Tschechiens Wahlverlierer versucht die Quadratur des Kreises: Um nicht länger alle Kritik auf sich zu ziehen, will er eher im Verborgenen seinen Sieg in den Parlamentswahlen 2025 vorbereiten – aber trotzdem das Sagen haben.
„Vergessen Sie Andrej Babiš, richten Sie sich auf ein Leben ohne mich ein“, rief der Verlierer der tschechischen Präsidentenwahlen nach seiner jüngsten Pleite seinen Wählern zu. Ein paar Tage grübelte er über seine eigene Zukunft nach. Viel Zeit für die Medien, ihrerseits reichlich über Babiš zu spekulieren.
An einen völligen Rückzug von Babis aus der Politik glaubte dabei niemand wirklich. Sie würde automatisch das Ende der von ihm 2012 gegründeten „Aktion unzufriedener Bürger“ ANO bedeuten. „Die populistische ANO ist ohne ihren autokratischen Führer überhaupt nicht denkbar“, sagt unter anderen die Kommentatorin Lenka Zlámalová.
Doch ein „weiter so“, so Zlámalová, könne es auch nicht geben. „Die Präsidentschaftswahl war eine Volksabstimmung über Babiš. Babiš hat zwar eine halbe Millionen Stimmen mehr gewonnen, als die Bewegung ANO bei ihrem besten Ergebnis bekommen hat. Mehr war aber wirklich nicht drin.“
Babišs Führungsleute gaben auf einer Tagung am Mittwoch den Medien die Schuld an der Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen. „Alle sind gegen Babiš gewesen.“ Das ist eine steile These, bedenkt man, dass zwei der größten meinungsbildenden Zeitungen sowie die größte private Radiostation Tschechiens zum Babiš-Konzern Agrofert gehören und sehr wohl jeden Tag alle Trommeln für ihren Chef rührten.
Dass es Babiš im Fernsehen schwer hatte, war seiner eigenen aggressiven Wahlstrategie geschuldet, die in den Debatten von den Journalisten nicht einfach übersehen werden konnte. Dass diese Strategie kontraproduktiv war, räumte indirekt auch Babiš selbst ein, als er dieser Tage mehrere seiner Wahlkampf-Manager entließ.
Was nun? Babiš will nicht länger Zielscheibe der Kritik sein. Er will zwar sein Mandat als Parlamentsabgeordneter behalten. Die eigentliche Arbeit als Oppositionsführer überlässt er aber zwei seiner Getreuen: der Fraktionschefin Alena Schillerová und seiner „Allzweckwaffe“, dem Wirtschaftsfachmann Karel Havlíček. Letzterer soll ein Schattenkabinett führen.
Babiš selbst will sich derweil zurücknehmen, im Hintergrund agieren und von dort aus die ANO-Bewegung in eine Volkspartei umwandeln. Letzteres wird ein großes Stück Arbeit werden. Denn es bedeutet, das komplette Wählerpotenzial einzufangen, das sich nicht von der – wie Babiš sagt – „asozialen Regierung“ von Premier Petr Fiala vertreten fühlt.
Im Grunde gesteht Babiš ein, dass seine ANO momentan selbst bei einem Sieg in Wahlen kein Koalitionspotenzial hat, also keine Partner findet, um eine mehrheitsfähige Regierung zu präsentieren. In seiner vierjährigen Amtszeit als Premier einer von den orthodoxen Kommunisten geduldete Minderheitsregierung hat er die mit ihm koalierenden Sozialdemokraten und die erwähnten Kommunisten so stark kannibalisiert, dass sie heute nicht mehr im Parlament vertreten sind. Bei den Rechtsnationalisten hat er es schwerer, weil die mit Tomio Okamura ebenso eine Art Volkstribun als Führer haben, wie er einer ist.
Babiš will so viel Wähler wie möglich von diesen Parteien und allen möglichen kleinen Gruppierungen zu sich ziehen, indem er einfach deren Wahlprogramme übernimmt. Diese derzeit wegen der 5-Prozent-Hürde nicht im Parlament vertretenen Kleinparteien verfügen zusammen immerhin über eine Million Wähler. Und bei aller Unterschiedlichkeit sind sie ebenso alle für soziale Umverteilung, für höhere Löhne und Renten, gegen ein höheres Renteneintrittsalter und höhere Steuern – kurz: gegen alle schmerzhaften Maßnahmen, um die die jetzige bürgerliche Regierung Fiala angesichts leerer Kassen und beträchtlicher Verschuldung nicht umhinkommt.
Am Ende will Babiš auf diese Weise die Parlamentswahlen 2025 gewinnen. Und das freilich auch wieder ganz offen als unumstrittener Frontmann von ANO. Schillerová und Havlíček haben dann ihre Schuldigkeit getan. Dann soll wieder der Grundsatz von Babiš gelten: „Ich bin die Bewegung“.