischen Republik kenne, schließlich zählen viele zum UNESCO-Weltkulturerbe, musste er passen. Manchmal nennen Leute noch Böhmisch Krumau (Český Krumlov) als weiteren ihnen bekannten Ort. Diese Erfahrung ist nicht ungewöhnlich und Bewohner von Regionen fernab der Hauptstadt fühlen sich oft zu Recht vernachlässigt. Doch unser Land hat weit mehr zu bieten als nur das „hunderttürmige“ Prag.
Ein wiederkehrendes Thema bei Begegnungen mit Ausländern ist unser Bier. „Trinken Sie tschechisches Bier?“, wurde ich von einem deutschsprachigen Mann in einer Prager Bar gefragt, der dort einen Junggesellenabschied feierte. Seine Erklärung, warum es gerade Prag sein musste: „Man kann sich hier so billig betrinken.“ Persönlich bevorzuge ich zu meinen Mahlzeiten meist andere Getränke, was auf Außenstehende manchmal anstößig wirkt. Pilsner Urquell ist ein bekanntes Unternehmen, aber wussten Sie, dass tschechische Winzer auch sehr guten Wein herstellen?
Ist Tschechien Osteuropa?
Ein weiterer stereotyper Vorfall ereignete sich in Hamburg. „Ah, Tschechien, das ist in Osteuropa, nicht wahr?“, sagte eine Frau zu mir. Ich hatte die Tschechische Republik nie als Teil des Ostens betrachtet. Geografisch und kulturell fühlte ich mich immer als Mitteleuropäerin. Diese Bemerkung machte sie während der Regierungszeit von Miloš Zeman, einem Präsidenten mit pro-russischer Haltung, was sie vielleicht in ihrer Aussage beeinflusst hat. Doch definiert in einer parlamentarischen Republik wirklich der Präsident die politische Richtung? Zudem war unser Land, abgesehen von unserer kommunistischen Vergangenheit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nie wirklich ein Teil des Ostens.
Der osteuropäische Eindruck wird vielleicht auch durch Prager Souvenirläden verstärkt, die voller Matrjoschkas und Sowjet-Fellmützen sind. Touristen bekommen dadurch ein oberflächliches Bild davon, wo die Tschechische Republik steht. Ich persönlich werde es jedoch nicht dabei belassen und immer und überall geduldig erklären, dass diese Vergangenheit für Tschechien tatsächlich vorbei ist. Politisch ist unser Land fest in pro-demokratischen Strukturen verankert und ich hoffe, dass meine Generation dort auch bleiben will.
Ich möchte aber auch betonen, dass ich das Wort „Osten“ nicht als eine Art Schimpfwort betrachte. Mir geht es vor allem um den Begriff „Osteuropa“ in seinem politischen Verständnis.
Auf dem Weg zu einer neuen Wahrnehmung
Schließlich bleibt das Klischee, dass man in der Tschechischen Republik trotz ihrer Schönheit und kulturellen Reichtümer nur schwer ein gutes Einkommen erzielen kann. Dies ist eine Realität, die viele junge Menschen dazu bewegt, im Ausland nach besseren Möglichkeiten zu suchen. Ich zähle mich ebenfalls dazu und finde das zutiefst bedauerlich.
Es ist ein langer Weg, den wir vor uns haben, um die Wahrnehmung unseres Landes zu ändern. Der erste Schritt besteht darin, die Vielfalt der tschechischen Kultur über Prag hinaus sichtbar zu machen, um so die Stereotypen, die uns oft einholen, zu überwinden. Erweitern Sie Ihren Aufenthalt in Prag doch um einen Besuch der ruhigen Orte in Mähren, der zahlreichen Burgen und Schlösser oder der versteckten Juwelen in der malerischen tschechischen Natur. Lassen Sie sich zum Beispiel hier inspirieren!
Ahoj čtenáři!
Ich heiße Naty, komme aus dem wunderschönen Říčany nahe Prag. Als Journalismus-Studentin an der Karls-Universität interessiere ich mich besonders für Politik und Themen, die die Gesellschaft bewegen. In meiner Freizeit jongliere ich wahrscheinlich zwischen Reisen, Büchern, Kinderlachen und Sport. Nach einem unvergesslichen Aufenthalt bei einer Gastfamilie in Hannover während meiner Gymnasialzeit liebe ich die deutsche Kultur und Sprache. Deshalb absolviere ich derzeit ein zweimonatiges Praktikum beim LandesEcho in Prag, um mehr über die deutsche Minderheit in Tschechien zu erfahren und um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Ich freue mich darauf, euch auf meiner journalistischen Reise mitzunehmen!
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