Der Entwurf der Programmerklärung der künftigen Koalition aus ANO, SPD und Motoristen liegt vor und soll die Basis für die neue Regierung unter Andrej Babiš bilden. Eine endgültige Zustimmung durch die Parteiführungen steht noch aus, doch die wesentlichen Inhalte gelten als beschlossen. LandesEcho gibt eine Übersicht über die Eckpunkte.
Das Dokument, das aktuell den Parteigremien zur Beratung vorliegt, umfasst mehrere zentrale Reformbereiche – von Steuerpolitik und sozialer Sicherung über Verkehr und Digitalisierung bis hin zu Außen- und Energiepolitik. Es handelt sich zwar noch nicht um die endgültige Version, doch laut den Verhandlungsteams seien nahezu alle inhaltlichen Punkte abgestimmt. Das Programm soll nach Einigung aller Regierungsparteien offiziell verabschiedet werden. Am gestrigen Montag, den 3. November 2025, hatten die drei Parteien ANO, SPD und Motoristen einen gemeinsamen Koalitionsvertrag unterzeichnet.
Sozialpolitik und Renten: Garantierter Eintritt ab 65 Jahren
Ein zentrales Vorhaben der Regierungskoalition ist die Begrenzung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahren. Rentenanpassungen sollen sich künftig wieder an Inflation und Lohnentwicklung orientieren, besonders hohe Belastungsberufe sollen einen früheren Ruhestand ermöglichen.
Die Regierung konzentriert sich zudem auf eine starke Familienpolitik: Das Elterngeld soll beispielsweise auf 400.000 Kronen (etwa 16.000 Euro) steigen und flexibler nutzbar sein. Das Sozialsystem wird ebenfalls neu organisiert. Leistungen sollen transparenter werden, Missbrauch stärker kontrolliert und die Motivation zur Arbeitsaufnahme erhöht werden. Ziel ist ein System, das Familien stärkt und wirklich Bedürftigen hilft.
Geprüft wird zudem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf verschreibungspflichtige Arzneimittel auf null Prozent, um die Gesundheitskosten für Patienten zu senken. Eine endgültige Entscheidung darüber soll nach einer Bewertung der fiskalischen Auswirkungen erfolgen.
Bildung: Investition in die Zukunft
Bildung hat laut der Programmerklärung für die neue Regierung höchste Priorität – von Kindergärten bis zu Universitäten. Ziel ist eine qualitativ hochwertige, kostenlose und flächendeckend zugängliche Ausbildung, „frei von ideologischen Einflüssen“. Investitionen sollen die Kapazitäten von Schulen und Universitäten erhöhen, inklusive Sport- und Betreuungsangeboten, sowie moderne Technologien und KI sinnvoll in den Unterricht integrieren. Gleichzeitig wird die Lehrerausbildung reformiert, die Gehälter angehoben und praxisnahe Berufsausbildung gefördert. Hochschulen sollen mehr Studienplätze bieten, internationale Programme wie Erasmus+ ausgebaut werden und Doktoranden gezielte Unterstützung erhalten.
Konkret sieht das Programm vor, die Einstiegslöhne für Lehrerinnen und Lehrer auf mindestens 50.000 Kronen monatlich anzuheben, mit einer schrittweisen Steigerung auf 75.000 Kronen bis zum Ende der Legislaturperiode. Auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes sollen Mindeststandards eingeführt werden, um qualifiziertes Personal zu halten und die Attraktivität staatlicher Berufe zu erhöhen.
Verteidigung, EU und Außenpolitik: Professionelle Armee und „selbstbewusste Nationalstaaten“
Die Regierung sieht eine starke, modern ausgerüstete Armee als Grundlage der nationalen Souveränität. Sie plant ein neues Verteidigungskonzept für die Armee bis 2035, will Beschaffungs- und Finanzprozesse straffen und die tschechische Rüstungsindustrie stärker einbeziehen. Zudem ist eine verschärfte Asyl- und Migrationspolitik mit Null-Toleranz gegenüber illegaler Migration geplant – der Migrationspakt der Europäischen Union wird entschieden abgelehnt. Asyl soll nur in klar definierten Ausnahmefällen gewährt werden, die Polizei- und Einwanderungsbehörden erhalten erweiterte Befugnisse, und Straftäter sollen konsequent ausgewiesen werden.
In der Außenpolitik bekennt sich die Koalition zur NATO und zu enger Zusammenarbeit mit den USA und Israel, lehnt aber eine „EU-Armee“ sowie Eingriffe der EU in nationale Entscheidungen ab. Innerhalb der EU strebt sie ein Modell souveräner Nationalstaaten an und will die Visegrád-Zusammenarbeit wiederbeleben. Bei Bedarf sollen Grenzkontrollen an Schengen-Grenzen möglich sein, und Handelsbeziehungen mit wichtigen Partnerländern sollen stabilisiert oder neu aufgebaut werden. Die Verantwortung für Europaangelegenheiten wird direkt ins Büro des Premierministers verlagert.
