Im jüdischen Viertel in Prag gibt es nicht nur viel über die Geschichte, Kultur und Gegenwart der Juden in Prag zu erfahren. Es ist heute auch ein Beispiel für die Architektur des Belle Époque. Ein wahres Meisterwerk ist das Haus in der Široká-Straße, Ecke Maiselova.
Bis zur Revolution von 1848 und ihrer Emanzipation waren die Juden in Prag gezwungen, im Ghetto in der Josefstadt zu leben. Nach der Befreiung verließen viele von ihnen den Ort, der deshalb langsam verkam und verfiel. Ende des 19. Jahrhundert nutzte man die Gelegenheit, einen großen Teil der alten, teils noch mittelalterlichen Anlage abzureißen und stattdessen Prachtboulevards wie die Pařížská ulice (Pariser Straße) aufzubauen, die denen der Seine-Metropole Frankreichs den Rang abzulaufen trachteten.
Luxuriöseste Großstadtarchitektur war angesagt. Ein wahres Meisterwerk dieser Belle Époque in Prag ist dieses fünfstöckige Geschäfts- und Wohnhaus in der Široká 96/9 (Ecke Maiselova), häufig auch Mašek Apartments genannt.
Ein Teil der Jugendstil-Fassade von Vítezslav Mašek. Foto: Detmar Doering
Benannt ist das überaus originell gestaltete Gebäude nach seinem Erbauer, dem damals sehr prominenten Maler, Illustrator und Architekten Karel Vítězslav Mašek, der es im Jahre 1909 im damals modernen Jugendstil plante und errichtete.
Gesamtkunstwerk mit wuchtigem Portal
Da er nicht nur (sondern eher nebenbei) Architekt, sondern vor allem bildender Künstler war, legte sich Mašek so richtig ins Zeug, um so etwas wie ein Gesamtkunstwerk hinzukriegen. Kunst überzieht die ganze Fassade und selbst im Kontext der pompösen Großbürgerhäuser und Luxusläden drumherum fällt das Gebäude als ausgesprochenens Glanzstück auf. Das auffallendste Stück ist dabei das wuchtige Portal des Haupteingangs mit den beiden aufreizenden weiblichen Aktdarstellungen als Statuen, die aus damaliger Sicht wahrscheinlich geradezu gewagt erschienen.
Abbildung des Heiligen Wenzel. Foto: Detmar Doering
Und ein paar Botschaften für das Publikum wollte der Künstler auch loswerden. Wie die meisten böhmischen Künstler seiner Zeit sah sich Mašek auch als tschechischer Patriot, der das historische und nationale Selbstbewusstsein seiner Landsleute gegenübert den habsburgischen Fremdherrschern mit seiner Kunst stärken wollte. Deshalb wurden über dem zweiten Stock schöne bunte Keramikmedaillons mit den Portraits der berühmten Herrscher Böhmens angebracht, die alle regierten, bevor die Habsburger die Fremdherrschaft einleiteten. Hier sieht man den Heiligen Wenzel, der zu den bedeutenden Herrschern der Přemysliden-Dynastie gehörte.
Hang zum Spirituellen
Und da Mašek, wie viele Jugendstilkünstler, einen Hang zum Spirituellen hatte, fand auch religiöse Symbolik ihren Eingang in die Gestaltung des Gebäudes. Unter dem Eckerker des Gebäudes über dem Erdgeschoss findet sich ein Bild der Jungfrau Maria mit dem Kinde. Es handelt sich um ein mehrfarbiges Mosaik aus Keramik. Das farbenfrohe Bild verleiht dem patriotischen Charakter des Gebäudes eine tiefere religiöse Note und bringt zugleich auch eine sehr frohe, wenn nicht gar heitere Note in das Ganze.
Heute befinden sich im Haus etliche Wohnungen und kleine Büros. Im Erdgeschoss befindet sich ein Modegeschäft im oberen Preissegment, was zum Geist der Boulevards der Umgebung passt.
Ahoj aus Prag! Seit September 2016 leben wir berufsbedingt in Prag. Wir – eigentlich Rheinländer – haben sie schon voll in unser Herz geschlossen, diese Stadt! Deshalb dieser Blog, in dem wir Fotos und Kurzberichte über das posten, was diese Stadt so zu bieten hat und was wir so erleben. Wir, das sind:
Lieselotte Stockhausen-Doering und Detmar Doering
… und unser Hund Lady Edith! Wer sich in Prag einmal umschauen möchte, wird auf diesem Blog nach einiger Zeit sicher Interessantes finden, was nicht jeder zu sehen bekommt, der die Stadt besucht. Viel Spaß beim Lesen!