Andrej Babiš hatte einige Male schon mit den Hufen gescharrt wegen eines Termins im Berliner Bundeskanzleramt. Aber Angela Merkel wollte keinen Premier „in Demission“ empfangen, sondern den diplomatischen Gepflogenheiten entsprechen.

Eine Begrüßung mit Hymnen und militärischem Zeremoniell steht danach nur „ordentlichen“ Gästen zu. Also musste Babiš warten, bis er mit Hilfe der KSČM die Weihen für seine Minderheitsregierung mit den Sozialdemokraten erhalten hatte.
 
Überraschungen hatte niemand von dem Treffen erwartet. Die Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Tschechien und Deutschland florieren. Beide Seiten sind zunehmend daran interessiert, dass das „17. Bundesland“ den Status einer verlängerten Werkbank verliert. Man will die Zusammenarbeit im Bereich Industrie 4.0, also der Digitalisierung, massiv ausbauen. Da fand Babiš bei der promovierten Wissenschaftlerin Merkel offene Ohren. Die deutsche Industrie steht eh schon weit mehr als nur in den Startlöchern dafür.
 
Dass nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen herrschte, liegt an der unterschiedlichen Grundhaltung beider Nachbarländer in der Frage der Verteilung von Migranten. An dem verhakten sich auch die Berliner Gespräche, die zufällig auf den Tag genau drei Jahre nach Merkels schicksalsschwerer Entscheidung stattfanden, für die Migranten, die zu Fuß von Budapest Richtung Österreich unterwegs waren, die Grenze zu öffnen. „Wir schaffen das“, sagte Merkel und meinte damit Deutschland, das in seiner Geschichte schon viel geschafft habe. Als sich sehr bald zeigte, dass das sehr viel schwerer wird als erwartet, bezog die Kanzlerin in das „Wir“ dann auch sicherheitshalber schnell auch noch die Nachbarn mit ein
 
Europäische Lösung hieß danach das Stichwort. Die sucht Merkel bis heute. Und bis heute verweigert sich – neben anderen Ländern – auch die Tschechische Republik. Merkel beginnt das nur sehr sehr langsam zu verstehen, nach meinem Empfinden. Immerhin sagte sie auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Babiš den Satz: „Wir haben auch darüber nachgedacht, wie wir uns mit bestimmten Ländern die Arbeit durchaus auch ein bisschen teilen können.“ Das klingt danach, als sollte ein bisschen mehr Realismus einziehen in diesem Punkt. „Unsolidarisch“, wie Tschechien noch in der Vorschaumeldung einer Nachrichtenagentur auf das Treffen genannt wurde, ist das Land jedenfalls nicht. Babiš hat das in Berlin konkret nachgewiesen.
 
Ansonsten enthielt sein „Plan“, von dem vorab die Rede war, nichts Neues unter der Sonne. Babiš musste Merkel nicht sagen, dass es besonders wichtig sei, in den Herkunftsländern der Migranten tätig zu werden, um die Menschen dort von der Flucht nach Europa abzuhalten. Die Kanzlerin hatte erst wenige Tage vorher drei entscheidende Länder Afrikas besucht, ihr Entwicklungshilfeminister zehn weitere Staaten.
 
Die Worte vom „Plan“ des Premiers waren denn wohl auch in erster Linie an die Menschen in Tschechien gerichtet. Seht her, ich kann nicht nur das Land wie eine Firma leiten, sondern bin auch ein großer Spieler auf europäischem Parkett. Das wird so mancher Wähler noch in den Ohren haben, wenn er demnächst an die heimischen Wahlurnen geht.
 
Ich bin nicht so vermessen, zu behaupten, Babiš gehe es darüber hinaus in erster Linie darum, sich an der Seite der tatsächlich großen Spieler des Kontinents zu zeigen. Natürlich ist er wie jeder Politiker eitel. Aber es darauf zu reduzieren und ihm die Ernsthaftigkeit abzusprechen, wäre unfair. Babiš muss freilich auf internationalem Parkett noch eine Menge lernen. Ambitionen sind immer gut, aber sie müssen auch mit Inhalt unterfüttert sein. Wenn er das nächste Mal an die Spree reist, dann zu einem Arbeitsbesuch. Da gibt es dann kein militärisches Zeremoniell mehr, da sind besagte Inhalte gefragt. Das sollte Babiš aber entgegenkommen, der ja nicht müde wird, zu betonen, dass er und seine Regierung „malochen, nicht nur quatschen“.
 
Dass Babiš nicht von gestern ist, sondern durchaus diplomatisches Geschick hat, bewies er auf erwähnter Pressekonferenz, als er nach seiner Meinung zu den Geschehnissen in Chemnitz gefragt wurde. Der Premier war klug genug, sich jeder Kommentierung zu enthalten, was Merkel sichtlich erfreute. Sie hat genug zu tun, um die Sache auch ohne ausländische Ratschläge in den Griff zu bekommen, wenn es dazu nicht schon zu spät ist. Ob Präsident Miloš Zeman sich bei seinem anstehenden Besuch in Deutschland ebenso klug verhalten wird wie sein Premier oder seinem Hang zu nicht immer feinen „Bonmots“ erliegen wird, muss erst einmal abgewartet werden.
 
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