Da ist einmal ein Bauernknecht gewesen, dem dünkte jede Arbeit zu schwer. Er hatte keine Freude daran und war immer mürrisch und verdrossen. Vor allem behagte es ihm niemals, wenn er mit seinem Gefährt über das Gebirge fahren sollte. Denn die Wege waren schlecht, holprig und steinig, je höher er hinauf kam…

So ging es dem Knecht auch stets zu langsam. Er fluchte dann gottsmörderlich und hieb mit dem umgekehrten Peitschenstock unbarmherzig auf die armen, schweißtriefenden und keuchenden Pferde ein. Er kannte kein Mitleid mit den Tieren. Am schlimmsten war es, als er eines Tages den Auftrag erhielt, von Oberthomasdorf (Domášov) her nach der anderen Seite des Gebirges, wo eine böse Hungersnot ausgebrochen war, eine Ladung Brot zu bringen. „Mögen die Leute doch Steine fressen, wenn sie kein Brot haben!“ – so lästerte der Knecht und machte sich unwillig mit dem vollgeladenen Wagen auf den Weg.

Mühsam kämpften sich die Gäule vorwärts. Die Missernte jenes Jahres war durch das schlechte Wetter verschuldet, es hatte ununterbrochen den ganzen Sommer lang geregnet, alle Äcker, Wiesen, Straßen und Stege waren aufgeweicht. Mit harten Schlägen zwang der Fuhrmann die schon zitternden Pferde zur Eile. So oft sie stecken blieben, hetzte er sie mit gemeinem Gebrüll und prügelte sie derart, dass sie über und über mit Striemen bedeckt waren und gar bluteten.

Aber der Knecht rührte nicht die geschundene Kreatur. Er war schon bis zur Höhe nächst dem Heidebrünnel gelangt und wollte sich nun möglichst schnell seines ihm so unwillkommenen Auftrags entledigen. Doch die erschöpften Tiere konnten es wirklich nicht mehr schaffen. Kraftlos standen sie mit herabhängenden Köpfen da und ließen die Schläge über sich ergehen, ohne zu einem letzten Aufraffen fähig zu sein. Der Fuhrmann sah ein, dass sie ihm bald zusammenbrechen würden, und in seiner sinnlosen Wut kam ihm ein teuflischer Gedanke, das steckengebliebene Gefährt wieder ins Rollen zu bringen. Er nahm ein Brot nach dem anderen vom Wagen und legte es unter die eingesunkenen Räder, damit sie einen Halt hätten. Dann ergriff er von neuem Zügel und Peitsche, um die Gäule anzutreiben, über das Pflaster von Brotleibern den Wagen herauszuziehen.

„Hüh!“, brüllte der Kerl aus Leibeskräften und holte mächtig zum Schlage aus. Da flog auf einmal vom Vaterberg Altvaters Nebelkappe wie im Zorn geschleudert über den Sattel, der zum Hauptrücken des Gebirges hinüberführt, und hüllte Fuhrmann und Gefährt in dichte Wolkenschleier ein. Der Sturmgeist brauste heran, ein toller Windwirbel veränderte plötzlich die ganze Landschaft. Und drinnen im Gestein schienen Gneis und Glimmer geheimnisvoll aufzubrechen.

Die ganze Nacht über die nahegelegenen Seefelder geisterten, standen die uralten Fichten zerzaust und ergraut im anbrechenden Tag. Bleich und silbern schimmerten ihre Baumleiber im Licht der Frühe. An der Stelle aber, wo gestern der Fuhrmann frevelte und das Brot, das für Hungernden bestimmt war, schändete, dort erhob sich dunkel und drohend eine Felsgruppe. Es sind die Fuhrmannssteine, deren Umriss deutlich die Gestalt des versteinerten Knechtes und seines Wagen erkennen lässt. Im ganzen Tal hatte sich bald die seltsame Begebenheit herumgesprochen, und niemand empfand Mitleid mit dem Bauernknecht, der an seinem Unglück selbst mehr als genug schuldig geworden war.

Diese Sage vom Fuhrmannssteine bezeugt, dass die Bewohner des Altvaterlandes im Brot etwas Heiliges gesehen haben, mussten sie es sich doch schwer erarbeiten. Und wie viel Hunger gab es in früheren Zeiten in den kinderreichen Familien, so dass jedes Krümchen Brot ein wahrer Gottessegen war und dass jede Verunehrung des Brotes als ein furchtbarer Frevel empfunden wurde, dem Gottes Strafe unmittelbar und in sichtbarer Weise folgen musste.

Die Sage wurde von Adolf Hayduk verfasst und in der Zeitschrift Altvaterheimat veröffentlicht.

Zusammengetragen von Irene Kunc

Dieser beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 4/2024

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