Unser Landesblogger Robin ist neu in Prag. Seinen ersten Stadtspaziergang durch die tschechische Hauptstadt unternahm er in einer besonderen Mission: auf der Suche nach deutschen Büchern in Prag. Eine Suche, die sich als nicht einfach, aber schließlich doch erfolgreich herausstellte.

Die Sonne scheint über dem Wenzelsplatz, der Himmel ist beinahe wolkenlos. Gute Startbedingungen für eine kleine Expedition. Heute werde ich Bücher suchen gehen. Deutsche Bücher in Prag.

Das ist kein so leichtes Unterfangen. Eine vollständig deutschsprachige oder internationale Buchhandlung gibt es meines Wissens in Prag nicht. Das Einzige, was meine Suchanfragen ergeben, ist eine deutsche Buchhandlung des Verlags Vitalis, deren Bücher allesamt im großen Moldauhochwasser von 2002 ertrunken sind. Keine guten Aussichten.

Dünnes Angebot am Wenzelsplatz

Auch in den großen Buchhandelsketten am Wenzelsplatz ist es schwer, deutsche Bücher zu finden. Gelingt es mir einmal, dem Buchhändler in gebrochenem Tschechisch einen Bestellwunsch abzugeben, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der gewünschte Titel nicht lieferbar ist. So war es mir beispielsweise nicht vergönnt, einen von Leo Perutzes erfolgreichsten Romanen, den „Meister des jüngsten Tages“, auf diesem Wege aufzutreiben. Zumindest haben sowohl das „Luxor“ am Wenzelsplatz 41 als auch die Buchhandlung „Academia“ (Wenzelsplatz 1) eine kleine deutsche Abteilung, in der Klassiker und einige wenige Neuerscheinungen ausliegen.

Die Jagdstrecke

Jetzt versuche ich es ein wenig mehr abseits. Mittels einer kurzen Recherche habe ich mir eine Liste vielversprechender Buchhandlungen und Bibliotheken zusammengestellt. Die grünen Flaggen auf Google Maps, mit denen ich meine Ziele markiert habe, ergeben ein wildes Zickzack durch den historischen Teil der tschechischen Hauptstadt. Auf dieser Route hoffe ich, nicht nur meinen Perutz, sondern auch den einen oder anderen neuen Gesprächspartner in Papierform zu finden. Außerdem verbinde ich das Angenehm-Nützliche mit dem Nützlich-Angenehmen: Ich verspreche mir eine erste intimere Bekanntschaft mit den Straßenzügen, die in den nächsten drei Monaten der Schauplatz meines Lebens sein werden.

Das Prager Literaturhaus bietet eine umfangreiche Sammlung

Meine erste Station ist das Prager Literaturhaus. Es liegt an der Ječná 11, die vom Stadtteil Vinohrady in den Stadtkern führt. In einem ruhigen Innenhof begrüßt mich ein verschmitztes literarisches Wandgemälde. Auf der Wandmalerei sehe ich Karikaturen von Max Brod, Franz Kafka und anderen Prager Literaten zu einem lustigen Gemenge vereint. Daneben befindet sich der Eingang zum Literaturhaus, das sich die Pflege der deutschsprachigen Literatur aus Prag zur Aufgabe gemacht hat. Ich trete ein.

Ein schmuckes Wandgemälde ziert die Fassade des Prager Literaturhauses. Credit: Robin Sluk

Hinter der doppelten Eingangstür empfängt mich eine junge Mitarbeiterin des Hauses, das man, wie ich zuvor im Internet erfahren habe, nur dienstags von 13.00 bis 16.30 Uhr besuchen kann, am besten mit vorheriger Anmeldung per Telefon oder Mail. Die umfangreiche deutschsprachige Bibliothek hat beinahe alle Prager literarischen Schwer- und Leichtgewichte der letzten zwei Jahrhunderte im Programm. Auch den „Meister des jüngsten Tages“ finde ich hier, nur leider darf ich ihn nicht ausleihen. Die Sammlung des Prager Literaturhauses, die aus einer privaten Schenkung hervorgegangen ist, ist eine reine Präsenzbibliothek.

