Seit rund einem Monat ist der neue Bahnhof Bubny in Betrieb. Der Bahnhof markiert ein neues Kapitel Prager Eisenbahngeschichte: Es handelt sich um den ersten neuen Bahnhof seit 40 Jahren. Detmar Doering von „Ahoj aus Prag“ hat sich den Bahnhof angesehen.
Historisch versierte werden natürlich einwenden, dass es ja seit langem einen Bahnhof dieses Namens gab. Und in der Tat, dessen altes Gebäude aus den 1870er Jahren (siehe „Ahoj aus Prag“ früheren Bericht hier) kann man vom westlichen Ausgang aus noch gut erkennen . An Gleise angeschlossen ist der aber nicht mehr, denn der Betrieb wurde 2014 eingestellt. Und er sieht recht heruntergekommen und vernachlässigt aus. Seit 2015 hat man damit begonnen, aus dem alten Bahnhof eine Gedenkstätte zu machen, denn von hier aus fuhren ab Oktober 1942 die ersten Transporte von Juden in die Vernichtungslager der Nazis – fast alle der rund 46.000 Juden der Stadt fuhren von hier aus in den Tod. Konkrete Pläne für die Neugestaltung des bisher improvisiert arrangierten Gedenkorts werden zur Zeit in Angriff genommen.
Großprojekt zur Stärkung des regionalen Bahnverkehrs
Der völlige Neubau des Bahnhofs Bubny rund 100 Meter südwestlich des seit 2008 unter Denkmalschutz stehenden alten Bahnhofs ist Teil eines größer angelegten Projekts der Tschechischen Bahn (České drahy), die regionalen und lokalen Verbindungen des Streckennetzes zu stärken. Nicht nur sollte die alte Strecke vom Prager Zentrum auf dem anderen Moldauufer via Bubny nach Prag –Výstaviště modernisiert und ausgebaut werden, sondern es sollten über den Bahnhof neue Strecken nach Kralupy und nach Kladno gebaut werden, und eine die den Prager Václav-Havel-Flughafen ab den frühen 2030er Jahren (endlich) direkt per Schiene erreichbar macht – etwas, das eigentlich schon lange fällig war. Ein ambitioniertes (und recht schnell in Angriff genommenes) Projekt, das die Leistungsfähigkeit des Prager Verkehrsnetzes noch einmal verbessern wird.

Das alles macht natürlich eine wesentlich größere Kapazität notwendig als sie der alte Bahnhof je aufbringen konnte. Folglich sind die Ausmaße des Bahnhofs, der in nur zwei Jahren fertiggestellt wurde, für einen Regionalbahnhof recht groß. Der rechteckige Bahnhof misst im Grundriss 250 x 50 Meter und hat zwei Etagen, wobei das Erdgeschoss (in dem es Läden und Restaurants geben wird) teilweise in einem kleinen Abhang liegt, an dem der Bahnhof gebaut ist.
Architektonisches Konzept mit Leichtigkeit und Licht
Das zweite, frei ohne Seitenwände gebaute Geschoss, in den die Züge auf vier Gleisen ein- und ausfahren, steht auf dutzenden Vierkantpfeilern an der Außenseite und schmaleren runden Pfeiler innen. Das verschafft dem Bahnhofsteil eine gewisse architektonische Leichtgkeit, die dadurch unterstrichen wird, dass durch das Flachdach Licht durch unzählige runde Fenster (wie Bullaugen) gelassen wird. Auf dem Dach gibt es eine Aussichtsterrasse, die aber von der Bahnverwaltung aus Angst vor Vandalismus erst einmal für die Öffentlichkeit geschlossen wurde, was bereits Kritik hervorrief.

Modernster Regionalbahnhof Tschechiens
Man wird nicht müde, diesen Bahnhof als den modernsten zu apostrophieren, den es in Tschechien zur Zeit gibt. In der Tat ist vieles daran ungewöhnlich. Er ist zum Beispiel der erste Lokal- oder Regionalbahnhof in Prag, in den Züge direkt ins Gebäude hineinfahren. Das war bisher nur dem überregionalen Hauptbahnhof vorbehalten. Bei allen anderen landeten Zugreisende auf externen Bahngleisen neben oder hinter dem Bahnhofsgebäude. Auch scheint man sich in Sachen Ökologie immerhin soviel Mühe gemacht zu haben. Dass im Gebäude zwei kleine Bäume angepflanzt wurden, die elektronisch gesteuert mit Wasser gespeist werden. Ein wenig putzig ist das schon… Gern würde man auch erfahren, wer der Designer der Sitze auf den Bahnsteigen und Wartehäuschen war, die so originell in einem kubistischen Retro-Stil gestaltet wurden, und die ein wahrer Blickfang sind (weiß jemand Bescheid?).

