Toyen in jungen Jahren. Foto: Nationalgalerie Prag

In ihrer ersten Ausstellung nach der Wiedereröffnung präsentiert die Nationalgalerie ein echtes Highlight: Sie zeigt Werke der tschechisch­-französischen Künstlerin Toyen.

Die erste Maiwoche in Tschechien brachte nicht nur Sonnenstrahl und Blüten, sondern auch eine gute Nachricht für alle Kunstfreunde: Denn angesichts der verbesserten Pandemie-Lage kommt es endlich zur Eröffnung der Museen und Galerien. Da im Land weiterhin strenge Anti-Covid-Maßnahmen gelten, muss man sich allerdings vor dem Galeriebesuch im Reservierungssystem eine Eintrittskarte sichern und innerhalb der Ausstellungsräume weiterhin hygienische Regeln beachten. Abstand halten und das Tragen einer FFP2-Maske sind Pflicht. Dies sollte jedoch die Vorfreude auf das ungewöhnliche Kulturerlebnis keinesfalls trüben.

Prag, Hamburg, Paris

Die Rede ist von der Werkschau „Toyen. Die träumende Rebellin“ (Toyen. Snící rebelka) in der Wallenstein-Reithalle (Valdštejnská jízdárna) in Prag, die in Zusammenarbeit von Nationalgalerie in Prag mit der Hamburger Kunsthalle und dem Musée d’Art Moderne de Paris entstanden ist. Und eben in Hamburg und Paris wird Toyen jeweils in einer veränderten Form gezeigt, sobald die Prager Schau im Sommer schließt.

Toyen (1902-1980), einer der herausragendsten tschechischen Künstlerinnen von internationalem Rang, widmeten sich hierzulande bereits einige Ausstellungen. Wie beispielsweise die von 2000 im „Haus zur steinernen Glocke“ in Prag, wohin beinahe 67.000 Menschen strömten. Das aktuelle internationale Projekt der Nationalgalerie Prag umfasst alle Schaffensetappen sowie tragende Themen von Toyen. „Toyen ist eine sehr unabhängige und äußerst konsistente Künstlerin. Ihr Gesamtwerk wird von Themen begleitet, die für sie grundlegend waren, wie die Bindung zur Natur, die Erforschung vom Unterbewusstsein, große Imagination oder ihre sehr interessante Arbeit mit Farben“, erläutert die Ausstellungskuratorin der Nationalgalerie Anna Pravdová. Die Künstlerin machte nie Kompromisse, sei es im Privatleben oder innerhalb ihres Schaffens, wobei sie sehr inspirativ war.

Nah an der Avantgarde

Darüber kann sich nun jeder Besucher anhand von 300 Kunstwerken selbst ein Urteil bilden. Gemeinsam mit 114 Gemälden Toyen’s sind in der Wallenstein-Reithalle auch ihre graphischen Blätter, Collagen, Druckgraphiken, illustrierten Bücher sowie eine Vielfalt von persönlichen Dokumenten und Fotografien ausgestellt. Unter den ersten Bildern, die Toyen als Studentin an der  Kunstgewerbeschule in Prag schuf, findet man noch klassische, realistische Landschaftsszenerien, die dem damaligen Kunststil entsprachen. Doch bald nähert sie sich der Avantgarde an, die von Kubismus und Purismus beeinflusst war. Aus dieser Zeit stammt das ausgestellte Ölgemälde „Eis“ (Zmrzlina), mit dem sie sich 1923 als 21-jährige auf der Prager „Bazar-Schau“ präsentierte.

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Toyen 1950 in Frankreich. Foto: Nationalgalerie Prag

Toyens Aufenthalt in Paris, wohin sie von 1925 für drei Jahre gemeinsam mit dem Surrealisten und späteren lebenslangen Gefährten Jindřich Štyrský reiste, prägen artifizialistische Bilder, die eine von den beiden entworfene Alternative zum Surrealismus und zur Abstraktion darstellt. Gemeinsam experimentierten sie mit Farben und Techniken, schufen verträumte Landschaften. Die Ausstellung macht auch auf Toyens Bindung zu Prager und Pariser surrealistischen Zirkeln aufmerksam, wobei sie Arbeiten ihrer nächsten Kollegen einbezieht. Zu diesen gehörten neben Štyrský vor allem Jindřich Heisler, André Breton, Victor Bruner oder Yves Tanguy. Ein ganz besonderes Kapitel vertreten Bilder aus ihrer späteren Kunstphase nach 1947, als sie sich in Paris niederließ, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.

In Strickhose und mit Kurzhaarschnitt

„Sie sprach ausschließlich im Männergeschlecht. Das war für uns etwas ungewöhnlich und grotesk, aber dann haben wir uns daran gewöhnt“, erinnert der tschechische Literat und spätere Nobelpresträger Jaroslav Seifert in seinem Buch „Alle Schönheiten der Welt“ an sie. Im Leben sowie innerhalb ihrer Kunst war Toyen von Anfang an eine Rebellin, die mit ihrem Werk schockierte. So etwa, als sie als 19-Jährige das Bild Bettkissen ausstellte, in dem sie eine Szene aus einem Bordell malte. Bekannt wurde sie auch durch nonkonforme Ansichten. Ihren bürgerlichen Namen Marie Čermínová tauschte sie gegen das Pseudonym Toyen. Sie lehnte die traditionelle Frauenrolle ab und führte lieber in Strickhose und mit einem Kurzhaarschnitt eine unabhängige Künstlerexistenz. Die geheimnisvolle Persönlichkeit und ihr mehrschichtiges Schaffen will die Ausstellung mehr ans Licht bringen.

Die Ausstellung „Toyen. Die träumende Rebellin“ läuft bis zum 15. August 2021 in der Wallenstein-Reithalle (Valdštejnská jízdárna) in Prag. Mehr auf www.ngprague.cz

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