Aktuell ist im Aussiger Stadtmuseum die Ausstellung „Verloren, vermisst, verewigt – Heimatbilder der Sudetendeutschen“ (Ztráta, stesk, zvěčnění. Obrazy domova sudetských Němců) zu sehen. Das LandesEcho hat mit der Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, Christina Meinusch, gesprochen, die die Ausstellung gemeinsam mit Studierenden aus Würzburg organisiert hat.
LE: Frau Meinusch, was ist die besondere Perspektive auf das Thema „Heimat der Sudetendeutschen“ in der Ausstellung in Aussig (Ústí nad Labem)?
Die besondere Perspektive bei der Ausstellung ist tatsächlich, dass sie über zwei Semester mit Studierenden der Museologie an der Universität Würzburg erarbeitet wurde. Es war ein Pflichtseminar für die 24 Studierenden. Das machte es besonders spannend, weil an dem Kurs nicht nur junge Menschen teilnahmen, die sich für das Thema Heimat interessieren. Insofern fand ich das interessant, weil bei 24 Studierenden natürlich ganz unterschiedliche Perspektiven und Einstellungen zum Thema Heimat aufeinandertreffen.
Dazu kam eine große Unkenntnis zum historischen Hintergrund der Sudetendeutschen, sodass wir sehr viel zum Thema der sudetendeutschen Heimat und Heimatverlust arbeiten mussten. Es ist nicht die Ausstellung, die ich so kuratiert hätte, aber es ist eine unglaublich spannende Ausstellung entstanden, die aus einer ganz anderen Perspektive, nämlich von außen, geschrieben und kuratiert wurde und das gefällt mir sehr gut.
LE: Wie ist das Endergebnis – die Ausstellung – dann konkret entstanden?
Ursprünglich hatte ich ohnehin vor, diese Ausstellung als Heimatpflegerin zu organisieren, weil in den Heimatmuseen und Heimatstuben, zum Beispiel in Forchheim oder in Würzburg, aktuell sehr viele Gemälde mit heimatlichen Motiven, die nach 1946 entstanden sind, als Nachlässe ankommen. Die Hinterbliebenen, denen es zu schade ist, diese Dinge einfach wegzuwerfen, geben es dann an die Museen. Es fällt auch einfach auf, wenn man sich diese Heimatstuben und deren Bestände anschaut, wie viele dieser Gemälde es dort gibt, die von der Sehnsucht nach der Heimat zeugen und auf welchem Material die teilweise gemalt wurden. Direkt nach Kriegsende zum Beispiel auf Mehlsäcke, die zur Leinwand umfunktioniert wurden oder auf die Rückseiten von Schuhkartons, die ausgeschnitten und dann bemalt wurden.
Im Heimatmuseum der Braunauer in Forchheim gibt es zum Beispiel ein Gemälde der Adersbacher Felsen. Dieses Gemälde hing dort seit den 1980er Jahren ausgestellt an der Wand. 2020 kam dann aus einem Nachlass ein identisches Bild mit identischem Rahmen. Daran sieht man, dass diese Bilder auch als Teil der Heimwehindustrie in Massen gemalt und verkauft wurden – auch auf Sudetendeutschen Tagen. Das war eigentlich die Grundidee, diese Ausstellung zu machen. Zu fragen: Was hat die Leute angetrieben, diese Bilder zu malen, sich zu kaufen und sich ins Wohnzimmer zu hängen? Aus diesen Bildern, die in den Heimatstuben hängen, haben die Studierenden dann ausgewählt, was sie in der Ausstellung zeigen wollen.
LE: Sind in der Ausstellung nur Gemälde zu sehen, oder auch andere darstellerische Formen?
Wir haben zum einen klassische Gemälde, auf Leinwand gemalt und gerahmt. Daneben haben wir aber auch ein Ölbild auf Stein. Dabei handelt es sich also um einen kleinen Stein, der vermutlich – leider sind die Objekte sehr schlecht dokumentiert – aus der Heimat mitgenommen und als Erinnerung bemalt wurde. Wir haben Bastmatten in der Ausstellung, die in den 1970er und 80er Jahren als Wandbehang modern waren, die dann mit Heimwehmotiven bemalt wurden. Die konnte man bestellen, was auch in den Heimatzeitschrift beworben wurde. Wir haben eine Holzscheibe, die bemalt ist. Wir haben einen Wandteppich, allerdings nur als Replik, das Original befindet sich großformatig im Depot des Sudetendeutschen Museums.
