Tschechiens neuer Staatschef Petr Pavel war am Montag und Dienstag zu einem zweitägigen Besuch in der Slowakei. Am Montag traf er Zuzana Čaputová in Preßburg (Bratislava). Beobachter sprechen von einem „glücklichen Zeitfenster“ in Bezug auf die beiden Staatsoberhäupter, die politisch ähnlich ticken. Kommende Woche ist Pavel auch in Berlin zu Gast.

Präsidenten Tschechiens und der Slowakei reisen nach ihrer Wahl zum ersten Antrittsbesuch prinzipiell in das jeweilige Nachbarland. Tribut dafür, dass Tschechen und Slowaken mit der Ausnahme der Kriegszeit ein Dreivierteljahrhundert in einem gemeinsamen Staat zusammengelebt haben. Je länger das zurückliegt, desto größer scheint die Sentimentalität zu werden, mit der man sich dessen erinnert.

Der Präsidentenpalast in Preßburg (Bratislava) liegt auf einem belebten Platz der Donau-Stadt. Hausherrin Zuzana Čaputová hält nichts von großen Absperrungen. Neugierige haben die Chance, die Begrüßung und das militärische Zeremoniell für jeden Besucher hautnah mitzuerleben. Als beim Willkommen für den per Auto aus Prag angereisten Petr Pavel die tschechische und die slowakische Hymne hintereinander ertönen, sieht man bei vielen Leuten feuchte Augen. Diese Hymnen bildeten einst die gemeinsame Hymne der Tschechoslowakei.

Pavel und Čaputová: Ein Traumpaar?

Bei manchen werden es auch Freudentränen gewesen sein. Seit Čaputová spontan nach Prag gereist war, um Pavel am Wahltag in dessen Wahlkampfzentrale zum Sieg zu gratulieren, gelten beide Präsidenten nicht nur in der jeweiligen Boulevardpresse als „Traumpaar“. Die langhaarige Blondine und der durchtrainierte frühere NATO-General passen äußerlich tatsächlich perfekt zueinander. Es gibt vor allem aber auch eine Fülle von Gemeinsamkeiten im politischen Denken, die beide miteinander verbindet. Das wurde während des Besuchs vor allem bei einer abendlichen Debatte im Nationaltheater deutlich.

Beide Präsidenten ticken sehr ähnlich. Sie bekennen sich unzweideutig zu EU, NATO und zur liberalen Demokratie, zu Werten wie Respekt, Anstand und Demut. Beide haben ein ähnliches Problem in ihren Ländern, wenn auch in der Slowakei weit stärker: Immer mehr Leute hören auf die Putin-Propaganda. Pavel nickt, als Čaputová sagt: „Die Demokratie kann an der Naivität der Demokraten zugrunde gehen. Wenn wir sie nicht mit demokratischen Mitteln schützen, sind wir vielleicht die letzte Generation, die sie erlebt.“ Beide stehen ohne Wenn und Aber zur Ukraine. Čaputová stimmt Pavel zu, wenn der sagt: „Wenn wir der Ukraine sagen würden, dass sie ihr Territorium an Russland abtreten soll, wäre es dasselbe wie nach dem Münchener Abkommen. Das wäre Verrat. Und das wollen wir nicht.“ Aufhorchen lässt beider Skepsis über das Visegrád-Bündnis, weil Ungarn in der Ukraine-Frage immer mehr ausschere. Im Grunde stimmen Pavel und Čaputová das Ende von Visegrád an.

„Glückliches Zeitfenster“

Beobachter des Abends sprechen von einem „glücklichen Zeitfenster“, das sich für beide Staaten durch ihre derzeitigen, so ähnlich denkenden Präsidenten ergibt, die bei ihren Gesprächen auch gemeinsame Auslandsreisen verabredet haben, die erste nach Kiew. Das Problem: Dieses „glückliche Zeitfenster“ könnte sich sehr bald schon wieder schließen. Die Slowakei hat derzeit keine voll handlungsfähige Regierung. Die muss sich noch bis zum Herbst irgendwie durchhangeln, wenn vorzeitig ein neues Parlament gewählt wird. Umfragen lassen eine Rückkehr des zwielichtigen früheren Premiers Robert Fico an die Macht befürchten, der voll auf Putin-Linie liegt und die Hilfe für die Ukraine einstellen will.

Präsidentin Čaputová weiß, dass sie eine solche Entwicklung nur schwer verhindern kann. Sie hat sich – vielleicht auch deshalb – noch nicht entschieden, ob sie in einem Jahr für eine zweite Amtszeit kandidieren wird. Das wird für sie auch eine Frage der Kraft werden.

Petr Pavel reist am Donnerstag zum Antrittsbesuch nach Warschau. Da wird auch Visegrád eine Rolle spielen. Polen ist für Pavel wichtig, vor allem wegen der Ukraine. Deshalb will er die mit der EU strittigen Probleme Polens wegen der zweifelhaften rechtsstaatlichen Entwicklung dort erst einmal nicht ansprechen.

Völlig unbelastet werden Pavels Gespräche Anfang nächster Woche in Berlin sein. Die wichtigste Frage dort war, ob Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so kurz nach Pavels Wahl für den interessanten Gast aus Prag Zeit würde freischaufeln können. Er konnte.

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