Ein ukrainisch-tschechisches Netzwerk aus mutmaßlichen Menschenhändlern steht in der Ukraine vor Gericht. Sie sollen in Prag auf Bestellung Babys künstlich gezeugt und verkauft haben. Arme ukrainische Frauen dienten als Leihmütter.

Es ist wohl einer der brisantesten Fälle von organisierter Kriminalität, mit dem die tschechische Polizei bis jetzt zu tun hatte. Eine Klinik aus Charkiw soll nach Recherchen von Seznam Zprávy in Ausnutzung einer Gesetzeslücke Babys auf Bestellung verkauft haben. Die Ermittler ziehen nun in der Ukraine vor Gericht.

Neugeborene auf Bestellung

Die „Operation Spanier“ sorgt in Tschechien bereits seit einiger Zeit für Aufmerksamkeit. Die Beschuldigten sollen Neugeborene auf Bestellung „hergestellt und verkauft“ haben, wie die Ermittler nach Recherchen von Seznam Zprávy den zynischen Vorgang beschrieben. Über eine Klinik sollen Neugeborene bestellt worden und dann armen ukrainischen Frauen ein Embryo eingesetzt worden sein. Dann seien die Frauen nach Prag geschafft worden, mussten den Behörden eine Partnerschaft mit dem biologischen Vater vorspielen und nach der Geburt alle Rechte an dem Kind abtreten. Aus der ganzen Welt sollen Kinder „bestellt“, „produziert“ und für jeweils rund 60.000 Euro verkauft worden sein. Die Mitarbeiter der Klinik stünden unter dem Verdacht, mit Kinderhandel 1,2 Millionen Euro verdient zu haben.

„Kinder werden auf Bestellung und gegen Bezahlung produziert, es geht nicht in erster Linie darum, Dienstleistungen für unfruchtbare Paare zu erbringen, die gesundheitliche Komplikationen haben und keine eigenen Kinder bekommen können“, zitiert Seznam Zprávy den Sprecher des Zentrums gegen organisierte Kriminalität Jaroslav Ibehej. Die Beschuldigten hätten keinerlei Hintergrundüberprüfungen der Auftraggeber durchgeführt. Tschechien wurde auf Grund seiner fehlenden Leihmutterschaftsgesetze zur Basis des internationalen Handels mit Leihmutterschaft und Neugeborenen.

Beschuldigte nutzten Gesetzeslücke

In der Ukraine ist Leihmutterschaft unter bestimmten Auflagen erlaubt. Ehepaare, die unfruchtbar sind und bereits eine erfolglose künstliche Befruchtung hinter sich haben, dürfen sich um eine Leihmutter bemühen. Bei den Geschäften des ukrainisch-tschechischen Rings waren also keine ungewollt kinderlosen Paare die primäre Zielgruppe, sondern alle, die das Geld für ein Neugeborenes aufbringen konnten. So zumindest der Vorwurf der Ermittler.

Für dieses Geschäft sollen die Beschuldigten eine Gesetzeslücke in der Tschechischen Republik genutzt haben. Es gibt in Tschechien keine Gesetze zur Leihmutterschaft, die klare Regeln festlegen. Deshalb wird der Fall in Tschechien auch nicht strafrechtlich verfolgt. Laut Staatsanwaltschaft gebe es keinen Straftatbestand, dem man diesen Fall zuordnen könne.

Aus juristischer Sicht handele es sich in Tschechien dabei auch nicht um Kinderhandel. „Das Prinzip, dass ein Mann sich an die Klinik wendet, den erforderlichen Betrag bezahlt, das Sperma entweder direkt an die Klinik übergibt oder es an die Klinik schickt und nach einem Jahr in die Tschechische Republik kommt, um das neugeborene Kind zu übernehmen, während das Kind nur eine Ware, ein Austausch gegen Geld ist, sieht aus Laiensicht wirklich nach Kinderhandel aus, aber nicht aus strafrechtlicher“, zitiert Seznam Zprávy Ibehej. In Tschechien handele es sich nur um Menschenhandel, wenn an den Kindern sexuelle Handlungen vorgenommen werden würden. Anders in der Ukraine, hier kann das vorgeworfene Verbrechen mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Deshalb beginnt nun dort der Prozess.

