Das Prager Planetarium im Stromovka-Park. Credit: Detmar Doering

Ein Planetarium ist so etwas wie ein Theater, in dem Astronomie vorgeführt wird – meist durch Projektionen im Inneren einer Dachkuppel. Es ist daher nicht mit einer Sternwarte zu verwechseln, von der aus man direkt (durch Teleskope) das Weltall beäugt. Und wer in der Goldenen Stadt an solch einem Sternentheater interessiert ist, ist beim Planetarium Prag (Planetárium Praha) in der Královská obora 233 im Stadtteil Bubeneč am Rande des großen Stromovka-Parks natürlich an der richtigen Stelle.

Die wechselhafte Geschichte erkennt man schon von außen, wenn man vor dem Gebäude im typischen Stil des Sozialistischen Realismus ein Modell eines amerikanischen Mondlandegeräts stehen sieht. Amerikanische Erfolge der Raumfahrt zu feiern, war bis 1989 streng verpönt. Das Gebäude wurde zwischen 1957 (dem Jahr, in dem die Sowjets den ersten Satelliten ins All schossen) und 1960 nach den Plänen des bekannten Architekten Jaroslav Frágner errichtet. Der war vor dem Zweiten Weltkrieg als avantgardistischer Funktionalist bekannt, musste sich aber hier im Sinne der Parteilinie in einem recht konservativen Klassizismus (in Form eines Rundtempels) ergehen. Immerhin, das passt zu dem schönen englischen Landschaftsgarten der Umgebung. Und natürlich verbarg sich hinter der konservativen Optik moderne Technik. Zum Beispiel bei der vom Ko-Architekten František Bäumelt statisch geschickt konstruierten Kuppel, die aus 216 segmentierten Fertigteilen in fünf Typen besteht.

Zeiss-Projektionsapparat

Schon 1952 hatte das tschechoslowakische Kulturministerium unter seinem Minister Václav Kopecký (einem stalinistischen Hardliner) den Bau beschlossen und einen Investitionsplan erstellt. 1954 bestellte man die eigentliche Planetariumstechnik bei dem im Ostblock führenden (damals schon staatlichen) Unternehmen Carl Zeiss in Jena in der damaligen „DDR“, wozu Teile der Projektionskuppel gehörte, die 23,5 Meter Durchmesser haben sollte. Das wurde erst einmal eingelagert, denn der Bau begann ja erst 1957. Und mit dem Einbau des Zeiss-Projektionsapparates im März bis Mai 1960 war das Gebäude im Prinzip fertiggestellt. Die Eröffnung erfolgte Schrittweise. Es gab einen „Probelauf“ im Juli/August des selben Jahres nur für Besucher der gerade stattfindenden 2. Tschechoslowakischen Spartakiade. Am 20. November erfolgte dann die formelle Eröffnung.

Das Planetarium war zunächst einmal offiziell Teil des alten Ausstellungsgeländes Prag (Výstaviště Praha), wo 1891 die große Industriemesse stattgefunden hatte, das aber seit 1953 nach dem bekannten Dichter und kommunistischen Widerstandskämpfers Julius Fučík (wir berichteten hier) in Kultur- und Freizeitpark Julius Fučík (Park kultury a oddechu Julia Fučíka) umgetauft worden war (was man 1979 wieder rückgängig machte)

Im Jahr der Eröffnung gründete man auch gleich ein „Dach“ für das Planetarium und die beiden anderen wichtigen Publikumsmagneten in Sachen Astronomie, nämlich den Verwaltungs-Verbund Planetum. Dazu gehören seither das Štefánik-Observatorium (Štefánikova hvězdárna) auf dem Petřín-Berg oberhalb der Kleinseite und die Sternwarte Ďáblice (Ďáblice hvězdárna), die weiter außerhalb liegt und über die wir bereits hier berichteten. Zusammengefasst kann man da nur sagen, dass dem astronomisch Interessierten in Prag recht viel geboten wird. Und das Planetarium wurde immer wieder modernisiert (etwa die Ausstellung 1979). Und 1988 baute man ein brandneues Projektionsgerät unter der Kuppel ein, das 1984 von Zeiss Jena entwickelte Cosmorama, das 1991 noch mit 60 computergesteuerten Diaprojektoren aufgerüstet wurde. Man war damit technisch völlig up-to-date.

Aber das Publikum hat im digitalen Zeitalter an immer raffiniertere optische Tricks gewöhnt, so dass in diesem Bereich der Wechsel von Technologien in immer schnellerer Folge geschieht. Schon 2003 wurde das neue digitale Planetarium Digistar 3 eingebaut, das nicht von Zeiss gebaut wurde, sondern der amerikanischen Firma Evans & Sutherland, die als erste ein auf reiner Computergraphik beruhendes Content-System entwickelt hatte. Das Planetarium war damit das erste digitale Planetarium im Lande. Und schon 2009 wurde dann das noch modernere digitale Projektionssystem Sky-Skan Definity installiert, das 2014 noch einmal mit der Version 8K so aufgebrezelt, wurde, dass das Prager Planetarium weltweit nun eines mit der höchsten Auflösung bei seiner digitalen Aufführung ist.

Aber es gibt ja nicht nur eine digitale Welt, sondern auch eine reale. Neben der Vorführung unter der Kuppel kann man unten im Foyer eine umfassende und real-physische Ausstellung zu Sternenwelt, Astronomie und auch Raumfahrt bewundern, die es hier schon seit Anbeginn gibt. Am Anfang gab es nur Sputnik, nicht Telstar. Nur Kosmonauten, keine Astronauten. Der Sozialismus eroberte den Weltraum. Und von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen. Und so weiter.

Nachbildung des Cockpits der US-Raumsphäre Atlantis

Das wurde nach dem Ende des kommu- nistischen Grauens schnell geändert. Und 2014 wurde die Ausstellung noch einmal gründlichst neugestaltet. Sie ist jetzt politisch fair und würdigt die Leistungen aller Beteiligten – sowohl die unbestreitbaren Pioniertaten im Ostblock, als auch die in den USA (deshalb das Mondlandegerät vor dem Eingang), als auch die der Europäer. 2021 wurde eine Nachbildung des Cockpits der US-Raumfähre Atlantis (Bild links) hinzugefügt. Viele der Ausstellungsstücke sind interaktiv gestaltet. Nicht nur, aber vor allem auch Kinder lieben das Planetarium (das deshalb selbstredend Führungen und Kurse für Schulklassen anbietet). Es ist alles so, wie man es sich an einem solchen Ort wünscht: Lehrreich und zugleich unterhaltend.


Ahoj aus Prag Titelbild

Ahoj aus Prag! Seit September 2016 leben wir berufsbedingt in Prag. Wir – eigentlich Rheinländer – haben sie schon voll in unser Herz geschlossen, diese Stadt! Deshalb dieser Blog, in dem wir Fotos und Kurzberichte über das posten, was diese Stadt so zu bieten hat und was wir so erleben. Wir, das sind:

Lieselotte Stockhausen-Doering und Detmar Doering

… und unser Hund Lady Edith! Wer sich in Prag einmal umschauen möchte, wird auf diesem Blog nach einiger Zeit sicher Interessantes finden, was nicht jeder zu sehen bekommt, der die Stadt besucht. Viel Spaß beim Lesen!

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