Eine TV-Serie über eine nordböhmischen Kleinstadt mischt die ganze Republik auf. Unsere LandesBloggerin hat alle Folgen gesehen.
Seit Anfang des Jahres bewegt diese Serie des Tschechischen Fernsehens das gesamte Land: MOST! An acht aufeinanderfolgenden Montagen zog sie Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. Hauptthemen sind: Zigeuner, Transsexualität, Arbeitslosigkeit – eine recht realistische Kombination für den Norden Böhmens.
Das Produktionsduo Kolečko-Prušinovský lässt den Schauspielern dabei freien Lauf. Es gibt zwar inhaltliche, jedoch keinerlei wörtlichen Textvorgaben. Das Ergebnis ist eine authentische Sprache, wie sie in den Kneipen Nordböhmens tagtäglich wirklich zu hören ist. Vorurteile, Übertreibungen und Diskriminierung stehen im Mittelpunkt. Niemand nimmt hier ein Blatt vor den Mund.
Vom Arbeitslosen zum Samariter?
Der Protagonist Luďan Říha verliert seine Arbeit. Seinen Alltag verbringt er nun in der Kneipe „Severka“ in Brüx (Most). Um einer schweren Auseinandersetzung mit den Bewohnern des Stadtviertels Chanov – darunter vielen Roma – aus dem Weg zu gehen, gibt er vor helfen zu wollen und gründet die Wohltätigkeitsorganisation „Snědá tíseň“ (Die braune Not). Luďans Sohn Ondra engagiert sich für diese Initiative und wechselt auf das Gymnasium, was sein deutscher Stiefvater mit den Worten „Die Tschechen brauchen keine Bildung, die sind eh faul“ kommentiert. Gleichzeitig wird Luďan von seinem Bruder Pavel kontaktiert, der nach einer Operation nun seine Schwester Dáša ist und bei ihm einzieht.
Über 800 Komparsen aus Brüx und Umgebung beteiligten sich an den Dreharbeiten. Viele befürchteten jedoch auch eine platte Darstellung Nordböhmens aus Sicht der „überheblichen Prager“. Ihre Bedenken kehrten sich während der Vorpremiere der ersten Folge im Kinosaal Hraničář in Aussig (Ústí nad Labem) ins Gegenteil. Und die Begeisterung für die Serie hielt an.
MOST!-Euphorie greift um sich
Die Internetseite des Tschechischen Fernsehens verrät, dass knapp drei Millionen Menschen den ersten Teil online verfolgten. Dazu kommen noch diejenigen, die MOST! bei der Erstausstrahlung im Fernsehen sahen. Es lässt sich also vermuten, dass die Hälfte der Einwohner Tschechiens den Namen Luďan seit Beginn des Jahres mit Brüx verbindet. Auch Martin Hofmann, der den Protagonisten ausgezeichnet verkörpert, wird wohl in Zukunft mit anderen Rollen zu kämpfen haben.
Letzte Woche habe ich „Ženy v běhu“ (Frauen beim Rennen) gesehen, eine eher mittelmäßige Komödie mit Martin Hofmann in einer romantischen Nebenrolle. Der definitiv witzigste Moment war, als ein Kinobesucher Hofmanns Auftritt mit „Ale Luďane!“ (Aber Luďan!) kommentierte. Die Verbindung seiner Person mit der Rolle des überforderten Arbeitslosen aus Brüx wird er sicher so schnell nicht mehr los.
Auch den zentralen Drehort, die Kneipe Severka, hat MOST! sehr geprägt. Viele Touristen halten nun dort an, um ein Bierchen in Luďans „zweitem Zuhause“ zu genießen oder sich für einen kleinen Obolus hinter der Theke fotografieren zu lassen. In Aussig wiederum verkauft der Inhaber einer „Pivotéka“ (Bierbar) T-Shirts mit Aufschrift und Logo der Organisation „Snědá tíseň“, welche sogar über eine eigene Facebook-Seite verfügt.
MOST! hat großes Potential für Filmzitate, die in den Köpfen der Leute hängen bleiben. Für diese sorgen vor allem die ersten Folgen. „Dycky Most“ (Für immer Most!) haben sich die Bewohner schon jetzt zu eigen gemacht. Nun wird es als Werbeslogan für die Stadt verwendet.
Die zweite Hälfte der Serie enttäuscht allerdings durch sich ständig wiederholenden Humor und ein unrealistisch blauäugiges Bild von Sozialarbeit.
Muss für alle!
Insgesamt möchte ich die Serie MOST! jedoch gerne empfehlen: Sie versucht, die Angst zu nehmen, offen mit Problemen und festen Denkmustern umzugehen. Dazu trägt auch das Titelmotto „Sie haben sich gern, obwohl sie noch nichts davon wissen“ bei. Ein Muss (nicht nur) für jeden, der sich auf einen längeren Aufenthalt in (nicht nur) Nordböhmen vorbereiten möchte!
Für alle des Tschechischen Mächtigen: Hier können Sie alle acht Folgen MOST! online im iVýsiláni der ČT schauen!
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