Von Charkiw über Prag nach Spanien

Die Operation der tschechischen Ermittler wurde nach dem ersten bekannten Fall benannt, bei dem ein Neugeborenes nach Spanien verkauft wurde. Die Kunden sollen nach Erkenntnissen der Ermittler allerdings aus der ganzen Welt kommen, etwa aus China, den USA, Schweden, Norwegen, Bulgarien, Griechenland und Deutschland. Interessenten würden sich im Katalog einer Klinik in Charkiw ihr Wunschkind aussuchen können. Hier hätten diese aus verschiedenen Kategorien wählen können, wie etwa Hautfarbe, Haarfarbe oder ob es Zwillinge sein sollen. Die Mitarbeiter der Klinik würden dann eine geeignete Eizellspenderin auswählen. Anschließend hätten sie Frauen aus armen Verhältnissen den Embryo gegen eine Bezahlung von 10.000 Dollar (ca. 9090 Euro) eingesetzt. Diesen Vorwürfen zu Folge hätte die Klinik also keine Leihmutterschaft, sondern Neugeborene zum Verkauf angeboten.

Vor der Geburt seien die Leihmütter dann nach Prag gebracht worden. Dort seien sie von einem Team empfangen worden, das sie bei einem Arzt angemeldet und die nötigen Versicherungen organisiert hätte. Zu diesem Zeitpunkt sei dann auch der Kunde eingeflogen worden. Der zukünftige Vater und die Leihmutter hätten dann vor den Prager Behörden vorgegeben, ein Paar zu sein und den Mann zum Vater erklärt. Der Frau sei strengstens verboten worden, anzugeben, dass sie eine Leihmutter sei. Sie habe angeben müssen, die biologische Mutter zu sein. Nach der Geburt seien Dokumente zur Ausreise vorbereitet worden und die Leihmutter unterzeichnete eine Reihe von Dokumenten, die den Männern die Vollmachten über das Kind zusprachen. Dann seien diese mit dem Neugeborenen ausgereist.

Schicksal der Kinder

Die tschechische Polizei dokumentierte insgesamt 30 solcher Fälle. Dabei bleibt das weitere Schicksal der Kinder offen, die bekannte Kundschaft ist vielfältig. Bei den Vernehmungen hätten einige Väter ihr Handeln mit dem Kauf eines Autos verglichen, so die Polizei (Seznam Zprávy berichtete). Ein schwedischer Kunde habe damit seiner Mutter den Wunsch nach einem Enkelkind erfüllen wollen, ein anderer habe es als Ergänzung zu einem luxuriösen Lebensstil gekauft. Zu einem Kind, dass in die USA verkauft wurde, verloren die Behörden jede Spur, ein anderer Vater habe die Lust verloren und das Kind nicht abgeholt.

Während der Pandemie seien die Kinder teilweise über ein Jahr in Prag gestrandet, auch Leihmütter seien ohne Hilfe in Tschechien zurückgeblieben. Die Klinik würde sich nicht darüber informieren, ob ihre Kunden ein Kind versorgen können oder überhaupt dafür geeignet seien. Auch eine Kontrolle nach dem Verkauf gäbe es nicht. Ohne Gesetz gäbe es auch keine regulative Handhabe durch die Behörden.

Im Zentrum des Rings

Ende letzten Jahres gab das ukrainische Innenministerium laut Seznam Zprávy bekannt, dass die Polizei sechs Klinikmitarbeiter festgenommen hätte. Sie werfe ihnen in Zusammenarbeit mit der Reproduktionsklinik in Charkiw Menschenhandel vor. Im Zentrum der Ermittlung steht die Charkiwer Klinik des Arztes Alexander Mihajlovič Feskov. Den Vorwurf, dass es ihm nur um Geschäfte und nicht um die Hilfe für unfruchtbare Paare gehe, wies er zurück. „Das ist nur eine Vermutung, die einer Verleumdung gleichkommen kann“, antwortete die Klinik von Dr. Feskov über die tschechische Anwältin Alena Tibitanzlová an Seznam Zprávy. Die Klinik habe immer im Rahmen der geltenden Gesetze in der Ukraine und in Tschechien gearbeitet, erklärte sie.

Die gemeinsamen tschechisch-ukrainischen Ermittlungen begannen 2019 und erstreckten sich über ganz Europa. Im Dezember 2022 wurde in der Ukraine Anklage erhoben. Das Hauptverfahren habe aber noch nicht begonnen, da noch die Zuständigkeit des Gerichts geklärt werden müsse, erklärte Martina Hluštíková, die tschechische Vertreterin in der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen gegenüber Seznam Zprávy.

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