Bei der Eröffnung, bei der der tschechische Verkehrsminister Martin Kupka und zahlreiche prominente Lokalpolitiker zugegen waren, waren allerdings tatsächlich noch einige Dinge nicht ganz funktionstüchtig (die für den mustergültig barrierefreien Zugang nötigen Aufzüge funktionierten in den ersten Tagen z.T. noch nicht), aber immerhin können darauf seitdem plangemäß Züge einfahren und halten. Vergleicht man es mit öffentlichen Bauvorhaben in Deutschland (schlimmer noch: in Berlin), muss man sagen, dass die Tschechen hier gründliche und schnelle Arbeit geleistet haben. Die Pläne für den Neubau stammen übrigen von dem renommierten, 2001 in Prag gegründeten Architekturbüro Jakub Cigler, von dem wir bereits u.a. hier, hier und hier Projekte vorgestellt haben.
Städtebauliche Erneuerung für Holešovice
Der neue Bahnhof ist nicht nur in ein regionales Verkehrskonzept eingebettet, sondern auch in ein städteplanerisches Konzept zur Aufwertung eines wohl unschönsten Areals der Stadt, wo eine Brückeneinfahrt mit einer heftig befahrenen Uferstraße und einem Straßenbahnverkehrsknoten eine recht unwöhnliche, von Betonpfeilern der verschiedenen Zubringerstraßen verschandelte Brache entstehen ließen. Die Brache setzt sich noch einmal Richtung Norden rund einen Kilometer entlang der Gleise fort, denn die ehemalige Schneise war so breit (an einigen Stellen bis zu 150 Metern) und fast unüberquerbar, dass der Stadtteil Holešovice seit jeher in zwei fast hermetisch abgeschlossene Hälften zerschnitten wurde. Alles Zusammen ist das ein städteplanerischer Sündenfall, wie er schlimmer kaum sein kann. Der Neubau des Bahnhof ist ein Teil der Planungen, diesen Missstand zu beseitigen.
Ein neues Zentrum zwischen Moldau und Philharmonie
Das Konzept sieht vor, dass der nördliche Brachteil dichter bebaut wird und die Gedenkstätte am alten Bahnhof ein Zentrum für Kultur und Begegnung sein soll. Aber der wichtigste Teil der Neukonzeption findet um den neuen Bahnhof statt, der sich ja – wenn nicht hässliche Bausünden das Umfeld so sehr heruntergezogen hätten – eigentlich an bester Lage an der Moldau mit sehr guter Verbindung zur Metrostation Vltavská (früherer Beitrag hier) befindet. Inzwischen hat man damit begonnen, durch eine vereinheitlichende Platzgestaltung den Bahnhof mit der stilistisch durchaus harmonierenden Metrostation großzügig zu verbinden. In einer nächsten Stufe soll die Uferstraße unterirdisch verlaufen und das geplante Gebäude der Neuen Philharmonie an der Moldau entstehen, deren Bau nach Abschluss des Genehmigungsverfahren 2027 beginnen und 2033 vollendet sein soll und das Ganze zu einem Ensemble werden lässt.

Ein Herzstück mit Zukunftsperspektive
In ein paar Jahren wird man also nichts mehr davon bemerken, dass hier dereinst eine städtebauliche Fehlplanung erst Ranges gründlich korrigiert wurde – sehr zum Wohle der Umgebung, die dadurch ansprechend gentrifiziert wird. Der neue Bahnhof Bubny, der 2,5 Milliarden Kronen (ca. 102 Millionen Euro) gekostet hat, wird zu einem Herzstück des Areals werden, von dem man über die Eisenbahnbrücke des Negrelli-Viadukt nunmehr noch bequemer von der Altstadt über die Moldau die Neue Philharmonie und das lebendige Viertel, das hier wohl entsteht, erreichen kann. Und auch schneller, denn nach dem Ausbau ist die Strecke innerhalb von Prag auf eine Fahrgeschwindigkeit der Züge von 120 km/h und außerhalb der Stadt sogar 160 km/h ausgelegt! Anscheinend scheint die Bahn hierzulande noch eine rosige Zukunft zu haben. (DD)
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