Bei meinen nächsten zwei Stationen werde ich enttäuscht. In der Jungmannova 9 haben sie keine deutschen Bücher ausliegen und in der Buchhandlung „Budget Books“ an der Lazárská 1 finde ich nur ein paar deutsche Klassiker in den Ausgaben vom Anaconda-Verlag. Wenig, aber wenigstens etwas.

Stöbern in der Spálena und bei „Křenek“

Interessanter wird es bei der ersten ungeplanten Station meiner Suche. Gleich um die Ecke zur englischen Buchhandlung finde ich eine große Buchhandlung mit Antiquariat, die „Knihkupetství Spálená“ in der Spálená 53. Das Antiquariat hat gleich zwei Regale voll mit deutschen Büchern und ist nicht schlecht sortiert. Sie haben Keller und Stifter, Goethe, Heine, aber auch viele Autoren des 20. Jahrhunderts in ihrem Fundus. Dagegen ist die Abteilung mit den deutschen Neuerscheinungen eher klein. Gerade einmal zwei Regalreihen sind für sie reserviert. Dafür lockt das Angebot mit ausgefalleneren Titeln: Ich finde eine Studie über die Beziehungen der Familie Mann zu Tschechien, sowie die Serie „Tschechische Auslese“ des Wieser Verlags: Übersetzungen einiger unbekannter tschechischer Autoren ins Deutsche. Eine kleine, aber feine Fundgrube, mit der sich der literarische Horizont erweitern lässt.

Ein wenig erhitzt von diesen Entdeckungen –  ich gebe zu, nicht jeder wird nach einer flüchtigen Begegnung mit ein paar unbekannten Erzählern so aufgeregt sein wie ich –  begebe ich mich nun in Richtung Moldau, wo ich die Bibliothek des Goethe-Instituts aufsuchen will. Aber ich bleibe ein weiteres Mal stecken.

Ebenfalls nicht auf meiner Liste war das geschmackvoll eingerichtete Antiquariat „Křenek“, das gleich um die Ecke auf der Národní 20 liegt. Auch hier verkaufen sie vor allem Bücher in tschechischer Sprache, doch die Verkäuferin hat auch einige Regalreihen für deutsche Titel reserviert. „Wenige Kunden kommen hierher und kaufen die Bücher“, antwortet sie auf meine Nachfrage, ob ihr die deutschen Titel denn auch abgenommen würden.

Dabei hat sie eine formidable Auswahl. Nicht nur Kafka, Meyrink und Kisch stehen im Regal, sondern auch schöne Ausgaben von Platons Symposium, eine Übersetzung von „Ulysses“ und andere Leckerbissen bieten sich zum Kauf an. Weiter hinten im Laden findet sich eine philosophische Abteilung, die neben Schopenhauers Werken zahlreiche Kompendia und die ein oder andere obskure Dissertation enthält. Geleitet von meinem Vorhaben, mit meinem Tschechisch ernst zu machen, nehme ich jedoch nur eine tschechische Ausgabe von Meyrinks „Golem“ mit.

Das ansprechende Interieur der Buchhandlung „Křenek“ auf der Národní 20. Credit: Robin Sluk

Das Goethe-Institut befriedigt meine Bedürfnisse

Jetzt endlich an der Moldau angekommen, nähere ich mich dem Prachtbau auf dem Masarykovo nábřeží 32, in dem das Prager Goethe-Institut untergebracht ist. Das hat im ersten Stock eine Bibliothek, in der man sich zum Preis von hundert Kronen (ca. 4,25 Euro) einen Bibliotheksausweis für ein halbes Jahr erwerben kann. Wer schnell und kostengünstig an die meisten wichtigen deutschen Bücher kommen will, ist hier an der richtigen Adresse. Insbesondere hat die Bibliothek des Goethe-Instituts auch viele deutsche Neuerscheinungen im Programm, die sonst in Prag eher Mangelware sind. Auch den „Meister des jüngsten Tages“ finde ich hier und leihe ihn gleich bei der freundlichen Bibliothekarin aus.