LE: Das Vorwort zur Ausstellung fragt nach der Bedeutung dieser Bilder für die vertriebenen Sudetendeutschen. Wie würden Sie auf diese Frage antworten?
Das ist ganz schwierig zu beantworten. Die nachfolgenden Generationen würden die Bilder möglicherweise eher als kitschig bezeichnen. Für die Vertriebenen selbst, also für die Erlebnisgeneration, waren es Sehnsuchtsbilder. Man konnte lange Jahre die Heimat nicht besuchen – vielleicht eher noch die Vertriebenen, die in der DDR/SBZ angekommen sind. Für die BRD war das praktisch unmöglich. Und das waren dann tatsächlich einfach Sehnsuchtsbilder. Man hat sich sozusagen die Heimat im Bild ins Wohnzimmer geholt. Es gab auch einen echten Markt dafür. In Zeitungsannoncen wurden diese Bilder zum Beispiel als Weihnachtsgeschenk beworben und auf Bestellung konnte man sie sich nach alten Fotos oder Postkarten malen lassen.
LE: Nachdem die Ausstellung im vergangenen Jahr bereits im Sudetendeutschen Haus in München zu sehen war, wird sie nun zum ersten Mal auch außerhalb Deutschlands gezeigt. Richtet sich die Ausstellung auch ein bisschen an die tschechische Gesellschaft?
Wir hatten die Ausstellung von vornherein zweisprachig gedacht und auch sie ist auch zweisprachig geworden, weil für mich ein ganz klares Ziel war, die Ausstellung eben nicht nur in Deutschland zu zeigen, sondern auch in der Tschechischen Republik, um diese Sehnsuchtsbilder mit der Realität vor Ort zusammenzubringen. Ich werde oft von Schülern in der Tschechischen Republik gefragt, was eigentlich mit den Vertriebenen nach der Vertreibung passiert ist. Das ist auch etwas, was die Ausstellung ein bisschen beantwortet: Also, was ist da eigentlich passiert? Wie sind die Vertriebenen mit dem Thema Heimat umgegangen, nachdem sie sie verloren hatten?
Leider sind wenige Bilder aus Aussig dabei, aber wenn man die Ausstellung zum Beispiel in Braunau (Broumov) zeigen würde, könnten die Menschen, die heute dort leben, sehen, dass Motive aus ihrer Heimat in Deutschland im Wohnzimmer hingen… Ich finde ganz spannend, das zusammenzubringen und darüber auch ins Gespräch zu kommen.
LE: In gewisser Weise kann man die Ausstellung auch als eine interessante Ergänzung zur der Dauerausstellung „Unsere Deutschen“ im Aussiger Stadtmuseum betrachten…
Genau, weil sie eben ein bisschen aufgreift, wie es nach der Vertreibung weiterging. Wie hat man sich organisiert? Wie hat man sich erinnert? Wie ist man mit dem Heimatverlust umgegangen? Das ist eine schöne Ergänzung und ein interessantes Weiterführen der der Geschichte.
LE: Zu sehen ist die Ausstellung in Aussig aktuell noch bis 17. März. Wo wird sie als nächstes gezeigt?
Von Aussig wird die Ausstellung direkt nach Furth im Wald wandern und wird dann dort gezeigt, was ich auch ganz spannend finde, weil Furth im Wald eine der ersten Stellen war, in der die Vertriebenen in Bayern ankamen. Auch hier kommt ein wichtiger Ort mit Bedeutung für die Vertriebenen aus dem Sudetenland mit der Ausstellung zusammen.
Das Gespräch führte Manuel Rommel
Mehr über die Ausstellung „Verloren, vermisst, verewigt – Heimatbilder der Sudetendeutschen“ (Ztráta, stesk, zvěčnění. Obrazy domova sudetských Němců) auf der Website des Museums in Aussig (Muzeum Ústí).