Jazz hat in Prag eine lange Tradition und auch heute noch findet sich eine lebendige Jazzszene in der Stadt. Unsere Landesbloggerin Aurelia hat sich diese einmal etwas genauer angeschaut.

Schon in den 1920er Jahren hielt der Jazz Einzug in die Stadt – und das somit deutlich früher als in weiten Teilen Europas. Trotz großer Beliebtheit war es in den nachfolgenden Jahrzehnten für die Jazzszene jedoch nicht leicht, sich weiterzuentwickeln: Im Nationalsozialismus galt die Musik als zu frei und zu wenig regelgeleitet, unter dem kommunistischen Regime als zu dekadent. Oftmals hatten die Künstlerinnen und Künstler daher mit vielen Einschränkungen oder sogar Verboten ihrer Musik zu kämpfen.

Nichtsdestotrotz konnte sich in Prag eine lebendige Jazzszene entwickeln. Die Musikerinnen und Musiker umgingen die Verbote im Geheimen und besonders in den 1950er Jahren entstanden zahlreiche Jazzclubs, die entscheidend dazu beitrugen, dass der Jazz in Prag nicht nur überlebte, sondern florierte.

Tschechische Jazzmusikerinnen und Musiker haben die internationale Jazzszene in den letzten Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt – und der Jazz prägt bis heute die Stadt. Sicherlich ist die goldene Blütezeit des Jazz vorbei, die Szene in Prag ist jedoch weiterhin vielfältig und lebendig: In der Innenstadt finden sich überall zahlreiche Jazzbars und -clubs, die täglich Live-Konzerte anbieten. Um einen Eindruck davon zu gewinnen, habe ich mir ein paar der Clubs genauer angeschaut. 

Der Reduta Club wirbt auch von außen mit seiner langen Tradition.
Der Reduta Club wirbt auch von außen mit seiner langen Tradition. Foto: Aurelia Kanzleiter

Eine Zeitreise im Reduta Jazz Club 

Wenn man über Jazz in Prag spricht, kommt man nicht um den Reduta Jazz Club herum, den ältesten Jazzclub in Prag. Nur wenige Schritte vom Nationaltheater entfernt, wurde er 1958 gegründet und entwickelte sich schnell zum Zentrum der tschechischen Jazzszene und laut der britischen Tageszeitung Guardian zu einem der zehn besten Jazzclubs Europas.

Das Reduta war seit jeher Treffpunkt von Musikerinnen und Musikern, Schauspielerinnen und Schauspielern sowie Literatinnen und Literaten und bot einen Raum des freien Ausdrucks. Dass der Club ein Ort der Begegnung ist, merkt man auch im Inneren schnell: Die Wände sind voll behangen mit Bildern von Prominenten und Jazzlegenden, die einst im Club auftraten oder ihn besuchten.

Auch darüber hinaus liegt der Charme des Clubs in seiner Geschichte. Der Kellerraum ist schummrig beleuchtet und im Vintage-Stil möbliert, sodass man sich um ein paar Jahrzehnte zurückversetzt fühlt. Dass der Jazzclub Kultstatus hat, macht ihn aber auch zu einem wahren Touristenmagneten, was inzwischen die authentische Atmosphäre leider etwas schmälern kann. 

Im Jazz Republic kommen täglich Gäste jeden Alters zusammen, um den Bands zuzuhören.
Im Jazz Republic kommen täglich Gäste jeden Alters zusammen, um den Bands zuzuhören. Foto: Aurelia Kanzleiter

Jazz für alle im Jazz Republic

Ganz in der Nähe des Redutas liegt das Jazz Republic, das etwa 40 Jahre später seine Eröffnung feierte und auf dessen Bühne hauptsächlich tschechische Musikerinnen und Musikern spielen. 

Auch das Jazz Republic befindet sich in einem dämmrig beleuchteten Kellergewölbe, dessen Wände Plakate vergangener Konzerte säumen. Das Publikum ist bunt gemischt: Junge genauso wie ältere Menschen kommen hier zusammen, um Jazz zu genießen. Vielleicht liegt das an den vielen TikTok-Videos, die diesen Club als Geheimtipp für den nächsten Prag-Trip anpreisen. Vielleicht aber auch daran, dass der Eintritt in das Jazz Republic kostenlos ist. Dem Club zufolge soll Jazz für alle zugänglich sein und neu entdeckt werden können. Dies lädt auf alle Fälle zum Wiederkommen ein!

Neben dem freien Eintritt wirbt der Club mit einer besonderen Konzertdramaturgie, die dem improvisatorischen Charakter des Jazz gerecht werden soll: Die Zusammensetzung der Band und das Repertoire werden zusammen mit den Gastmusikerinnen und Gastmusikern des Clubs erst kurz vor Showbeginn entschieden. Auf diese Weise wird jedes Konzert zu etwas Besonderem, das in der Form nicht wiederholt werden kann.

Im Jazz Dock kommt durch bunte Bühnenbeleuchtung, Kerzenlicht und große Fenster mit Blick auf die Moldau Stimmung auf.
Im Jazz Dock kommt durch bunte Bühnenbeleuchtung, Kerzenlicht und große Fenster mit Blick auf die Moldau Stimmung auf. Foto: Aurelia Kanzleiter

Musik mit Blick auf die Moldau im Jazz Dock

Besonders am Jazz Dock – den dritten Jazzclub, den ich besucht habe – ist seine Lage. Anders als viele andere Clubs ist das Jazz Dock nicht in einem Keller versteckt, sondern liegt direkt am Smíchov-Ufer. Von außen eher unscheinbar, eröffnet sich einem im Inneren ein stimmungsvolles Ambiente – Kerzenlicht auf den Tischen, bunte Bühnenbeleuchtung, große Fenster mit Blick auf den Fluss. 

Das Jazz Dock wurde 2009 als Alternative zu den vielen Clubs geschaffen, die sich im Stadtzentrum primär an Touristinnen und Touristen richten. Die Musikerinnen und Musiker wollten einen Ort schaffen, an dem die Musik im Mittelpunkt steht und nicht bloß als Hintergrundkulisse zum Essen dient. 

Obwohl man letztlich an den reservierten Sitzplätzen auch im Jazzdock Essen bestellen kann, hatte ich bei dem Konzert, das ich dort besuchte, tatsächlich das Gefühl, dass das hauptsächlich tschechische Publikum das Jazz Dock für die Musik besucht. Bei den ruhigen Balladen waren alle aufmerksam und still, bei den tanzbaren Rhythmen hielt es die meisten nicht auf ihren Stühlen. 

Prags Jazzszene hat mich überzeugt. Vor allem ins Jazz Dock wird es mich in den kommenden Wochen sicher noch einmal führen, um die gute Stimmung am Wasser zu erleben. Dass es neben diesen drei Clubs noch so viel mehr zu entdecken gibt, wurde mir umso klarer, als ich während des Jazzkonzerts im Jazz Dock aus dem Fenster schaute und draußen das Jazz-Boot vorbeifahren sah. Man muss in Prag wirklich nicht lange suchen, um Jazz zu finden! 

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.