Mehr Eleganz und bessere Akustik bringt die Renovierung des Zuschauerraums des F.X. Šalda Theaters in der Bezirksstadt Reichenberg (Liberec).
Alle alten roten Stofftapeten aus den Wänden des Zuschauerraums des Reichenberger Theaters mussten weg. Die Architekten wollen dem Theater aus dem Jahre 1883 seinen ursprünglichen Charme zurückgeben. Die Veränderung, die vor Kurzem startete, soll bis zur neuen Spielsaison fertig sein. „Die Kosten für die Renovierung betragen 4,4 Millionen Tschechische Kronen (ca. 170 000 Euro) und werden durch das Bezirksamt (Liberecký kraj) finanziert“, informierte die Theaterdirektorin Jarmila Pešková Levko.
Die Sitzplätze bleiben rot, aber auf den Wänden wird die neue weiße Farbe dominieren. „Alle gold-weißen Dekor-Elemente auf den Balkons werden dann viel mehr strahlen, der Raum wird heller und optisch größer wirken“, verrät der Architekt Jan Hendrych. Das Neorenaissance-Gebäude wurde bereits mehrmals umgebaut. Bei diesen Eingriffen sank die Kapazität der Besucherplätze von vormalig 970 auf die heutigen 450. „Alle diese Veränderungen dachten nicht an die Akustik“, sagt die Theaterdirektorin Levko. Die Textilwände absorbierten den Schall anstatt ihn zu reflektieren. Dies bestätigte eine akustische Studie, die das Theater vor zwei Jahren machen ließ. Die gleiche Meinung hatte schon lange Zeit vorher der Chefdirigent Martin Doubravský.
Versteckte Bilder
Unter den Tapeten befanden sich verschiedene Materialien aus früheren Reparaturen und Rekonstruktionen. Gipskartonplatten aus den frühen 1990er Jahren, Ziegel aus den 1960er Jahren, sowie der ursprüngliche Putz aus Rohr. Die Handwerker stießen auch auf viele geheimnisvolle eingemauerte Nischen und Türen. „Wir sind gespannt, was sich unter der Tapete über dem Vorhang auf der Bühne versteckt. Ursprünglich hingen dort Gemälde von fünf deutschen Persönlichkeiten wie Goethe, Wagner oder Schiller“, verrät die Direktorin Levko mit der Befürchtung, dass diese Bilder während des Krieges zerstört wurden, wie sie Deutsche präsentierten. Das Geheimnis soll sich binnen zwei Wochen zeigen.
Die Renovierung wird bis zum 21. August andauern. Für die Neueröffnung ist die Premiere der Oper von George Bizet „Die Perlenfischer“ geplant. Nächstes Jahr kommt die Erneuerung der Sitzplätze an die Reihe. Im Vorjahr wurde in dem Theatergebäude die Heizung ausgetauscht und eine neue Klimaanlage installiert. Das Reichenberger Theater hat 230 Beschäftigte, rund die Hälfte davon sind Künstler. Foto: archiv-divadlo F.X. Šaldy
Durch Wien inspiriert
Die Geschichte des Reichenberger Theatergebäudes, des heutigen F. X. Šalda Theaters, beginnt kurz nach dem Brand des Tuchmachertheaters am 24. April 1879. Zur Ausarbeitung des Projekts für das neue Theater wurden die Wiener Architekten Ferdinand Fellner (1874-1916) und Hermann Helmer (1849-1919) berufen, deren Architekturbüro lange Jahre zu den bedeutendsten in Europa gezählt wurde. Sie beschäftigten ein Team von Fachleuten, mit dem sie in enger Zusammenarbeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Theatergebäude in einer Reihe europäischer Städte errichteten. Zu diesen gehören das Stadttheater in Wien (1872), das Volkstheater in Pest (1875), das Stadttheater in Augsburg (1877), das Stadttheater in Preßburg – das heutige Slowakische Nationaltheater (1886), das Stadttheater in Odessa (1887), das Neue Deutsche Theater in Prag – das heutige Smetana-Theater (1887), das Volkstheater in Wien (1889) oder das Stadttheater in Zürich (1891). Das Theater in Reichenberg zählte dabei zu den gelungensten Projekten der Herren Fellner und Helmer.
Ihre Bauwerke zeichnen sich durch eine erstklassige Durchführung aus, die dem damaligen Geschmack und den ästhetischen Vorstellungen der anspruchsvollen Kunden entsprach. Zu diesen gehörten auch die Ratsherren und Gönner der Stadt Reichenberg, dank derer die Stadt in den Besitz dieses Theatergebäudes kam. Im September 1881 wurde der Grundstein zum neuen Theater auf dem Gemeindegrundstück in der Nähe des Rathausplatzes (heute Dr.-Edvard-Beneš-Platz) gesetzt. Das Bauvorhaben wurde von den Reichenberger Baumeistern Sachers und Gärtner durchgeführt. Schon im September 1883 wurde das Stadttheater im Neurenaissancestil mit Schillers „Wilhelm Tell“ und der Ouvertüre von Gioacchino Rossini feierlich eröffnet.
Meisterstück in Jugendstil
Zu einem Kleinod des Theaters gehört auch der Hauptvorhang vom österreichischen Meister Gustav Klimt (1862-1918), des späteren Hauptvertreters des Wiener Jugendstils und der europäischen Malerei um die Jahrhundertwende. Die Österreicher, die ihm unbedingt für das Klimt-Museum gewinnen wollten, boten vor 50 Jahren eine Million Dollar an. Kurz nach der Wende wiederholten sie noch einmal ihr Angebot. Erfolglos. Der Vorhang – eine Allegorie mit der Bezeichnung „Triumph der Liebe“ hängt in der Höhe von 18,5 Meter weiterhin oberhalb der Reichenberger Bühne. Ab und zu kommen Kunsthistoriker aus der ganzen Welt, um den Jugendstilschatz zu fotografieren. Viele Besucher des Theaters wissen nicht von dem Meisterstück.