Für unsere LandesBloggerin Rosa ist Tanzen mehr als nur ein Sport – es ist eine Leidenschaft, die sie glücklich macht und von Ängsten befreit. Selbst ihr Umzug von Deutschland nach Tschechien konnte ihre Begeisterung nicht bremsen. Doch wie fühlt es sich an, in einer fremden Kultur zu tanzen?

Viele Menschen suchen nach dieser einen Sache, die sie erfüllt und ihre Augen zum Strahlen bringt. Etwas, das am besten überall verfügbar ist und nicht an einen Ort gebunden, wo man es möglicherweise zurücklassen müsste. Bücher beispielsweise kann man auf jede Reise mitnehmen. Doch reicht das Lesen aus, um ein Gefühl der Erfüllung zu schaffen? Vielleicht braucht es eher etwas Tiefergehendes. Das Spielen eines Instruments, womöglich in einer Band, oder das Malen auf Leinwänden, der künstlerische Ausdruck mit Farben, Formen und Materialien. Diese Aktivitäten haben sicherlich Potenzial, ein Gefühl der Erfüllung hervorzurufen. Doch meine Augen leuchten am stärksten bei etwas anderem: dem Tanzen. Es hat bereits den Auszug aus dem Elternhaus, meine Studienzeit und die erste große Partnerschaft überstanden. Aber wird es auch einen Umzug in ein fremdes Land überstehen? Das wird sich zeigen!

Die ersten Schritte im fremden Land

Nach meinem Umzug nach Prag war für mich klar: Das Tanzen möchte ich nicht missen. Also durchforstete ich das Internet nach Tanzstudios und Workshops – schwieriger als gedacht. Die Webseiten sind oft nur auf Tschechisch und der erste Versuch missglückte. Ich fand mich in einem Keller unter einem vietnamesischen Restaurant wieder und war die Einzige, die den Kurs besuchen wollte. Frustriert ging ich nach Hause. Doch ich hatte keine Lust aufzugeben und startete einen neuen Versuch. Dieses Mal kam ich zumindest in den Kursraum. Der Trainer begann zu sprechen – auf Tschechisch. Die ersten Momente waren ein Tanz ins Ungewisse. Die Vertrautheit des Tanzens traf auf die Fremdheit der Sprache. Ich fühlte mich gleichzeitig willkommen und verloren.

Sprachbarrieren brechen

Doch bereits nach dem ersten Tanzkurs und obwohl ich kein Tschechisch verstand, spürte ich ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die Sprachbarriere wurde zur Nebensache, da die Kommunikation auf einer anderen Ebene stattfand. Die Tanztherapeutin Elke Willke sagt treffend: „Tanz ist ein kommunikatives, und mithin soziales Phänomen, allerdings anders als Sprache. Tanz spricht unmittelbar von Mensch zu Mensch.“ Es spielt keine große Rolle mehr, ob ich die Sprache des anderen verstehe – die Musik und der Tanz bilden eine Brücke, die die Unterschiede überwindet. 

Deshalb lasse ich nun mehrmals die Woche alles stehen und liegen, um mich auf den Weg nach Prag 7 zu begeben. Im „Vnitroblock“, der ein Café, ein Restaurant und Ausstellungen beherbergt, befindet sich das Tanzstudio unter dem Dach eines Industriegebäudes. Die Atmosphäre des stickigen Raumes erzählt von vielen Abenden voller Musik, Bewegung, lachenden Menschen, Schweiß und Verbundenheit.

Die Struktur des Tanzkurses

Mein Körper ist müde. Diese wohlig warme Erschöpfung greift tief und lässt mich endlich auf dem Sofa ruhen. Meine Oberschenkelmuskeln spüre ich am stärksten – sie mussten anderthalb Stunden lang hart arbeiten. Der Aufbau der Tanzkurse ist stets ähnlich, ein Pluspunkt, der mich für kurze Momente vergessen lässt, dass ich mich nicht mehr in Deutschland, sondern in Tschechien befinde. Zuerst kommt das Aufwärmprogramm, bei dem die ersten Schweißtropfen fließen. Danach folgt das Erlernen einer Choreografie. Gewöhnlich wählt der Trainer jede Woche ein neues Lied aus und entwickelt dazu passende Bewegungen. Manchmal wird die Choreografie aufgebrochen und wir lernen kurze Routinen. Mein persönliches Highlight sind jedoch die Stunden, in denen Raum für Freestyle gegeben wird – das intuitive, aus den eigenen Fähigkeiten geschöpfte freie Tanzen. Jeder tanzt zu der Musik, wie er es fühlt.

