Zweisprachige Roma-Wanderausstellung im Prager Haus der Minderheiten eröffnet
Kurz vorm heutigen Internationalen Tag der Roma hat am Freitag im Haus der nationalen Minderheiten in Prag eine neue Wanderausstellung eröffnet. Sie beschäftigt sich mit der schweren Vergangenheit der Roma, aber auch ihrer Gegenwart in der heutigen Tschechischen Republik.
„Wir erinnern an eine Zeit, die man am liebsten aus der Geschichte ausradieren möchte“, beginnt Miroslav Grajcar seine Eröffnungsrede. Grajcar ist der Vorsitzende der Roma Vereinigung „Indigo“. Er spricht bewegt, man spürt, dass ihm die Geschichte seines Volkes zu schaffen macht.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum er vor allem auch über die heutige Situation der Roma in Tschechien spricht. Denn Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma haben noch immer kein Ende gefunden: „Wie kann man leben, wo 90 Prozent der Bevölkerung keine Roma als Nachbarn haben wollen?“, fragt er aufgebracht. „Wir haben nur etwas dunklere Haut und damit sind wir aus der Gesellschaft ausgeschlossen.“ Grajcar beklagt, dass auch Politiker diskriminierend über Roma sprechen und sogar den Holocaust an ihnen verleugnen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Zuletzt war vor allem in Nordböhmen im Vorfeld der Kommunalwahlen im Herbst 2018 Wahlkampf mit Anti-Roma-Sprüchen wie „Stadt ohne Parasiten“ gemacht worden.
Dagegen erinnern die ersten Ausstellungstafeln an die schlimme Geschichte der Sinti und Roma während der NS-Zeit. Bebildert mit zahlreichen Dokumenten, die das Brünner Roma-Museum und das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg zur Verfügung gestellt haben, soll der Besucher nachvollziehen können, wie und durch welche propagandistischen Mittel die massenhafte Deportation sämtlichen Roma organisiert wurde. Ob Kinder, Frauen, gebrechliche Menschen oder junge Männer – eine halbe Million Roma wurden in die Lager Lety und Hodonín deportiert, einige von ihnen weiter ins Vernichtungslager Auschwitz.
Als Direktor des Roma-Zentrums „Kamarad“ (deutsch: Freund) in Tetschen (Děčín) sind Grajcar Kinder und Jugendlichen aller Hautfarben und jeglicher Herkunft wichtig. Bei ihnen, so meint er, könne man ansetzen, damit gar nicht erst Vorurteile entstehen. Er ermahnt auch Eltern, ihre Kinder zu Fleiß zu erziehen und sie zu lehren, „sich gut aufzuführen“.
„Kamarad“ sei ein Vorzeigeprojekt für die Integration von Roma in die tschechische Gesellschaft, lobte zur Eröffnung der Wanderausstellung, die sich in mehreren Tafeln explizit diesem Projekt widmet, auch die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Dr. Eva-Maria Stange. „Kamarad“ wurde im Oktober 2004 eröffnet, um die Kultur der Roma zu pflegen und weiterzugeben. Vor allem für Kinder und Jugendliche bietet das Projekt ein vielfältiges Freizeitangebot an, darunter auch Musikkurse und Exkursionen.
Die Roma-Vereinigung „Indigo“ und deren Wanderausstellung sind Stange besonders im Jahr der EU-Wahlen wichtig. Denn auch noch heute gebe es Vorurteile und Rassismus. Den Grund dafür sieht sie im „Nicht-Wissen“ der Menschen, dem müsse man vorbeugen: „Immer wieder gibt es Vorurteile, Nichtwissen, Fremdheit, Diskriminierung und Anfeindungen. Das ist in Sachsen und anderen Teilen Deutschlands und auch in Tschechien das oft noch immer beklagenswerte Schicksal der Sinti und Roma. Menschen, die sich angesichts der massenhafte Ermordung von Sinti und Roma in den Vernichtungslagern des nationalsozialistischen Deutschlands verantwortlich fühlen, dass diese ethnische Minderheit gleichberechtigt in unseren Gesellschaften leben kann, verdienen größte Hochachtung“, betont sie.
Die zweisprachige Roma-Wanderausstellung wurde gemeinsam von der SPD-AG Euroregion Elbe-Labe und dem Roma-Verein „Indigo“ Děčín erstellt. mit ihren 27 Ausstellungstafeln ist noch bis zum 30. April 2019 zu sehen.
Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-17 Uhr
sowie nach telefonischer Vereinbarung: 00420 221 419 801
Adresse: Haus der nationalen Minderheiten
Vocelova 3, Prag 2
Metro I.P. Pavlova
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