Die Regenbogenflagge gilt als Symbol für die queere Szene. Foto: Pixabay

Am Mittwoch ist Christopher Street Day, der als Tag gegen Diskriminierung und Ausgrenzung gefeiert wird. Unsere Landesbloggerin Johanna hat sich deshalb gefragt, wie die Situation in Tschechien für nicht-heterosexuelle Menschen aussieht.

Der Juni wird weltweit als „Pride Month“ (auf Deutsch „Monat des Stolzes“) gefeiert, also als Monat, in dem queere (nicht-heterosexuelle) Menschen selbstbewusst mit ihrer sexuellen Orientierung und Identität umgehen und diese feiern. Dieser Stolz hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern mit einer Gegenbewegung zu dem Scham und der Diskriminierung, die ihnen oft in der Gesellschaft entgegengebracht wird.

Der Grund, weswegen der Pride Month gerade im Juni stattfindet, ist der Christopher Street Day am 28. Juni. Vor 54 Jahren kam es im Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street zu Aufständen. Das Stonewall Inn, eine Schwulenbar, wurde zu dieser Zeit gemeinsam mit anderen Schwulen-Lokalen Opfer von gewalttätigen Polizei-Razzien. Insbesondere Dragqueens sowie transsexuelle Schwarze und Lateinamerikaner wehrten sich an diesem Tag gegen die Polizeigewalt, es folgten tagelange Kämpfe und Aufstände. Seitdem wird dieser Tag weltweit genutzt, um für die Rechte queerer Personen und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu demonstrieren, aber auch um das bisher Erreichte zu feiern – mit Paraden, Festen und Kundgebungen.

Situation in Tschechien

In Tschechien ist die gesetzliche Lage für queere Menschen weitaus liberaler als in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks. Der tschechisch-kanadische Psychiater und Sexualwissenschaftler Kurt Freund hat in den 1950er-Jahren nachgewiesen, dass man Homosexualität nicht therapieren kann. Infolgedessen wurde sie zum 1. Januar 1962 in der Tschechoslowakei legalisiert. Weitere Meilensteine kamen nach der Samtenen Revolution, so wurde 1990 das Schutzalter für Homosexuelle von 18 auf 15 Jahre angepasst, welches auch für heterosexuelle Menschen gilt. Im Jahr 1999 wurde ein Diskriminierungsverbot im Arbeitsverhältnis beschlossen, das später auf andere Bereiche ausgeweitet wurde.

Auch aus der Gesellschaft erhalten Homosexuelle eine vergleichsweise große Unterstützung. Laut einer Umfrage des Pew Research Institutes aus dem Jahr 2013 waren 80 Prozent der Tschechen der Meinung, dass Homosexualität gesellschaftlich akzeptiert sein sollte. Damit lag Tschechien auf dem dritten Platz der in Europa untersuchten Länder. Besonders schlecht schnitten Polen (42 Prozent) und Russland (16 Prozent) ab. Wie eine Untersuchung vom „Centrum pro výzkum veřejného mínění“ (Zentrum für Meinungsforschung) vom April diesen Jahres zeigt, unterstützen 83 Prozent der Tschechen das Recht auf eine eingetragene Partnerschaft, 58 Prozent unterstützen das Recht auf Heirat. Drei Viertel sind dafür, dass Homosexuelle das Kind ihres Partners adoptieren dürfen.

Gleichgeschlechtliche Ehe bald legal?

Seit 2006 können gleichgeschlechtliche Paare in Tschechien in einer „gesetzlich anerkannten eingetragenen Partnerschaft“ leben. Doch viele homosexuelle Paare wollen eine Ehe, die gleichberechtigt ist mit der von heterosexuellen Paaren. Denn bei der eingetragenen Partnerschaft werden ihnen einige Rechte verwehrt. So dürfen sie nur in 14 verschiedenen Büros in ganz Tschechien durchgeführt werden, eine kirchliche Heirat ist nicht möglich. Sie haben keinen Anspruch auf eine Witwenrente und die sogenannte „Errungenschaftsgemeinschaft“ (Společné jmění manželů), die die Güterverteilung in einer Ehe bestimmt. Außerdem können diese Paare nicht gemeinsam Kinder adoptieren.

Im Juni 2018 wurde dem tschechischen Parlament zum ersten Mal ein Vorschlag zur Gesetzesänderung für die gleichgeschlechtliche Ehe vorgelegt, der diese legalisieren soll. Der Vorschlag erhielt zwar Zuspruch von der Regierung, allerdings wurde seine Prüfung immer weiter um insgesamt fast drei Jahre verschoben. 2021 wurde das Parlament nach der ersten Lesung des Vorschlags neu gewählt, und so war der Entwurf vorerst vom Tisch. Das Thema wurde erneut vor etwa einem Monat auf die Agenda des Parlaments gesetzt. An drei Tagen haben die Abgeordneten über das Thema diskutiert, eine Abstimmung hat aber noch nicht stattgefunden.

In dieser Woche führt der Verein „Jsme fér“ (auf Deutsch „Wir sind gerecht“) eine Konferenz im Senat des Parlaments zum Thema „Ehe und Elternschaft für schwule und lesbische Paare: Erfahrungen im In- und Ausland“ durch. Wie der Verein auf seiner Website mitteilt, ist das Ziel der Konferenz, „die Unklarheiten, Lügen und unbegründeten Ängste, die manchmal aus dem Mund einiger Parlamentarier kommen, zu widerlegen und der Tschechischen Republik aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus Ländern zu vermitteln, in denen Schwule und Lesben heiraten dürfen“.

Prag als queeres Zentrum

Heute gilt Prag als queeres Zentrum in Tschechien mit vielen Schwulen-Bars, -Clubs und anderen Treffpunkten. Zudem wird seit 2011 jedes Jahr im August das Prague Pride Festival gefeiert. Wie die Veranstalter auf der Festival-Website mitteilen, findet die Parade nicht während des Pride Months statt, um Überlappungen mit anderen großen Pride-Veranstaltungen zu vermeiden. Außerdem sind die tschechischen Sommerferien im August, es können also mehr Leute anreisen.

In der zweiten Augustwoche gibt es ein Festival mit mehr als 150 verschiedenen Veranstaltungen, wie Filmvorführungen, Konzerte, Partys und Diskussionen. Der Höhepunkt des Festivals ist die Parade am Samstag durch die ganze Stadt. Mit etwa 40.000 Teilnehmern kommt diese zwar zahlenmäßig nicht an große Pride-Veranstaltungen wie in Berlin ran, zieht aber queere Menschen aus ganz Tschechien an.

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