Der Bundesbeauftragte Bernd Fabritius sprach am Rande der Konferenz der deutschen Minderheit mit dem LandesEcho über das Deutsche im tschechischen Schulwesen, über die Prioritäten seiner Arbeit, die Stärkung der deutschen Sprache in Tschechien und verriet seine böhmischen Lieblingsspeisen.

LE Herr Fabritius, seit Ihrer Ernennung zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, sind Sie schon zum zweiten Mal bei der deutschen Minderheit in Tschechien: im Sommer beim internationalen Jugendcamp und jetzt bei der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz der deutschen Minderheit. Wie ist Ihr Eindruck?

Ich kenne die deutsche Minderheit in Tschechien ja schon länger. Sie ist eine sehr lebendige und ich freue mich, dass es zu einem Generationentransfer gekommen ist, dass sich gerade junge Leute ihrer eigenen kulturellen Identität bewusst werden. Wir haben mit Martin Dzingel, dem Vorsitzenden der Landesversammlung, einen jungen Menschen, der völlig selbstverständlich seiner Muttersprache und kulturellen Identität verpflichtet und trotzdem loyaler Bürger der Tschechischen Republik ist. Das ist ein Beispiel für die gesamte Herangehensweise.

Ich denke, auf dieser Grundlage kann die deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik ihrer Aufgabe als Brücke zwischen unseren beiden Ländern, aber auch als Brücke der Verständigung in der Gesellschaft der Tschechischen Republik sehr wirkungsvoll wahrnehmen.

LE Was muss passieren, um das Erlernen der deutschen Sprache zu verbessern?

Die Muttersprache ist immer Teil der eigenen Identität und der kulturellen Selbstverortung. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Tschechische Republik auf dem eingeschlagenen Weg, die Pflege der Muttersprache zu entpolitisieren, weiter geht. Es ist wichtig, dass die hier lebenden Deutschen ihre eigene Identität leben und weitergeben können. Wir müssen diese wiederbeleben, wo sie sich in einem Winterschlaf befindet, wenn man jahrzehntelang die eigene Muttersprache nicht pflegen darf, weil man Repressionen ausgesetzt wurde. Diese ganzen Folgen müssen wir beseitigen und ich freue mich, dass wir dabei in der Regierung der Tschechischen Republik einen Partner haben.

LE Was kann die deutsche Minderheit selbst und was können Sie aus deutscher Sicht für einen besseren Deutschunterricht tun?

Die Bundesregierung ist sich im Klaren darüber, dass die Förderung der Muttersprache für den Fortbestand der deutschen Minderheit unerlässlich ist. Wir werden also alle Maßnahmen ergreifen, die dafür notwendig sind. Das beginnt mit der Förderung der entsprechenden Einrichtungen und geht weiter mit politischer Unterstützung, wenn es darum geht, bilingualen Unterricht zu sichern und vorantreiben.

Die deutsche Minderheit in Tschechien selbst kann ich nur ermutigen, selbstbewusst und im besten Geiste der Freundschaft ihre Muttersprache zu pflegen. Ich unterstütze die Minderheit hier auch in ihrem Ansinnen, die Förderung der eigenen Muttersprache in voller Weite des Regelwerks des Europarats zu positionieren.

Bernd Fabritius bei der Konferenz der Landesversammlung in Prag, Oktober 2018 / Foto: Peggy LohseLE Welche Prioritäten sehen Sie außerdem in ihrer Arbeit für die deutsche Minderheit in Tschechien in den nächsten Jahren?

Ich bin fest entschlossen, die Jugendarbeit als einen Schwerpunkt meiner Tätigkeit zu setzen. Das gilt sowohl für die Förderung des Spracherwerbs, als auch in allen anderen Bereichen, in denen ich tätig sein kann. Das ist deswegen aus meiner Sicht wichtig, weil nur die Jugend die Brücke in die Zukunft ist. Wir haben natürlich noch Vertreter der Erlebnisgeneration, die Deutsch und die regionalen Dialekte können.

Bei der Jugend ist das gerade aufgrund der Entwicklung in der Nachkriegszeit nicht mehr so gegeben. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass junge Leute sich der Bedeutung der eigenen Muttersprache gewahr werden, dass sie Sprache als Brückensprache verstehen und die Vorteile erkennen, wenn sie zweisprachig aufwachsen. Es ist selbstverständlich, dass sie Tschechisch als Landessprache und Sprache ihrer Heimat beherrschen. Es sollte aber genauso selbstverständlich sein, dass Deutsch dann keine Fremdsprache für sie ist, sondern als Teil der Identität verstanden wird und eine geübte Kompetenz in beiden Sprachen vorhanden ist.

LE Wie wollen Sie dafür sorgen, dass die Identität der Jugend als Deutsche gestärkt wird?

Wir können das dadurch schaffen, dass wir auf allen Ebenen, die sich bieten, Projekte fördern. Wir wollen auch weiter Geld in die Hand nehmen, um die Jugend zu ermuntern, ihre Identität zu leben. Ich hatte vor wenigen Wochen die Möglichkeit, ein Sprachcamp zu besuchen, das grenzüberschreitend Jugendliche aus vielen Ländern, die zu Mittel- und Osteuropa gehören, verbindet. Es war sehr schön zu sehen, dass sich die Jugendlichen dort – wir sind wieder bei der Sprache – über die Sprache als Brücke betätigt haben, das gegenseitige Verständnis zum Thema zu machen. Wenn die Jugend sich als Träger einer grenzüberschreitenden Brücke sieht und diese interkulturelle Kompetenz lebt, dann führt das zu einer Festigung der Minderheit.

LE Gibt es einen Ort in Tschechien, an dem Sie besonders gern sind?

Die gesamte Landschaft hier ist so schön, dass es mir schwerfällt, einen konkreten Ort herauszugreifen. Ich möchte es dennoch tun. Ich habe mich in Brünn sehr wohl gefühlt und ich fand gerade den Brünner Friedensmarsch, so möchte ich ihn nennen, ein wunderbares Zeichen, dass durch das umgekehrte Begehen dieser geschichtsträchtigen Strecke ein Signal gesetzt wurde, dass eine Rückabwicklung von Missverständnissen erfolgen kann. Es ist glaube ich ein sehr, sehr wichtiges Zeichen im heutigen Europa, ein Zeichen der Verständigung.

LE Sie zeigten sich bei Ihrem Grußwort hier auf der Konferenz erfreut, dass traditionelle Rezepte der deutschen Minderheit wiederbelebt werden. Haben Sie ein besonderes Lieblingsessen?

Vieles aus der hiesigen Küche ist auch Teil meiner Küche. Ich bereite selbst sehr gern Karlsbader Knödel zu. Ich esse natürlich die Powidl-Datschkerl besonders gerne. Alles, was die Küche hier ausmacht, empfinde ich als eine Bereicherung der europäischen Küche insgesamt.

 

Bernd Fabritius wurde 1965 im rumänischen Agnetheln geboren. Der promovierte Rechtsanwalt war seit 2007 Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen. Seit 2014 ist er Präsident des Bundes der Vertriebenen. Am 11. April wurde er vom Bundeskabinett als Beauftragter der Bundesregierung für nationale Minderheiten und Aussiedlerfragen berufen.


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