Im Dezember erschien ein Buch, das viele Steinkreuze und Kreuzsteine aus dem Mittelalter neu interpretiert.
Anders als bisherige Interpretationen betrachtet das kürzlich veröffentlichte Buch des Juristen und Buchautors Stephan Altensleben Steinkreuze nicht nur als Sühne-, Gebets- oder Grabkreuze, sondern erstmals als Schwur- und Gerichtskreuze. Diese Steine, die aus der Zeit des hohen Mittelalters stammen, als Gerichte noch unter freiem Himmel abgehalten wurden, weisen verschiedene Schutzkreiszeichen und Warnzeichen auf, die ihre Funktion belegen. Interessanterweise zeigen Berufs- und Standeszeichen auf den Steinen keine Verbindung zu Verstorbenen, sondern repräsentieren Schöffen aus verschiedenen ländlichen Gerichten sowie aus Mühlen-, Hammerwerks- und Bergerichten.
Während sowohl weltliche als auch kirchliche Gerichte Steinkreuze nutzten, scheinen Kreuze auf Stangen (Ferulas), Balkenkreuze und Radkreuze auf Steinplatten sowie Radkreuze früh von der Kirche übernommen worden zu sein. Hingegen sind Kreuze auf Säulen lediglich aus dem Gebiet des ehemaligen Römischen Reiches bekannt. Die Umgestaltung von Steinen im Laufe der Jahrhunderte erschwert die Entschlüsselung ihrer ursprünglichen Bedeutung erheblich.
Relevanz auch für Böhmen, Mähren und Schlesien
Die Ergebnisse dieser Forschung haben nicht nur Relevanz für den deutschsprachigen Raum, sondern erstrecken sich auch auf Schlesien, Böhmen und Mähren. In Böhmen und Mähren lag die weltliche Gerichtsbarkeit nur bei den Klöstern, während die Bistümer Prag und Olmütz diese Funktion nicht ausübten. Daher sind Radkreuze ausschließlich als Symbole klösterlicher Gerichte zu interpretieren. Diese neue Deutung der Kreuze eröffnet zahlreiche Erkenntnisquellen für verschiedene Zweige der Geschichtswissenschaft. Sie trägt nicht nur zur Archäologie, dem Denkmalschutz und der Museumsarbeit bei, sondern gibt auch den Orten, an denen diese Kreuze einst standen oder noch stehen, Teile ihrer vergessenen Geschichte zurück.