Zum ersten Mal seit Beginn seiner Amtszeit reiste Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz am 29. August nach Prag. Dort traf er sich mit dem tschechischen Premierminister Petr Fiala, um über aktuelle politische Herausforderungen zu sprechen. Zuvor hielt Scholz eine Rede an der Prager Karls-Universität über die Zukunft Europas.

Im Mittelpunkt der Gespräche zwischen Fiala und Scholz standen am Montag die hohen Energiekosten sowie die Suche nach Lösungen, die zur Senkung der Preise und Entlastung der Bürger führen können. Das gaben die beiden Politiker auf der anschließenden Pressekonferenz bekannt. Weitere Themen, über die bei dem Treffen zwischen Fiala und Scholz diskutiert wurde, waren neben der Energiepolitik zudem der aktuelle Krieg in der Ukraine sowie die gegenwärtige EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens. Dieser komme vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen eine große Bedeutung zu, wie Scholz zu Beginn der Pressekonferenz erklärte. Sowohl Scholz als auch Fiala betonten wiederholt, wie gut die enge Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Deutschland funktioniere und zeigten sich insbesondere über die Notwendigkeit, die Strom- und Gaspreise zu senken, einig.

Gesamteuropäische Lösung für die Energiekrise

Sowohl Tschechiens Premierminister Petr Fiala als auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz betonten, dass es enorm wichtig sei, die Energiepreise zu senken. Die aktuellen Preise am Markt seien laut Scholz nicht gerechtfertigt. Sie seien „kein Abbild von Angebot und Nachfrage“, so Scholz. Auch Fiala betonte, dass die Preise, die die Verbraucher momentan zahlen, nicht zu rechtfertigen seien. Detaillierte Lösungsvorschläge erläuterten die beiden an diesem Montag nicht genauer. Jedoch sei man sich einig, dass eine Lösung in jedem Fall europaweit getragen werden müsse. Tschechien begrüße es zudem, wenn Deutschland den Betrieb seiner Atomkraftwerke verlängern würde, teilte Fiala mit.

Scholz betonte auf der Pressekonferenz am Montagnachmittag, dass man hinsichtlich der Energieversorgung im Winter besser zurechtkommen werde als zuvor vorhergesagt. Einen Beitrag dazu sollen die neuen LNG-Terminals und deren Speicherkapazitäten für verflüssigtes Erdgas leisten. Die ersten Terminals könnten bereits im Januar in Betrieb genommen werden, stellte Scholz in Aussicht. Tschechien begrüßt den Bau der LNG-Terminals. Aufgrund der geografischen Lage seien insbesondere die Speichermöglichkeiten in Lubmin-Greifswald für die tschechische Nutzung wichtig. Fiala und Scholz zeigten sich auf der Pressekonferenz zuversichtlich, dass man unter anderem mit Hilfe der neuen LNG-Terminals die Lage am Energiemarkt gemeinsam schnell verbessern könne.

Gemeinsame Linie gegen den Imperialismus

Einigkeit demonstrierten Scholz und Fiala auch im Bezug auf den Krieg in der Ukraine. „Wir werden das nicht akzeptieren, dass mit Gewalt Grenzen verschoben werden und deshalb unterstützen wir alle die Ukraine“, machte Scholz am Montagnachmittag klar. Zudem verurteilte er die russischen Aggressionen. „Es ist ein furchtbarer krieg“, so Scholz: „Den imperialistischen Ansatz des russischen Präsidenten werden wir nicht akzeptieren“, fügte er hinzu. Um die Ukraine – auch militärisch – zu unterstützen, würden beide Länder eng zusammenarbeiten. So erhalte Tschechien im Gegenzug für dessen Panzerlieferung an die Ukraine von Deutschland 15 Panzer des Typs Leopard-2A4. Beim Ringtausch seien sich die beiden Länder einig.

Unterschiedlicher Meinung waren Scholz und Fiala hingegen, was verschärfte Einreiseregelungen für russische Staatsbürger betrifft. Der tschechische Premier Fiala appellierte daran, das Visum für touristische Zwecke für Bürger Russlands, ausgenommen der durch das Regime bedrohten Aktivisten, auszusetzen. Die strenge Visumspolitik der tschechischen Regierung teile Scholz nicht ganz: „Es ist ein Krieg, den der russische Präsident angezettelt hat“, so der Bundeskanzler.

Auch in Bezug auf die EU-Erweiterung herrschte zwischen Fiala und Scholz keine so große Einigkeit wie etwa bei der Energiepolitik. Die tschechische Regierung stehe einer schnellen EU-Erweiterung vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen zurückhaltend gegenüber, wie Fiala mitteilte. Doch man werde diesbezüglich weiterhin aufgeschlossen sein, ergänzte er. Eine nächste Möglichkeit, gemeinsam über die EU-Erweiterung zu diskutieren, bietet sich den beiden Ländern Anfang November bei einer Konferenz in Merseburg, zu der Scholz den tschechischen Premierminister einlud. Zudem wird die Sicherheitspolitik auch Thema der Diskussionen in den kommenden zwei Tagen im Rahmen des EU-Außenministertreffens in Prag sein.

Europolitische Grundsätze

Scholz präsentierte seine Haltung zur EU-Erweiterung und der Zukunft der europäischen Union bereits am Montagvormittag vor seinem Treffen mit Petr Fiala bei einer Rede an der Prager Karls-Universität. Dabei sprach er unter anderem über die Auswirkungen der Zeitenwende für Europa, die mit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine angebrochen sei. Scholz legte in seiner Rede seine Vorstellungen für die europäische Zukunft dar und präsentierte Reformvorschläge. Unter anderem sprach er sich für eine „erweiterte Union“ aus und warb für Mehrheitsentscheidungen auf EU-Ebene. „Worten müssen Taten folgen“, appellierte er und betonte, wie wichtig es sei, die Unabhängigkeit und Stabilität Europas zu sichern.

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