Sich zeigen – ohne Worte

Viele der Trainer sind für mich Inspirationsquellen. Sie lassen ihren eigenen Charakter in die Bewegungen einfließen, ein Angebot, das man annehmen kann. Doch die eigene Persönlichkeit steht immer an erster Stelle, sowohl bei den Choreografien als auch beim freien Tanzen. Wie fühlen sich die Bewegungen für mich selbst an? Wie interpretiere ich die Musik, wo setze ich Akzente?

Diese Individualität ist das Besondere am Tanzen. Jeder bewegt sich auf seine eigene Art und Weise und doch miteinander. Die Energie im Raum ist spürbar – alle sind konzentriert, fokussiert auf die Musik, den Trainer und die Mitmenschen. Wenn nach einer Stunde die Choreografie sitzt und der Kopf freier ist, werden Emotionen vermittelt und die eigene Persönlichkeit kommt mehr zum Vorschein – ein magischer Moment, wenn man Teil davon sein darf.

Interkulturelle Verständigung

Den Tanz als eine Form der Vermittlung zwischen Kulturen zu betrachten, wird auch in einigen Tanz-Dokumentarfilmen wie „Dancing In Jaffa“ von Hilla Medalia thematisiert. Dieser Film zeigt eindrucksvoll, wie Tanz dazu beiträgt, die interkulturelle Kompetenz zu stärken und Vorurteile abzubauen oder ihnen präventiv entgegenzuwirken. Der Schauplatz: eine Tanzschule in Jaffa, in der israelisch-palästinensische und israelisch-jüdische Kinder lernen sollen, was Respekt, Gemeinschaft und Vertrauen bedeuten. Tatsächlich vermittelt der Film ein Gefühl der Hoffnung: Den Kindern scheinen Werte wie Respekt und Höflichkeit durch den Tanz nahegebracht worden zu sein – eine Chance für ein friedlicheres Miteinander.

Die Wurzeln des Tanzes 

Je tiefer ich in die „Tanz-Materie“ eintauche, desto weiter öffnet sich das Feld: Denn Tanz ist nicht einfach nur Tanz. Die verschiedenen Tanzstile tragen jeweils ihre eigene Geschichte in sich. Sie haben ihren Ursprung auf den Straßen und in der Underground-Musikszene, entstanden oft aus der Notwendigkeit heraus, neue Räume in der Gesellschaft zu schaffen. Tanzstile entwickelten sich weiter, brachen etablierte Regeln und spiegeln ganze Kulturen wider. Sie sind vielfältig, kontrovers und werden manchmal missverstanden. Ein Bewusstsein für diese Hintergründe ist wichtig, denn es zeigt Respekt vor den Ursprüngen und der kulturellen Bedeutung des Tanzes – dennoch sollte dies nicht davon abhalten, dass jeder sich frei bewegen und Spaß am Tanzen haben darf. Meine Freude daran habe ich jedenfalls auch hier in Prag nicht verloren.

Tanz verbindet

Ohne meinen Umzug nach Tschechien hätte ich die Stärke des Tanzes als universelle Sprache nicht erkannt, sie nicht zu schätzen gewusst. Durch das Tanzen fühle ich mich willkommen in diesem neuen Land. Es ist für mich ein Ausdruck von Freude, Gemeinschaft und menschlicher Verbundenheit. In einer Welt, die oft von Missverständnissen und Konflikten geprägt ist, erinnert mich der Tanz daran, dass wir alle mehr gemeinsam haben, als uns trennt. Auch wenn ich mir vor manchen Tanzstunden einen Ruck geben muss und danach meine Knie wackelig sind und die Sportkleidung durchnässt ist, ist alles, was ich fühle, pure Euphorie. Das ist die Stärke des Tanzens. Es befreit und erfüllt.

Liebe Leserinnen und Leser, ich bin Rosa und meine Liebe zu Prag hat mich zum LandesEcho geführt, wo ich ein dreimonatiges Praktikum absolviere. Mit elf Jahren habe ich aus familiären Gründen einige Zeit in Prag gelebt und bin froh, nach meinem Bachelorabschluss in Medien- und Wirtschaftspsychologie in Köln wieder hier sein zu können und mehr über den Journalismus und die deutsche Minderheit in Tschechien zu erfahren. Meine Interessen umfassen vor allem Kultur, Politik und gesellschaftliche Themen. Neben meiner großen Leidenschaft fürs Tanzen, gehe ich gerne auf Entdeckungstour in Parks und Cafés und tausche mich mit Menschen aus, um zu erfahren, was sie bewegt. Diese Begegnungen bereichern nicht nur mein Leben, sondern auch meine journalistische Arbeit. Ich freue mich darauf, Euch auf meine Reise mitzunehmen und interessante Themen zu besprechen.

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