Ein zentrales Element der Verteidigungsstrategie ist ein umfassender Audit der Rüstungsbeschaffung. Damit sollen Doppelstrukturen abgebaut, die Transparenz erhöht und Korruption im Beschaffungswesen verhindert werden. Der Ausbau der Luftverteidigung und die Modernisierung der strategischen Infrastruktur gehören zu den kurzfristigen Prioritäten.
Digitalisierung und Energie: Neuer Staatsbeauftragter, Fokus auf Versorgungssicherheit
Ein zentraler Bestandteil des Regierungsprogramms ist die Ernennung eines Staatsbeauftragten für Digitalisierung, der direkt dem Premierminister unterstellt wird. Ziel ist die Vereinheitlichung von Online-Diensten, der Abbau von Bürokratie und die Erleichterung des Zugangs der Bürger zu staatlichen Leistungen.
Im Energiebereich strebt die Koalition einen „realistischen Energiemix“ an, der neben Kernenergie und erneuerbaren Energien auch Kohle und Gas umfasst und erschwingliche Energiepreise für alle Haushalte und Unternehmen garantieren soll. Die Klimapolitik soll pragmatisch, wissenschaftlich fundiert und frei von bürokratischen Eingriffen sein. Die aktuellen europäischen Klimaziele werden als unrealistisch und wirtschaftlich belastend bewertet. Der Green Deal in seiner jetzigen Form wird abgelehnt. Ein Verkaufs- oder Produktionsverbot von Verbrennerfahrzeugen ab 2035 bezeichnet die Koalition als inakzeptabel.
Wirtschaft und Infrastruktur: Investitionen statt Steuererhöhungen
Der Entwurf des Programms sieht vor, Steuern nicht zu erhöhen, sondern Haushaltsdisziplin durch langfristiges Wachstum und effizientere Einsparungen zu erreichen. Staatliche Investitionen sollen sich künftig auf Projekte mit langfristigem Nutzen konzentrieren. Der Wohnungsbau soll durch ein neues Baugesetz, schnellere Genehmigungsverfahren, Digitalisierung und staatliche Förderinstrumente beschleunigt werden.
Im Verkehrsbereich werden Straßen, Schiene und digitale Netze ausgebaut. Große Infrastrukturprojekte, Beschleunigung von Bauverfahren, Elektrifizierung von Bahnstrecken, Hochgeschwindigkeitsstrecken, Autobahnen und modernisierte Hauptbahnhöfe stehen im Fokus. Europäische Fördermittel und öffentlich-private Partnerschaften sollen die Finanzierung unterstützen. Ziel ist ein modernes, sicheres und wirtschaftlich nachhaltiges Verkehrssystem, das alle Verkehrsträger integriert.
Zugleich verpflichtet sich die Koalition, die öffentlichen Finanzen zu stabilisieren und das Haushaltsdefizit dauerhaft unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten. Langfristig strebt sie einen ausgeglichenen Staatshaushalt an, der auf strukturelle Einsparungen und stärkeres Wirtschaftswachstum setzt.
Ab dem Jahr 2027 soll die elektronische Erfassung der Umsätze (EET) in modernisierter Form wieder eingeführt werden. Die Maßnahme soll Steuertransparenz und fairen Wettbewerb sicherstellen, zugleich aber den bürokratischen Aufwand für kleine Betriebe verringern.
Neben dem beschleunigten Bauverfahren legt die Regierung besonderen Wert auf die Förderung von bezahlbarem Wohnraum. Ein neu aufgelegtes Programm soll junge Familien, Erstkäufer und sozial schwächere Haushalte gezielt unterstützen, um dem wachsenden Wohnungsmangel entgegenzuwirken.
Kultur und Medien: Abschaffung der Gebühren für das Tschechische Fernsehen
Kultur soll nach dem Willen der künftigen Regierung wieder stärker als Bestandteil der nationalen Identität verstanden werden. Geplant ist eine bessere finanzielle Ausstattung des Sektors und deutlich höhere Löhne für Kulturschaffende.
Ein Schwerpunkt liegt auf dem Schutz und der Erneuerung kultureller Denkmäler. Ein mehrjähriger Finanzierungsplan soll Sanierungen und Neubauten fördern – darunter die Moldau-Philharmonie in Prag, das Janáček-Kulturzentrum in Brünn (Brno) sowie Modernisierungen zentraler Museen und Archive. Traditionelle Handwerkskunst und Folklore sollen über Förderprogramme und Mikrogrants stärker unterstützt werden. Auch Film, Videospiele und Animationsprojekte, die tschechische Geschichte und Identität thematisieren, sollen mehr Förderung erhalten.
Im Medienbereich plant die Regierung die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Das Tschechische Fernsehen (Česká televize) sowie der Tschechische Rundfunk (Český rozhlas) sollen künftig der Kontrolle durch den Obersten Rechnungshof unterliegen, ihre redaktionelle Unabhängigkeit aber behalten. Zudem sollen faire Regeln für Urheber- und Musikgebühren eingeführt und der Zugang zu staatlichen Museen und Galerien für Jugendliche, Senioren und Menschen mit Behinderung kostenlos werden.
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