Um das Licht der Lampe zu entfachen, muss Laternenanzünder Jan Tater mit einem Haken an einer Vorrichtung im Inneren der Lampe ziehen, um das Gas ausströmen zu lassen. Foto: Lena Pierskalla

Alte Gaslampen tauchen die Prager Karlsbrücke in eine einzigartige Stimmung. In der Adventszeit werden sie von Hand angezündet.

An der Moldau herrscht ein eisiger Dezemberwind, Schneeflocken tanzen durch die Luft und bedecken das Kopfsteinpflaster vor der Prager Karlsbrücke mit einer frischen Schicht Schnee. Die Sonne versteckt sich, wie so oft in der kalten Jahreszeit, hinter Wolken und bald wird sie ganz verschwinden. Kurz vor 16 Uhr legt sich Dunkelheit über die Stadt. Auch die Lampen auf der Karlsbrücke sind noch aus. 

Einige Schritte vor der Brücke tritt ein Mann in Uniform auf den Kreuzherrenplatz (Křižovnické náměstí). Er trägt eine historische Uniform eines Prager Laternenanzünders aus dem späten 19. Jahrhundert, bestehend aus einem schwarzen, langen Wollmantel mit dekorativen Messingknöpfen, einem roten Umhang sowie einer schwarzen Mütze mit einem Laternenabzeichen. In der rechten Hand hält er einen Bambusstab. Zielstrebig schreitet er auf die erste Laterne am Fuße der Brücke zu, hebt seinen Stab und bringt den Kandelaber mit sicherer Hand zum Leuchten. Es ist die erste von insgesamt 46 Laternen, für die in der Adventszeit die beiden Laternenanzünder Jan Tater und Jan Žákovec – in Prag die letzten ihrer Zunft – zuständig sind. Die alten Gaslampen oder Kandelaber, wie die meterhohen, säulenartigen Gaslampen, genannt werden, sind fester Bestandteil der unvergleichlichen Atmosphäre Prags. 

Es werde Licht

In Prag begann die Verwendung von Gas für die öffentliche Beleuchtung Mitte September 1847 mit der Eröffnung des Gaswerks Karolinenthal (Karlín). In jenem Jahr wurden in der Prager Innenstadt die ersten 200 Gaslampen angezündet. Daraufhin verbreitete sich das Gaslicht auch in den Parks, Gärten, an den Ufern und auf den Inseln. Zu dieser Zeit gab es bis zu 120 Laternenanzünder, sie waren für die rund 7500 Gaslaternen in der Stadt zuständig. Die Umstellung zu Gas galt damals als großer Fortschritt, denn bis dahin wurden hauptsächlich Öllampen verwendet.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wechselte die Gasbeleuchtung nach und nach zu Strom. Am längsten hielt sich das Gaslicht in der Prager Altstadt und auf den Brücken. Noch 1940 beleuchteten mehr als 9000 Gaslaternen die Prager Straßen und Plätze, so viele wie nie zuvor in der Geschichte der heutigen tschechischen Hauptstadt. Die letzten Lampen, die von Gas auf Strom umgestellt wurden, waren die achtarmigen Masten auf dem Hradschin (Hradčany) und in der Loretánská-Straße Ende April 1985. Für die nächsten 17 Jahre sollte das warme Licht der Gaslaternen aus dem Stadtbild verschwinden und mit ihm auch der Beruf des Laternenanzünders. Bis sich die Stadt Prag 2002 dazu entschloss das Licht zurückzuholen.

Rückkehr zum Gas

Obwohl es praktischer und günstiger ist, die Dunkelheit mit elektrischem Licht zu vertreiben, kehrten die Kande­laber und Gaslampen nach Prag zurück. Der alte Krönungsweg sollte wieder im goldenen Gaslicht erstrahlen und so leuchtete 2006 in den Lampen des achtarmigen Leuchters auf dem Hradschiner Platz wieder eine Gasflamme. Es folgten die Laternen auf der Karlsbrücke, der achtarmige Kandelaber in der Loretogasse (Loretánská) und 2014 ein vierarmiger auf dem Draschitz-Platz (Dražického náměstí).

Insgesamt sind derzeit etwa 680 Gaslampen in Prag zu finden. Diese werden jedoch die meiste Zeit des Jahres automatisch angezündet, nur in der Vorweihnachtszeit drehen die Laternenanzünder ihre Runden. Dabei gehen sie immer den gleichen Weg: Zwischen 16 und 16.15 Uhr beginnt die Zeremonie am Kreuzherrenplatz, dann setzt er seine Route auf der rechten Seite der Karlsbrücke in Richtung Kleinseite fort. Bei den Brückentürmen auf der Prager Kleinseite angekommen, kehrt er um und entzündet die Gaslampen auf der gegenüberliegenden Brückenseite in Richtung Altstadt. Abschließend entfacht er die verbleibenden Gaslaternen auf dem Kreuzherrenplatz, womit er seine Arbeit für den Tag beendet. 

Die Wege des Laternenanzünders sind unter den Pragern schon bekannt, umringt wird er oftmals trotzdem von einer fröhlichen Menschentraube. Besonders Touristen reagieren mit großem Interesse auf die Laternenanzünder und an ruhigen Tagen nehmen sich Jan Tater und Jan Žákovec auch gerne die Zeit für ein Foto oder ein kurzes Gespräch. Es scheint nicht immer Neues, Spektakuläres nötig zu sein, um Touristen anzulocken und Interesse zu wecken. Manchmal genügt es, Traditionen fortzuführen. 

Jan Žákovec ist neben seiner Tätigkeit als „Lampář“ hauptberuflich Leiter des Museums der Prager Gaswerke (Pražská plynárenská). Der Beruf des Laternenanzünders ist heute größtenteils ausgestorben. In einigen Ländern wird die Tradition jedoch noch weitergeführt. Neben Tater und Žákovec gibt es noch Laternenanzünder in Breslau (Wrocław, Polen) , Baden-Baden (Deutschland) und Zagreb (Kroatien). Sie alle sorgen dafür, dass in den Städten die Gaslaternen brennen. In der Weihnachtszeit, vor allem bei Nebel, Regen oder Schneefall sorgen die kleinen Flammen für eine besonders mystische Atmosphäre.

Ab Sonntag, den 3. Dezember, bis Samstag, den 23. Dezember, geht der Laternenanzünder seine Runden. Sein Weg beginnt täglich zwischen 16 und 16.15 Uhr auf dem Kreuzherrenplatz (Křižovnické náměstí) auf der rechten Seite der Karlsbrücke.

dieser beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 12/2023

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