Der November gilt traditionell als Monat zum Gedenken an die Verstorbenen. In Tschechien wird Allerseelen („Dušičky“) traditionell am 2. November gefeiert. Daher machte sich unser Landesblogger Tim auf den Weg zu den bekanntesten Friedhöfen Tschechiens.
Dieses Jahr entschied ich mich, in der Zeit um Allerseelen die Friedhöfe in Žižkov und Vinohrady zu erleben. Die Friedhöfe, die im 19. Jahrhundert angelegt wurden, sind ruhige, beeindruckende Orte, die viele bekannte tschechische Persönlichkeiten beherbergen. Schon am Eingang des Wolschaner Friedhofes (Olšanské hřbitovy), welcher aus insgesamt zwölf Friedhöfen besteht, spürt man die besondere Atmosphäre. Neben alten, von der Zeit gezeichneten Grabsteinen gibt es auch mit Kerzen und Blumen liebevoll verzierte Gräber.
Zu den bekannten Persönlichkeiten, die hier begraben liegen, zählt der Student Jan Palach, der sich als Zeichen des Protestes gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings im Januar 1969 selbst in Brand steckte. Auf dem Friedhof Vinohrady (Vinohradský hřbitov) wurde neben Václav Havel, dem ersten Präsidenten der unabhängigen Tschechischen Republik, auch der Namensgeber des “rasenden Reporters“, Egon Erwin Kisch, beigesetzt. Im Neuen Jüdischen Friedhof (Nový židovský hřbitov na Olšanech), der sich in einem separierten Teil des Friedhofes befindet, fand Franz Kafka seine letzte Ruhe. Des Weiteren gibt es einen separaten Militärfriedhof (Vojenská pohřebiště). Hier wird der Soldaten gedacht, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg ihr Leben gelassen haben.
Momente der Reflexion
Dieser Ausflug war nicht nur eine Gelegenheit, mehr über tschechische Traditionen zu lernen, sondern auch einen Moment der Reflexion. Die Vinohrady-Friedhöfe, mit ihren kunstvollen Grabsteinen und der stillen, friedlichen Umgebung, laden dazu ein, innezuhalten und über die Vergänglichkeit des Lebens nachzudenken. Die Friedhöfe erzählen Geschichten, nicht nur von jenen, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, sondern auch von den Menschen, die ihre Gräber besuchen und pflegen.
Darüber hinaus lohnt es sich auch, die Friedhöfe an regulären Tagen zu besuchen, um schöne Spaziergänge zu unternehmen. Prag war bis Mitte des 20. Jahrhunderts durch das Zusammenleben von Deutschen, Tschechen und Juden geprägt. Dies zeigt sich auch auf den Friedhöfen. So finden sich neben tschechischen auch viele deutsche Inschriften wieder. Außerdem kann man hier verschiedene Religionszugehörigkeiten erkennen, denn neben dem jüdischen Friedhof entdeckte ich auch mit arabischen Schriftzeichen verzierte Gräber. Als ich langsam zum Ende meines Spaziergangs an diesem wunderschönen Herbsttag kam, gab mir diese Erkenntnis viel Mut. Menschen verschiedener Glaubenszugehörigkeit und Nationalitäten können hier zusammen ihre letzte Ruhe finden.
Allerseelen – “Dušičky”
In Tschechien, das oft als eines der säkularen Länder Europas gilt, hat der Brauch, an „Dušičky“ (Allerseelen) die Gräber der Verstorbenen zu besuchen, überlebt. In vielen Familien gehört es zur Tradition, die Gräber zu reinigen, Blumen und Kerzen niederzulegen und kurz innezuhalten, um den Verstorbenen zu gedenken. Es ist ein stiller Akt der Erinnerung, der Generationen verbindet.
Allerseelen mag in Tschechien vielleicht nicht mit großen Feierlichkeiten oder religiösen Zeremonien verbunden sein, aber es ist dennoch ein bedeutender Tag. Es zeigt, dass der Akt des Gedenkens tief in der Kultur verankert ist, unabhängig von religiöser Zugehörigkeit. Die Vinohrady-Friedhöfe sind ein Symbol dafür, wie Erinnerungen, Traditionen und Familiengeschichten lebendig bleiben können. Dies wurde mir bewusst, als ich meinen Spaziergang beendete.
Die Friedhöfe sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln einfach erreichbar. Sie liegen nahe den Metro-Stationen Flora und Želivského, welche sich auf der grünen A-Linie befinden. Auch mit der Tram kann man sie einfach erreichen, in diesem Fall nimmt man die Linien 10, 11, 13 oder 16 und steigt bei der Station Olšanské hřbitovy aus.