Im tschechischen Abgeordnetenhaus wurde gestern in der dritten Lesung über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare abgestimmt. Eine Mehrheit der Abgeordneten lehnte die vollumfängliche Gleichstellung ab. Stattdessen werden nun eingetragene Lebenspartnerschaften gestärkt.
Es war eine lange und mitunter hitzig geführte Debatte, die der Abstimmung über die Öffnung der Ehe für alle in Tschechien vorausging. Diese endete mit der Einreichung mehrerer Gesetzesvorschläge, die von der Öffnung bis zur vollständigen Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe reichten. In der dritten Lesung setzte sich schließlich der Kompromissvorschlag von Jiří Navrátil (KDU-ČSL) und Helena Válková (ANO) mit 123 Stimmen der 173 anwesenden Abgeordneten durch.
Neue Rechte für gleichgeschlechtliche Paare
Demnach heißt die offizielle Verbindung, die gleichgeschlechtliche Paare eingehen, nun eingetragene Partnerschaft. Das neue Gesetz ermöglicht es zudem, das leibliche Kind des anderen Partners zu adoptieren. Weitere Änderungen sind, dass bei Todesfällen der hinterbliebene Partner Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente hat sowie dass bei der eingetragenen Partnerschaft ein gemeinschaftliches Eigentum entsteht. Die Adoption von Kindern bleibt gleichgeschlechtlichen Paaren jedoch verwehrt. Das Gesetz soll im kommenden Jahr in Kraft treten.
Geteilte Meinung im Abgeordnetenhaus
„Für uns ist es keine ideale Lösung. Es ist nur ein Schritt, ein Meilenstein auf dem Weg, den wir noch gehen müssen, um echte Gleichheit und volle Würde aller Bürger unseres Landes zu erreichen“, kommentierte die stellvertretende Sprecherin des Abgeordnetenhauses, Olga Richterová (Piraten), das Ergebnis der Abstimmung. Sie kritisierte vor allem, dass mit dem neuen Gesetz die Menschen weiterhin in zwei Kategorien eingeteilt werden. Gegenüber ČT24 sagte sie später, dass sie den Kampf für die „Ehe für alle“ weiter fortsetzen werde. Auch Josef Bernard (STAN) sagte: „Wir wissen nicht, ob das ein ausreichender Sieg zum Feiern ist.“ Zudem betonte er, dass es noch einige Hürden zu überwinden gebe, bis das Gesetz tatsächlich verabschiedet wird. „Der Krieg ist noch nicht gewonnen, wir müssen unsere Kollegen im Senat davon überzeugen, dem Gesetz zuzustimmen“, betonte er.
Taťana Malá von der Partei ANO äußerte sich hingegen zufrieden. Sie sei froh, dass die Rechte der gleichgeschlechtlichen Paare ausgeweitet wurden. Auch Karel Haas (ODS), Mitglied im Verfassungs- und Rechtsausschuss der Abgeordnetenkammer, bewertet das neue Gesetz als positiv. Ihm zur Folge habe das Parlament kein Signal gesendet, dass die Menschen in der Tschechischen Republik nicht gleichberechtigt sind. „Das schändliche Gesetz über die eingetragene Partnerschaft wird aufgehoben. Die Privatrechte gleichgeschlechtlicher Paare werden begradigt“, sagte er dazu.
Tschechische Öffentlichkeit für die Öffnung der „Ehe für alle„
Laut Umfragen des tschechischen Zentrums für Meinungsforschung (CVVM) stimmten im vergangenen Jahr 58 Prozent der tschechischen Bevölkerung für die Öffnung der Ehe für alle. Dementsprechend enttäuscht zeigte sich auch die Initiative „Jsme fér“ (dt. „Wir sind fair“), die sich seit Jahren für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare einsetzt. „Heute ist ein trauriger Tag für die Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in unserem Land. Trotz der klaren Mehrheit für die Ehe für alle in der Tschechischen Republik, wurde dieses Gesetz nicht verabschiedet“, schrieben sie auf dem Kurznachrichtendienst X.
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