Nachdem unsere LandesBloggerin Anna in der großen Stadt Prag mal ganz genau hingehört hat, empfand sie den Wunsch, sich einen weiteren Sinn vorzuknöpfen. Die Entscheidung ist schnell gefallen: das Riechen. Sie präsentiert die für sie prägendsten Gerüche der Stadt Prag.
An einem sonnigen und warmen Herbsttag beschließe ich, den Bauernmarkt an der Moldau aufzusuchen. Samstags finden sich hier von 8.00-14.00 Uhr reichlich Händler aus der Umgebung zusammen, um ihren Schmuck, ihre Kleidung und diverses Kunsthandwerk wie Keramikproduktionen, aber vor allem ihr Essen zu verkaufen. Ich nehme wie gewohnt die Tram. Als die eingesprochene, stets um ihren freundlichen Ton bemühte, Frauenstimme die Haltestelle Výtoň verkündet, blicke ich aus dem Fenster und freue mich, gleich unten an der Moldau viele kleine Zelte zu entdecken. Sonnengeblendet verlasse ich die Tram und steuere erstmal auf den Second-Hand-Verkauf von Schmuck und Kleidung, dessen interessanter Standort ein Boot ist, zu. Zu blöd, dass ich nicht an genügend Bargeld gedacht hatte.
Händler verkaufen in der angenehmen Herbstsonne auch Schmuck, wie zum Beispiel Ohrringe mit kreativen Anhängern für 50 Kronen (ca. 2€). Foto: Anna Treutlein
Ein Meer aus Gerüchen
Runter vom Boot, werfe ich mich ins Getümmel. Links und rechts von mir sind bis das Auge reicht weiße Zelte aufgestellt. Und somit beginnt meine kulinarische Geruchsreise: Zwischen diversen (auch vegetarischen!) Burgerständen, finden sich tschechische Streetfoodzeltchen, aber auch frischgebackene Kuchen- und Strudelangebote. Nicht zu vergessen sind die Brothändler, die mit ihren duftenden Gebäckstücken den ein oder anderen Passanten schwach werden lassen. Was zudem immer mal wieder auftaucht – und mein absoluter Favorit ist – sind die Blumenstände, dessen Besitzer mit größter Sorgfalt und nur mit ausgewählten Blüten eine Duft-Eigenkreation in einem Blumenstrauß entstehen lassen. Als ich die Augen schließe, die Wärme der Sonne auf meiner Haut spüre und den Trubel um mich herum für eine Sekunde ausblende, habe ich das Bild einer blühenden bunten Blumenwiese vor mir.
Doch es mischt sich auch ein fremder, unpassender Geruch hinzu. Als ich am Ende der Allee aus Ständen wieder auftauche, wird mir erst klar, welcher anderer Geruch es ist: der Geruch des Flusses. Ich denke, man kann sich darüber streiten, ob der leicht fischig-algige Geruch nun Urlaubsgefühl oder Ekel auslöst. Bevor ich mir eine ausgefeilte Meinung darüber machen kann, entdecke ich weitere weiße Zelte auf der anderen Seite des Flusses.
Wem der Moldaugeruch, wie ich ihn im Geiste taufte, nicht gefallen sollte, der sollte sich von dem anderen Flussufer, auf der eine Erweiterung des Bauernmarktes zu finden ist, fernhalten. Obwohl es hier auch tschechische und sogar asiatische Streetfoodstände gibt, ist mir intensiv der Geruch von Fisch aufgefallen. In meinen Augen keineswegs eklig, sondern lecker duftend zubereitet. Meistens frittiert. Aufgrund der schwindenden Sonne trat ich gut gelaunt den Heimweg an. Stets darauf bedacht die sonnige Straßenseite zu wählen.
Auch Prag ist nur annähernd perfekt
Weniger lästig als ermunternd empfindet die LandesBloggerin Anna die etlichen Straßenbauarbeiten. Hier ein Beispiel einer solchen Baustelle auf dem Bürgersteig der Legerova-Straße zulaufend auf das Nationalmuseum. Foto: Anna Treutlein
Natürlich kann ich, auch wenn ich es zutiefst wollen würde, nicht behaupten, dass Prag immer nach frischem Gebäck riecht, bei dem man schon bevor man es anfasst weiß, dass es noch warm ist. Wir reden von einer Großstadt, in die tagtäglich Menschen mit dem Auto zur Arbeit pendeln. Dementsprechend ist es nur ehrlich zu berichten: Auch Prag riecht mal nach Abgasen. Aus diesem Grund muss ich prinzipiell schon einmal davon abraten am Stadtring, der zu meinem Entsetzen teilweise vier Spuren in eine Richtung aufweist, entlang zu gehen. Was die Straße angeht, gibt es für mich aber auch einen anderen erfreulicheren Geruch, nämlich den der Fahrbahnerneuerung, des Teers. Mir geht es bei den reichlichen Straßenarbeiten in der Prager Innenstadt oft so, dass ich Fernweh verspüre. Nicht weil ich Prag verlassen will, nein, das gewiss nicht. Sondern weil Autobahnen überwiegend im Sommer erneuert werden und ich schon oft in scheinbar endlosen Staus den Weg zu meinen Sommerurlaubszielen auf mich genommen habe. In glühender Hitze über dem Teer, am besten noch in einem Auto ohne Klimaanlage, im Stau stehend. Da wird natürlich ordentlich geschwitzt, aber für mich ist das ein wahres Sommergefühl.
Von Hitze merkt man im November in Prag wenig, deswegen bin ich froh über die Straßenbauarbeiten, die mich schlicht durch ihren Geruch immer mal wieder aus dem Alltag hinaus, in den Sommer verführen…
Dobrý den aus der schönsten Stadt der Welt! Ich bin Anna Treutlein und darf bis Ende des Jahres als Praktikantin direkt aus der Prager LandesEcho-Redaktion mitarbeiten. Da ich selbst Wurzeln aus einer deutschen Minderheit habe, bin ich hier perfekt aufgehoben. Ich freue mich schon sehr auf die vielen neuen Eindrücke und Erlebnisse, die ich in meiner Zeit hier sammeln darf. Die tschechische Sprache blieb mir bisher noch vorenthalten, aber jetzt ergreife ich meine Chance und bin davon überzeugt, mir auch diese Sprache ein wenig aneignen zu können. Im Anschluss an das Praktikum werde ich in Wien ein Studium der Politikwissenschaften beginnen… und dort zweifellos von meiner Zeit in Prag schwärmen, denn das tue ich jetzt schon!