Der Todestag von Egon Erwin Kisch jährte sich in diesem Jahr zum 75. Mal. Zu diesem Anlass veranstaltet das Prager Literaturhaus am Donnerstag um 18.00 Uhr einen literarischen Abend über seine Aufzeichnungen als Infanteriesoldat im Ersten Weltkrieg.
„Lieber Egon Erwin Kisch, sehen Sie sich an, was Sie angerichtet haben! Zum Mindesten sind Sie ein Reporter und ein sehr guter dazu; aber warum muss denn heute alles eine „Reportage“ sein?“ So reagierte Kurt Tucholsky in seinem satirischen Text „Die Reportahsche“ von 1931 auf das literarische Phänomen, das Kisch mit seiner spezifischen Form journalistischer Tätigkeit losgetreten hatte.
Er etablierte die literarische Reportage
Da mag auch ein wenig Neid unter Schriftstellerkollegen mitgeschwungen haben. Denn nur wenige können von sich sagen, das Verständnis einer bestimmten Textform so nachhaltig geprägt zu haben wie Kisch das der Reportage. Er hat das Genre zwar selbst nicht erfunden – seine Inspiration nahm er unter anderem von den Werken Jack Londons und Émile Zolas – doch es waren seine Prager Milieuschilderungen, die die Reportage nachhaltig als literarische Form etablierten.
Der Sohn einer Kaufmannsfamilie wurde 1885 in Prag geboren und begann seine journalistische Tätigkeit ebenda als Volontär beim Prager Tagblatt. Der erste journalistische Erfolg stellte sich bei seiner Arbeit für die Zeitung Bohemia ein, wo er als Lokaljournalist die Kolumne „Prager Streifzüge“ schrieb, die sich im Besonderen mit der Prager Unterwelt auseinandersetzte. Im Auftrag derselben Zeitung enthüllte Kisch die Affäre um den Selbstmord des Obersten Alfred Redl, der als russischer Spion enttarnt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte Kisch sich dem Kommunismus zu und nahm an den revolutionären Ereignissen von 1918/1919 in Wien teil. In der Zeit der Weimarer Republik lebte er die meiste Zeit in Berlin, arbeitete als Korrespondent für die Brünner „Lidove noviny“ und gab seine Reisereportagen – unter anderem in die Sowjetunion und nach Afghanistan in Buchform heraus. 1933 wurde er von den Nazis verhaftet und abgeschoben. Das Exil verbrachte er unter anderem in Australien, Frankreich, Spanien, den USA und Mexiko. 1946 kehrte er nach Prag zurück, wo er seine journalistische Tätigkeit fortsetzte, aber auch in der Politik als Stadtrat tätig war. Zwei Jahre später starb er am 31. März 1948 an einem Schlaganfall.
Viera Glosiková stellt Kischs Kriegstagebuch vor
Das Werk von Kisch ist umfangreich. Zu ihm zählen auch Aufzeichnungen aus seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg, in der sich auch seine Hinwendung zum Kommunismus vollzog. Diese Aufzeichnungen wird Viera Glosiková von der Karls-Universität am Donnerstag bei einer Veranstaltung des Prager Literaturhauses vorstellen, die an den 75. Todestag des „rasenden Reporters“, wie er von seinen Zeitgenossen genannt wurde, erinnert. Interessenten sind ab 18 Uhr in die Ječná 11 im Prager Stadtteil Vinohrady geladen. Der Direktor des Prager Literaturhauses, David Stecher, wird das Gespräch leiten.