Das Leben in der Nähe der Grenze bietet immer neue Herausforderungen. Tschechen und Deutsche bewirtschaften dort gemeinsam Kleingartenkolonien. Was zwischen den Beten am meisten blüht, ist die Freundschaft.
Die Kleingartenanlage im sächsischen Hartau liegt nur 300 Meter vom Ufer des in Tschechien gelegenen Christinasees (Kristýna). Sie hat 42 Parzellen, sechs davon gehören Tschechen. „Die Grenze und Sprache bedeuten für uns keine Barriere, wir verstehen uns da alle sehr gut“, lacht Jaroslava Bauerová aus Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou). Die ehemalige gynäkologische Krankenschwester und ihr Mann sprechen zwar nicht viel Deutsch, mit ihren Nachbarn kommen sie aber auch ohne diese Kenntnisse zurecht. Manchmal zwar mit Hilfe einer Übersetzungsapp auf dem Handy oder eben mit Händen und Füßen. „Wir verbringen hier die Zeit von April bis Ende September, nach Hause fahren wir nur, um die Blumen zu gießen“, sagt sie. Der liebevoll gepflegte Garten mit Schwimmbecken ist gepachtet, die Laube gehört dem Grundstücksnutzer.
Mehr Platz und deutsche Ordnung
Die Eheleute Bauer übernahmen den 700 Quadratmeter großen Garten mit dem Bungalow vor zehn Jahren. Damals war das noch etwas Besonderes, heute fast eine übliche Sache. Rund zehn Prozent der deutschen Kleingartenanlagen in der Grenzregion bewirtschaften Tschechen und manchmal auch Polen. Sie haben mehrere gute Gründe dazu. „Die Gärten sind hier nicht so dicht beisammen, wie bei uns, und alles ist gut organisiert“, erklärt Bauerová.
Hinter die Grenze bringt die Tschechen auch die Tatsache, dass bei ihnen zu Hause fast keine freien Gärten zur Verfügung stehen, und wenn, dann für unglaubliche Preise. Zum Beispiel bietet ein Immobilienbüro im Internet einen winzigen Garten mit ganz kleiner Laube in Grottau (Hrádek nad Nisou) für eine Million Kronen (ca. 40 000 Euro) an. Im Reichenberger Stadtteil Dörfel (Liberec Vesec) kommt ein Kleingarten mit Bungalow gar auf 1,79 Millionen (ca. 70 000 Euro).
Günstiger Betrieb – nette Nachbarn
„In unserer Kolonie kommen etwa zehn Prozent der Pächter aus dem Ausland. Es sind hauptsächlich Tschechen oder Polen“, sagt Zdeněk Úlehla, ein Reichenberger, der seit einem Jahr in der Reichenberger Straße in Zittau wohnt und täglich zur Arbeit in seine Heimatstadt pendelt.
Seiner Meinung nach hängt das Überangebot an Kleingärten damit zusammen, dass Zittau früher eine Stadt mit 40 000 Einwohnern war. „Heute lebt hier etwa die Hälfte“, schätzt er. Viele freie Gartenanlagen sind jetzt verlassen und warten auf neue Mieter. In Tschechien gibt es kein vergleichbares Angebot. Auf einen verfallenen Garten kann man zwar auch dort stoßen, aber zum Verkaufen oder Vermieten ist er nicht.
„Weil der Kleingartenverein keine Gewinne erwirtschaften muss, betragen die Miete und alle Kosten zusammen bis zu 200 Euro pro Jahr“, bemerkt Úlehla, der in seinem Garten in Zittau-Vorstadt vor allem Radieschen und Spinat gepflanzt hat. „Der Strom ist hier zwar etwas teurer, aber Wasser wiederum günstiger“, ergänzt er.
In „seiner“ Kleingartenanlage wirtschaften sechs Tschechen und keiner von ihnen klagt über schlechte Kommunikation mit den deutschen Nachbarn. Ganz im Gegenteil: „Die gleichen Interessen verbinden uns, bei der Vereinstätigkeit herrscht eine ganz andere Atmosphäre, die Menschen sind zugänglicher als bei grenzüberschreitenden beruflichen Kontakten“, meint er. Er ist im Šalda-Theater in Reichenberg beschäftigt, das mit dem Zittauer Theater eng zusammenarbeitet. Sein Garten hat nur 200 Quadratmeter und anstatt in einer Laube wird der Kaffee bloß in einem Geräteschuppen gekocht. Trotzdem fühlt er sich dort wohl. Sein Grund nach Deutschland umzuziehen war nebst der deutschen Sprache auch die Mentalität der Nachbarn erleben und kennenlernen zu können.
Zweisprachig aufgewachsen
„Für mich ist der Garten wie mein Baby“, freut sich Jaroslava Bauerová. Ihre Tochter lebt mit ihrem deutschen Mann in Dresden. In Hartau hat die junge Familie dank dem Garten nun alle vier Großeltern beisammen. Die beiden Kinder, ein neun- und elfjähriges Mädchen, werden zweisprachig erzogen. Mit den einen Großeltern sprechen sie Tschechisch, mit den anderen verständigen sie sich auf Deutsch. Seit dem Vorjahr hat auch der Sohn der Bauers einen Garten in der Kolonie.
Beliebt sind bei den Tschechen auch gemeinsame Arbeitseinsätze, die in der Kleingartenordnung fest verankert sind. „Jährlich muss jeder zehn Arbeitsstunden leisten, sonst muss er Strafe zahlen. Es ist eher immer ein angenehmer Tag mit netten Nachbarn, der bei einem Fass Bier ausklingt“, ergänzt Bauerová. Der Kleingartenverein in Hartau hat seine Ordnung für die Gartenfreunde, die meist aus Grottau, Reichenberg und Gablonz kommen, sogar ins Tschechische übersetzt. Die tschechischen Nachbarn freut zudem, dass in Zittau der Winter viel milder und kürzer ist und dass man nicht nur Zwiebeln, sondern auch Melonen oder Aprikosen ernten kann.
Garten und Häuser gefragt
Ein Gewinn war ein eigener Garten auch während der Pandemie. „Die Menschen hatten nicht so große Reiselust, aber wollten die Zeit draußen verbringen“, sagt ein Reichenberger Makler. Die Tschechen versuchen auch, größere Immobilien in Deutschland zu kaufen, weil sie zu Hause keine Gelegenheit sehen, wie sie ihre Ersparnisse sinnvoll anlegen können, meint er.
Gerhard Schlender, Vorsitzender des Zittauer Territorialverbandes der Kleingärtner bestätigte, dass das Interesse der Tschechen an den Kleingartenanlagen seit einigen Wochen enorm wächst. Dem Verband gehören 53 Vereine mit rund 2500 Mitgliedern an. Der erste Freundschaftsvertrag mit dem tschechischen Kleingärtnerverband Gebietsrat Liberec wurde schon vor 20 Jahren abgeschlossen. Seitdem stellen sie jährlich gemeinsam Obst und Gemüse in Zittau und Habendorf (Stráž nad Nisou) aus. Die beste Ernte ist aber die lebendige Freundschaft.