Der Prachtbau des Goethe-Instituts am Moldauufer. Credit: Robin Sluk

Touristische Buchhandlungen enttäuschen.

Meine letzten zwei Stationen sind die Buchhandlung „The Kafka Bookshop“ auf der „Široká 14“, sowie „Shakespeare&Sons“ hinter der Karlsbrücke in der Straße U Lužického semináře 1. Beide führen ein ähnliches Programm wie das „Luxor“: Sie decken die Klassiker ab, deutsche Neuerscheinungen sucht man vergeblich. Beide Buchläden sind schön eingerichtet und einen Besuch wert, doch meinen Hunger nach einem anständigen Fundus deutschsprachiger Literatur stillen sie nicht. Oben auf der Prager Burg gibt es noch die Buchhandlung des Vitalis-Verlages in der Zlatá Ulička 22, sowie das „Antikvariát U zlaté číše“ an der Nerudova 16. Beide Buchhandlungen haben auch ein deutsches Sortiment, aber dafür reichen heute Zeit und Lust heute nicht mehr.

An der Moldau

Als ich von „Shakespeare&Sons“ ins Freie trete, geht bereits die Sonne unter. Fast ein wenig beschämt, diesen sonnigen Tag mit der Suche nach staubigen Büchern verbummelt zu haben, begebe ich mich ans Moldauufer. Ich schaue den Haubentauchern zu, die immer wieder im frostigen Wasser verschwinden, auf der Jagd nach irgendwelchem Kleingetier. Nach ein paar Minuten tauchen sie an einer anderen Stelle wieder auf. Man weiß manchmal gar nicht, ob das überhaupt noch derselbe Vogel ist, oder ein anderer, der seinen Weg unter Wasser hierher gefunden hat. So in etwa habe ich es heute auch gemacht, habe meinen Kopf zwischen die Bücher gesteckt, bis ich mich hier am Wasser wiedergefunden habe. Es war ein schöner Tag.


Robin Sluk

Über unseren Landesblogger:

„Dobrý den. Jmenuji se Robin Sluk. Rád Vás poznávám.“

Zumindest die Vorstellung auf Tschechisch klappt schon einigermaßen. Was den Rest der Sprache anbetrifft, werde ich in den nächsten Monaten noch viel zu lernen haben.

Mit Tschechien verbindet mich die Geschichte meines Vaters, der als Sohn deutscher Eltern in Reichenberg (Liberec) aufwuchs und im August 1968 mit seiner Familie ausgewandert ist. Diese Ausreise war ein recht interessanter Vorgang, über den ich gerne in einem oder zwei Artikeln für das LandesEcho berichten werde. Insbesondere bin ich darauf gespannt, die Prager Kultur- und Literaturszene kennenzulernen und plane einige Artikel über die Geschichte der deutschsprachigen Literatur in Prag.

Ursprünglich habe ich in Freiburg Philosophie und Mathematik studiert. Mein Ziel beim LandesEcho ist es, einige grundlegende journalistische Kompetenzen aufzubauen. Ganz fremd bin ich der schreibenden Zunft allerdings nicht: Neben der Arbeit bei LandesEcho sitze ich zur Zeit an meinem ersten größeren Projekt, einem literarischen Tagebuch über St. Petersburg, wo ich von August 2018 bis Juni 2019 gelebt habe.

Ich freue mich auf die Zeit in der Redaktion und hoffe, der Leserschaft einige lesenswerte Artikel präsentieren zu können. 

P.S.: Sofern ein Prager Leser oder eine Leserin daran interessiert ist, mit mir deutsch zu sprechen und mir dafür im Gegenzug etwas Tschechisch beibringen möchte, kann er oder sie mich unter der Adresse: praktikant@landesecho.cz erreichen.

 

 

 

 

 

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