Der Prager Senat schlägt das Datum des Attentats auf den Hitler-Schergen Reinhard Heydrich als künftigen tschechischen Gedenktag vor.
Es war einer der größten Akte des Widerstands gegen den deutschen Nationalsozialismus: Am 27. Mai 1942 verübten aus England eingeflogene tschechische und slowakische Fallschirmjäger in Prag einen Anschlag auf den damaligen „stellvertretenden Reichsprotektor“ Reinhard Heydrich. Tage später erlag Heydrich, der „Schlächter von Prag“ und einer der federführenden Organisatoren des Holocaust, in einem Krankenhaus an der Moldau seinen Verletzungen.
Der 27. Mai soll nun in Tschechien nach dem Willen des Senats, der zweiten Kammer des Parlaments, zu einem offiziellen Gedenktag werden. Einen entsprechenden Vorschlag unterbreiteten die Senatoren an die Adresse des Abgeordnetenhauses. Gedenktage in Tschechien unterscheiden sich von offiziellen Feiertagen dadurch, dass an ihnen gearbeitet wird.
Der Vorstoß des Senats kommt nicht überraschend. Für Beobachter aus dem Ausland ist es eher überraschend, dass er so spät kommt. Doch der 27. Mai 1942 ist kein einfaches Datum für die Tschechen.
In sozialistischen Zeiten war es den herrschenden Kommunisten peinlich, dass die Attentäter aus London – und damit aus dem „Westen“, nicht aus Moskau – gekommen waren. Der Auftrag dazu gab der seinerzeitige Exilpräsidenten Edvard Beneš. Der wiederum stand unter dem Druck der westlichen Alliierten, die den mangelnden Widerstand gegen das NS-Regime im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren beklagten, wo wichtige Waffenschmieden für Hitlerdeutschland standen. Heydrich hatte seit seinem Eintreffen in Prag die Rüstungsproduktion mit einem Kurs aus Zuckerbrot und Peitsche in ungeahnte Höhen geschraubt.
Zudem waren die in die Attentatspläne eingeweihten Widerstandskämpfer im Protektorat wenig begeistert von der Aktion, weil sie die massive Rache der Deutschen fürchteten. Mit dieser Voraussage lagen sie richtig. Die Rache der NS-Besatzer war furchtbar. Sie brachten in der Folge des Anschlags tausende Menschen standrechtlich um und zerstörten die Ortschaften Lidice und Ležáky.
Die sieben Kämpfer aus Tschechien und der Slowakei selbst waren nach der Tat von der Bevölkerung gedeckt worden und hatten sich zuletzt in der orthodoxen Kirche Cyrill und Method in der Prager Innenstadt unweit des Ufers der Moldau versteckt. Durch Verrat kam die Gestapo auf ihre Spur. Nach einem stundenlangen Feuergefecht waren alle Attentäter tot.
Unlängst erst hat der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Tschechien-Besuch auch die Krypta der erwähnten Kirche besichtigt, in der das Andenken an die Attentäter geehrt wird. Steinmeier war das erste deutsche Staatsoberhaupt, das diesen Weg ging, hatte selbst ausdrücklich um diesen Punkt in seinem Besuchsprogramm gebeten. Die tschechischen Medien hatten das als eine sehr positive Geste der deutsch-tschechischen Versöhnung gewürdigt.
Entsprechende Vorarbeit hatte schon Bundespräsident Joachim Gauck geleistet. Er hatte zum 70. Jahrestag der Vernichtung des mittelböhmischen Dorfs Lidice einen Brief an seinen damaligen Amtskollegen Václav Klaus geschrieben. Darin hatte er „seine tiefe Trauer und Scham“ darüber bekundet, was in Lidice geschehen war. Dieser Brief hatte in der tschechischen Öffentlichkeit eine ungewöhnlich starke Resonanz gefunden. Der damalige Prager Außenminister Karel Schwarzenberg fand für das Schreiben das Wort „wunderbar“. Andere sprachen von „einer der menschlichsten Äußerungen aus Deutschland nach 70 langen Jahren“.
„Ich möchte dem tschechischen Volk versichern, dass wir seinen Schmerz um die Opfer teilen und mit den Überlebenden fühlen, von denen einige noch unter uns sind“, hatte Gauck geschrieben. Ausdrücklich würdigte er den Mut der Attentäter auf Heydrich: „Ihr Leben und ihr Widerstand gegen Besatzung und brutale Diktatur können Ermutigung für unser eigenes Leben sein. Die Welt braucht Vorbilder wie sie.“
Der Bundespräsident erinnerte daran, dass sich die Absicht der nationalsozialistischen Terrorregimes, die Namen der zerstörten Ortschaften aus dem Gedächtnis zu tilgen, nicht in Erfüllung gegangen sei. Weltweit hätten sich Orte den Namen Lidice gegeben.
Gemeinsam mit Klaus besuchte Gauck bei einem späteren Besuch den Ort, an dem das Dorf einst stand, das von den NS-Schergen nach dem Attentat auf Heydrich dem Erdboden gleichgemacht worden war.
Zur Geste des Besuchs bei den Überlebenden in Lidice fügte Gauck eine weitere hinzu, die für seine Gastgeber vielleicht eine noch größere war: Er weigerte sich in Prag, auch auf Nachfrage von Journalisten, sich zum zweiten Trauma der tschechisch-deutschen Beziehungen zu äußern, zur Nachkriegsvertreibung der Deutschen. „Dafür wird später einmal Zeit sein“, sagte Gauck seinerzeit.