Martin Herbert Dzingel, Präsident der Landesversammlung, enthüllte gemeinsam mit Bürgermeister Jan Papajanovský eine Gedenkplatte auf dem ehemaligen Friedhof von Böhmisch Kamnitz (Česká Kamenice). Foto: Steffen Neumann

Die Landesversammlung der deutschen Vereine erinnert in Tschechien mit Gedenktafeln an Orte, wo einst deutsche Gräber waren. Bei den Gemeinden kommt das gut an.

Ein Frauen-Trio singt das dreimal Heilig von Franz Schubert. Der Priester segnet den Sarg, der daraufhin hinuntergelassen wird. Es ist nur ein Sarg, aber er ist die letzte Ruhestätte für Dutzende Menschen. Geboren und gestorben vor langer Zeit in Böhmisch Kamnitz (Česká Kamenice). Schon einmal zur ewigen Ruhe gelegt auf dem Friedhof neben der Wallfahrtskapelle der Jungfrau Maria. Doch als der Platz für Beerdigungen nicht mehr ausreichte, begründete die Stadt 1922 einen neuen Friedhof außerhalb der Stadt. Der alte Friedhof blieb bestehen.

Dem Erdboden gleich

Doch die Zeiten änderten sich. 1948 übernahmen die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei. Alles Kirchliche war ihnen ein Dorn im Auge und erst recht ein Friedhof wo vor allem deutsche Namen auf den Grabsteinen standen, deren Nachfahren gerade erst vertrieben worden waren. In den 1950er Jahren machten sie den Friedhof dem Erdboden gleich. „Allerdings gingen sie dabei so unsensibel vor, dass wir bei der Umgestaltung des Parkes letztes Jahr noch Dutzende Gebeine fanden“, erzählt Bürgermeister Jan Papajanovský. Für ihn war gleich klar, dass dieser Fund einen pietätvollen Umgang erforderte. Es war auch offensichtlich, dass es sich um deutsche Bürger handeln musste. Vor 1945 und erst recht vor 1922, als der alte Friedhof aufgegeben wurde, lebten in Böhmisch Kamnitz fast ausschließlich Deutsche. Gleichzeitig war es nicht möglich, die Gebeine zu identifizieren, geschweige denn Nachkommen ausfindig zu machen. Die COVID-Pandemie ließ das Unterfangen erst einmal in den Hintergrund treten.

Der Sarg mit den Gebeinen der umgebetteten Toten wird in ein Grab auf dem neuen Friedhof versenkt. Foto: Steffen Neumann

Der Sarg mit den Gebeinen der umgebetteten Toten wird in ein Grab auf dem neuen Friedhof versenkt. Foto: Steffen Neumann

Wie gerufen kam Papajanovský in dieser Situation die Anfrage der Landesversammmlung der deutschen Vereine, die im vergangenen Jahr mit der Erfassung des Zustands deutscher Gräber und Friedhöfe begann. Als erstes waren die Bezirke Karlsbad (Karlovy Vary) und Aussig (Ústí nad Labem) dran. Dort leben heute noch die meisten Angehörigen der deutschen Minderheit, es gibt aber auch Zehntausende Gräber, um die sich meist niemand mehr kümmert. Der Befund war entsprechend. Er reichte von aufopferungsvoller Pflege einzelner Bürger, Vereine oder der Gemeinde. „Die Regel war aber eher, dass die Gräber und Friedhöfe in keinem guten Zustand waren“, berichtet Lucie Römer, die für die Landesversammlung die Gräber erfasst hat. Das reichte bis hin zu mutwilliger Zerstörung oder einem rücksichtlosen Umgang mit Gräber und Grabplatten. Dabei gibt es seit einigen Jahren klare Richtlinien der Friedhöfe-Kommission bei der tschechischen Regierung, wie mit solchen Gräbern umzugehen ist.

Für die junge Generation völlig normal

Bei der Erfassung stellte sich aber auch die Frage, wie mit Friedhöfen umzugehen ist, die es schon nicht mehr gibt. Die Landesversammlung wählte sieben Gemeinden aus, in denen sie durch eine Gedenkplatte auf den früheren Friedhof aufmerksam machen wollte. „Die Reaktionen waren sehr positiv. Fünf von sieben stimmten zu“, sagt Martin Herbert Dzingel, Präsident der Landesversammlung. Häufig handelte es sich um jüngere Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister wie im Fall von Jan Papajanovský. „Die junge Generation verhält sich völlig normal. Da gibt es einen ehemaligen Friedhof oder wie hier einen Knochenfund und damit wird pietätvoll umgegangen“, lobt Dzingel. Die kommunalen Vertreter hatten auch die Möglichkeit, Einfluss auf den Inhalt zu nehmen, wovon Papajanovský auch Gebrauch machte. „Mir war wichtig, dass die Tafel auch in englischer Sprache verfasst ist“, sagt der Mittzwanziger. Finanziert wurden die Gedenkplatten durch das Bundesinnenministerium und die Ackermann-Gemeinde. Die Stadt Böhmisch Kamnitz kümmerte sich um eine würdige Zeremonie für die gefundenen Gebeine. Sie haben auf dem neuen Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden. „Und wie es der Zufall will, ist auch der neue Park am gleichen Tag fertig geworden“, sagt Bürgermeister Papajanovský. An den Friedhof erinnert neben der Gedenktafel aber auch noch eine letzte Grablege, die des Industriellen und Wohltäters Franz Preidl, zu dessen Ehre der Park auch Franz-Preidl-Park genannt wurde. Die Grabstätte wartet allerdings noch auf ihre Restaurierung. Das wird das nächste Projekt von Bürgermeister Papajanovský.

Gedenkplatte Ceska Kamenice LV web

Die Gedenktafel auf dem ehemaligen Friedhof, heute Franz-Preidl-Park in Böhmisch-Kamnitz (Česká Kamenice). Foto: Landesversammlung

Die Landesversammlung indes wird in der nächsten Zeit weitere Gedenktafeln enthüllen. Eine erste wurde bereits in Niklasdorf (Mikulovice) bei Klösterle (Klášterec nad Ohří) eingeweiht. Eine weitere folgt in Schneeberg (Sněžník), einem Ortsteil von Eulau (Jílové) bei Tetschen (Děčín).

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