Jens Harzer als Macbeth in Shakespeares großer Reflektion über das Gute und Schlechte im Menschen. Foto: Armin Smailovic
Jens Harzer als Macbeth in Shakespeares großer Reflektion über das Gute und Schlechte im Menschen. Foto: Armin Smailovic

In Prag beginnt heute das Theaterfestival deutscher Sprache. Mit dabei sind wieder zahlreiche Bühnen aus Deutschland und Österreich.

Mit dem Festivalmotto „nichts ist ok“ bezieht sich die Dramaturgie der 29. Theaterausgabe auf das gleichnamige Stück der Volksbühne Berlin von René Pollesch. Gleichzeitig ehrt sie den großen, im Frühjahr verstorbenen deutschen Theaterregisseur und Dramatiker, der in den vergangenen Jahren auf dem Prager Theaterfestival gastierte. 

„Die Feststellung ‚nichts ist ok‘ verweist auf den bedauerlichen Zustand unserer von Konflikten gebeutelten Welt, in der Totalitarismus und Unfreiheit schleichend Einzug nehmen. Erneut droht uns die Banalität des Bösen… Lassen Sie uns diese Welt deshalb verbessern, auch wenn dies pathetisch klingen mag. Lassen Sie uns versuchen, in Harmonie zu leben und mit Hilfe kleiner alltäglicher Gesten für Frieden zu sorgen. Damit unsere Welt bald wieder OK ist! Schließlich dient die Theaterkunst unter anderem ja gerade dazu, über die Ungerechtigkeiten der Welt zu wachen“, betont Festivaldirektor Petr Štědroň. 

Im Theaterstück „ja nichts ist ok“ tritt gleich in mehreren Rollen der Darsteller Fabian Hinrichs auf, der mit Pollesch arbeitete und befreundet war. Hinrichs werden auch einige Statisten aus dem Publikum zur Seite stehen. Laut der Veranstalter sollte es um einen besonderen Abend gehen, „der zum Weinen komisch und zum Lachen traurig“ sein soll. 

Shakespeares Blutbad

Das Schauspielhaus Bochum bringt den Shakespeare-Klassiker „Macbeth“ nach Prag. In der Zusammenarbeit des niederländischen Regisseurs Johan Simons, der seit drei Jahrzehnten mit der deutschen Bühne verbunden ist, und Jens Harzer sowie Marina Galic in den Hauptrollen, wird die kürzeste und blutigste Tragödie von Shakespeare aufgeführt. Doch trotz des dreistündigen Blutbads denkt Macbeth über die Menschlichkeit nach, wobei er seine Gewaltigkeit im Kontext eines „höheren Gedankens“ versteht. „Er erinnert uns daran, dass der Mensch ein reflektierendes Tier ist. Macbeth ist der Mensch, der wir sein könnten, wenn jemand bei uns die falschen Knöpfe drückt“, liest man in der Programmbroschüre über eine der Inszenierungen des Festival-Hauptprogramms.

Comic-Figuren im Bergman-Stil

Blutig geht es auch in „Szenen einer Ehe“ des Volkstheaters Wien zu. Das Drama nach dem gleichnamigen Kultfilm von Ingmar Bergman von 1973 bedient sich plakativer Gewalt, um über ein empfindliches Thema zu berichten. Der schwedische Künstler und Regisseur Markus Öhrn tut das mittels stilisierter Comic-Figuren, wobei er toxische Geschlechterrollen samt ihrer Unterdrückung, Endlosschleifen und Konflikteskalation zeichnet. „Das handschriftliche Vorwort zu Szenen einer Ehe, das ich im Bergman-Archiv gesehen habe, lässt keinen Zweifel an Bergmans Intentionen, er schreibt: ‚Zunächst einmal sollte ich vielleicht sagen, dass es sich um sechs Theaterstücke handelt, die für das Fernsehen gemacht wurden. Es handelt sich also nicht um ein Drehbuch für einen Film. Wir werden also keinen Film machen. Was auch immer es ist, es ist kein Film.‘ Also werde ich Bergman ernst nehmen und machen, was auch immer es ist“, erklärt Öhrn.

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„Szenen einer Ehe“ stilisierte der Regisseur Markus Öhrn beinahe zum Comic. Foto: Marcel Urlaub

Tschechisch-deutsche Synergie 

Traditionell bringt das Theaterfestival tschechische und deutsche Künstler zusammen. Dieses Mal sind es Matthias Naumann und Dagmar Fričová. Ihr Theatertext heißt „Ufer des Verschwindens“ und er wird beinahe zeitgleich in verschiedenen Inszenierungen in Berlin und Prag uraufgeführt. In der tschechischen Hauptstadt werden die tschechische und die deutsche Produktion am 13., 14. und 15. November im Studio A Rubín zu sehen sein. Das Thema des Stückes kreist um den Klimawandel und die Veränderung der Landschaft. 

Nicht ohne Franz K.

Das Theaterfestival deutscher Sprache schließt sich mit seinem Programm auch dem laufenden Kafka-Jahr 2024 an und das gleich am Festivalbeginn im Rahmen des laufenden Projekts „Habibi Kiosk Prague: Metamorphosis“ der Münchner Kammerspiele. Für die Prager Ausgabe zieht der „Habibi Kiosk“ in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut für einen Abend in das Kaiserstein-Palais im Herzen von Prag und schafft einen offenen Raum, wobei Künstler und Bewohner von Prag gemeinsam der Frage nachgehen werden, wie eine Gemeinschaft mit aktiver Beteiligung funktioniert. „Wir schaffen einen Raum, um miteinander zu reden und zu speisen, und gestalten somit einen Ort für viele Perspektiven, Austausch und Begegnung: Eine Leidenschaft multipler Präsenzen, durchdrungen von kafkaesken Momenten im Prager Zentrum, das zunehmend von Touristen und Investoren vereinnahmt wird“, erläutern dazu die Veranstalter.

Eine erfrischende Note bringt im Rahmen eines vielfältigen Off-Programms das Märchenkabarett „Franz und die Dohle“ für die ganze Familie, in dem neben drei Schauspielerinnen auch Marionetten auftreten. Die Darstellerin Barbora Kubátová wurde für ihre Leistung in diesem Stück für den renommierten tschechischen Thalia-Preis 2024 in der Kategorie Puppenspielkunst nominiert. Die Aufführung bereitete das Team des Theaters am Geländer (Divadlo Na zábradlí) vor. 

Das 29. Theaterfestival deutscher Sprache findet in Prag vom 2. November bis zum 7. Dezember statt. Mehr auf www.theater.cz

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