Der Gablonzer Safthersteller Kitl hat das verfallene Gelände des Maffersdorfer Sauerbrunnens gekauft. Er will die Mineralwasserfabrik am Neiße-Ufer sanieren. Die Renovierung wird viel Zeit, Energie und vor allem Geld erfordern.
„Mindestens fünf bis zehn Jahre kann es dauern, bis wir die Quelle ausprobieren können“, schätzt Jan Vokurka die große Aufgabe ein, die er auf sich genommen hat. Die Anlage des Sauerbrunnens an der Straßenbahnstrecke von Liberec (Reichenberg) nach Jablonec (Gablonz), die Vokurka vor kurzem als erworben hat, befindet sich in einem desolaten Zustand und braucht einen totalen Umbau. „Wir wollen diesem mystischen Ort wieder seinen ursprünglichen Zauber zurückgeben.“
Die vergangenen eineinhalb Jahrhunderte haben ganz offensichtlich ihre Spuren hinterlassen. Die einst berühmte Sauerquelle stand jahrelang verlassen. Zu allem Unglück brach 2011 auch noch ein Feuer aus. „Am meisten war das Hauptgebäude mit dem Turm betroffen. Die Decken sind durchgebrochen, durch die Mauern wachsen schon wilde Büsche.“ Der neue Besitzer Vokurka zeigt auf ein Dachfenster.
Bevor die Bauleute überhaupt mit der Arbeit beginnen können, muss das fast zwei Hektar große Gelände zunächst gründlich gesäubert werden. „Damit haben wir schon begonnen. Überall liegen leere Flaschen, Splitter und Müll. Man kann praktisch keinen Schritt machen, ohne sich in Gefahr zu begeben“, konstatiert traurig der neue Eigentümer. Diese Etappe werde wohl mindestens ganzes Jahr dauern. „Erst danach können wir die Restaurierung richtig einplanen.“
Vom Bleichen zum Heilen
Die Maffersdorfer Quelle wurde 1862 durch Zufall von Karl Skollaude entdeckt, als der neben seinem Haus an der Neiβewiese einen Pumpbrunnen für seine Bleicherei grub. Das freigegebene Wasser besaß einen sonderbaren Beigeschmack, es wurde „schlechtes Wasser“ genannt, das zum Genuss nicht geeignet sei. Erst drei Jahre später verglich die Mutter von Skollaude den Geschmack des Wassers mit dem des Sauerbrunnens in Bad Liebwerda (Lázně Libverda). Skollaude ging daraufhin mit einer Flasche seines Wassers zum Apotheker Ulrich nach Gablonz. Der gab ihm den Rat, die Quelle analysieren zu lassen. Die chemische Prüfung bestätigte, dass diese alkalischen Eisensäuerlinge belebend und stärkend wirken.
Zu der neuentdeckten Mineralquelle strömten nun Heilwasser-Liebhaber von Nah und Fern. Im Frühjahr 1866 ließ Skollaude den Brunnen neu einfassen und richtete sein kleines Bleichhaus zum Badehaus her. Im Jahre 1892 wurde eine Genossenschaft für den Säuerling gegründet, 1894 erhielt sie die Genehmigung zur Verwendung des Wassers als Heil- und Genussmittel. Der Sauerbrunnen wurde in Flaschen abgefüllt und versendet. Schon im Jahr 1897 wurden ganze 382.000 Flaschen abgesetzt. Maffersdorf machte sich einen Namen als Sommerfrische und Kurort.
Zuerst wurde der Sauerbrunnen als Rudolf-Quelle, später nach seinem letzten Besitzer auch als Weber-Quelle bekannt. Noch in den 70er Jahren war das Mineralwasser in den grünen Flaschen – auch mit Orangen oder Zitronengeschmack – vielen ein Begriff. In den 80er Jahren jedoch glich die Fabrik bereits einer Ruine. Und Anfang der 90er wurde zwar mit einer Restaurierung begonnen, dem damals neuen Besitzer ist es aber nicht gelungen, den Ruhm der Mineralfabrik zurückgewinnen. Seit 2004 ist die Fabrik außer Betrieb.
Wohl überlegte Investition
„Die Quelle ist nicht besonders reich, sie gibt 24 Liter pro Minute“, so Vokurka. Er betrachtet sie trotzdem als eine sinnvolle Ergänzung zu dem Saftprogramm seiner Firma Kitl und freut sich schon jetzt über die vielen positiven Reaktionen, die er per Facebook zu seinem Vorhaben erhalten habe.
Vokurka ist Perfektionist und ein erfolgreicher Sirup-Produzent. Was er macht, muss haargenau stimmen. Als junger Unternehmer war er der allerfolgsreichster Jung-Manager Tschechiens. Er vertrat die Firma Nestle und hatte auch dort eine vielversprechende Karriere machen können. Doch vor 13 Jahren verließ er den Weltriesen und steckte seinen ganzen Elan zuerst in die Erneuerung der beinahe vergessenen Traditionen des Naturheilers Johann Josef Antonius Eleazar Kittel, der auch als „Faust des Isergebirges“ bekannt ist. Später produzierte Vokurka in seiner kleinen Fabrik in einer Neubausiedlung in Jablonec Medizinweine und Säfte in BIO-Qualität. Heute hat Vokurka 45 Mitarbeiter. Im Vorjahr machte mit seinem Betrieb einen Jahresumsatz von umgerechnet fast zwei Millionen Euro. Seine Firma wächst schnell und systematisch. „Maffersdort war eine länger geheim gehaltene, aber gut vorbereitete Akquisition“, sagte er.
Maffersdorf, bzw. Vratislavice nad Nisou, ist heute ein Stadtteil von Reichenberg (Liberec). Vor zwei Jahren hat dort die Autofabrik Škoda bereits das zerfallene Geburtshaus des Autobauers Ferdinand Porsche zu einem Porsche-Museum umgebaut. Nun darf auch der Sauerbrunn auf eine solche Renaissance hoffen.
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