Eine Biberfamilie aus Tschechien setzt ein millionenschweres Bauprojekt zum Naturschutz um. Während die Behörden noch über Baugenehmigungen diskutierten, machten die Biber kurzen Prozess, wie unsere Kolumnistin Hannah Meurer berichtet.

Eine Biberfamilie aus Tschechien hat in den letzten Wochen für Aufsehen gesorgt. Sowohl deutsche als auch tschechische Medien berichteten über eine Gruppe von Nagetieren, die einen Damm gebaut haben soll. Das klingt zunächst unspektakulär, denn genau dafür sind Biber bekannt: Bäume fällen, Dämme bauen und Pflanzen fressen. Biber fühlen sich im Wasser am sichersten, deshalb heben sie mit ihren Dämmen den Wasserspiegel an und schaffen so günstige Lebensbedingungen für sich. Genau das taten die größten Nagetiere Europas auch im Naturpark Brdy in Mittelböhmen. Eine achtköpfige Biberfamilie setzte damit ein seit Jahren geplantes Millionenprojekt der Parkverwaltung in die Tat um – und das ganz ohne Baugenehmigung und komplizierte Pläne. Während der Damm mit teuren Baggern von Menschenhand gebaut werden sollte, hatten die putzigen Biber einen ganz anderen Plan. Die ganze Geschichte klingt wie ein verfrühter Aprilscherz. Wie kam es zu diesem Zufall, der fast zu schön klingt, um wahr zu sein?

Entwässerungsgraben mit Nebeneffekt

Überall auf der Welt greift der Mensch in den natürlichen Wasserkreislauf ein: Durch Dämme und Flussumleitungen befinden sich viele Oberflächengewässer nicht mehr in einem naturnahen Zustand. Auch im Landschaftsschutzgebiet Brdy ist das der Fall.  Als das Gebiet noch ein Militärübungsplatz war, wurde hier ein Entwässerungsgraben rund um die Padrter Teiche angelegt. Der Graben trägt positiv zur Bewirtschaftung der Teiche bei und dient dem Hochwasserschutz. Gleichzeitig trocknet die Konstruktion aber auch die umliegenden Gebiete aus, worunter vor allem die Wasserqualität und der dort lebende Steinkrebs leiden.

Dammbau im Verzug

Wo eine Maßnahme Lösungen schafft, bringt sie an anderer Stelle unbeabsichtigte Nebeneffekte mit sich: Das effiziente Management von Wasser ist äußerst komplex und es ist schwierig, sowohl den Bedürfnissen des Menschen und der Natur gerecht zu werden. Bereits vor längerer Zeit hatte sich die Parkverwaltung des Naturparks Brdy mit verschiedenen Interessengruppen darauf geeinigt, Renaturierungsmaßnahmen durchzuführen, also das Gebiet wieder in einen naturnahen Zustand zu versetzen. Mithilfe eines Damms sollte ein natürliches Feuchtgebiet in der Aue des Klabava-Flussbettes entstehen, das sich unterhalb der Padrter Teiche befindet.

Biber bauen ohne Genehmigung

Während die verschiedenen Interessengruppen noch diskutierten und die Renaturierungsmaßnahmen noch in weiter Ferne lagen, nahmen die Biber die Sache einfach selbst in die Hand und schufen fröhlich ihr Meisterwerk. Ganz nach dem Motto: „Jo, wir schaffen das!“ Wie „Bob der Baumeister“ eben. Wie der Zufall es will, bauten die Biber an genau der Stelle einen Damm, an der eigentlich ein von Menschenhand errichtetes Bauwerk entstehen sollte. Der Damm wurde schnell, nachhaltig und aus natürlichen Materialien gebaut. Die pelzigen Baumeister  nutzten  Schlamm, Äste und Zweige und schufen so perfekte Lebensbedingungen für sich und andere Tierarten. Dabei arbeiteten sie härter und schneller als es Behörden und Bagger erlaubt hätten. Vielleicht war es aber auch kein Zufall und die Nager wussten genau was sie tun – schließlich sind Tiere dem Menschen oft einen Schritt voraus. Während der Mensch mit teuren Maschinen und hohem Energieaufwand versucht, Probleme zu lösen, zeigen uns die Biber von Brdy, wie es einfacher, günstiger und nachhaltiger geht. Und ihr Damm? Der scheint zu funktionieren – zumindest an dieser Stelle.

Biber gut, alles gut?

Mancherorts sorgen die pelzigen Nager jedoch für Probleme. Denn nicht nur der Mensch verändert durch Eingriffe in den Wasserhaushalt ganze Landschaften. Der Bau von Dämmen durch den Biber ist eine natürliche Methode zur positiven Wasserregulierung im eigenen Lebensraum, hat aber auch Auswirkungen auf die umliegenden Gebiete. So haben Biberinfrastrukturen andernorts unerwünschte Folgen. In der Nähe von Landskron (Lanškroun) in der Region Orlickoústecký verursachten Biber durch ihre Bauten Überschwemmungen von Feldern und Bahngleisen.

Der Baumeister des Jahres

Die Bibergeschichte zeigt, wie komplex die Regulierung von Wasser ist. Plötzlich ist ein Damm nicht mehr nur ein Damm: Er kann das Ökosystem verändern, aber auch ungewollte Überschwemmungen an anderer Stelle verursachen. In einer Welt, die von Wasserknappheit, Dürren und Hochwasserereignissen geprägt ist, ist es wichtiger denn je, in Sachen Wassermanagement schneller zu handeln. Wir sollten also nicht darauf warten, dass eine niedliche Biberfamilie uns die Arbeit abnimmt und alles wieder ins Gleichgewicht bringt, auch wenn wir vom Biber noch einiges lernen können. Die Biberfamilie aus Tschechien hätte  definitiv die Auszeichnung „Baumeister des Jahres“ verdient – eine willkommene Geschichte mit Happy End.

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