Noch drei Inszenierungen stehen auf dem Programm des diesjährigen Festivals für Dokumentartheater „Akcent“, das bis 8. Dezember im Prager Theater Archa läuft. Das Doku-Theaterfest entstand vor zehn Jahren aus dem Bedürfnis, eine Plattform für Kunst zu bilden, die die Grenzen zwischen Kunst, Politik und Sozialproblemen auflöst.
Zum Motto des diesjährigen Festivals wurde „Der Preis des Lebens“, wobei man ihn auf unterschiedlichste Themen bezieht: auf das Erbe der chinesischen Kulturrevolution, die Nachwirkungen des Prager Frühlings in Bulgarien sowie auf die Theatersuche nach der DNA, die vom Vater auf den Sohn übertragen wurde. Das Festival stellt Fragen: Wie hoch ist der Preis des Lebens und was ist man dafür bereit zu opfern? Welche Tabus gibt es heutzutage und wie werden sie von uns behandelt? Wie gehen wir mit den Komplexen aus der Geschichte um? Wohin geht die Zukunft Europas und was blieb uns aus den Hoffnungen von 1918 noch übrig? Am Programm, das sich neben den Inszenierungen auch aus Werkstätten und Diskussionen zusammensetzt, nehmen neben den tschechischen Künstlern auch Schauspieler aus China, Belgien und Deutschland teil.
Einige Antworten auf die Fragen bietet am 29. November die Inszenierung einer Art „wissenschaftlichen Theaters“ mit dem Titel 1918 – Der Traum über Modernität. Der Theatersaal wird sich in eine interaktive Werkstatt verwandeln, in der man das Territorium Europa untersuchen wird. Die Ergebnisse werden anschließend von dem tschechischen Literaturhistoriker Martin C. Putna und dem flämischen Philosoph und Schriftsteller Pieter de Buysser analysiert.
Am darauffolgenden Tag, dem 30. November, werden vor dem Publikum sechs junge tschechische Schauspieler der Theatergruppe 11.55 treten, um ihre politische Gegenwartssatire Wahrheit über 17/11 auszuspielen. Innerhalb des Stückes werden sie sich den tschechischen Präsidenten Miloš Zeman, den zu allem fähigen Oligarchen Andej Babiš sowie den xenophoben Politiker japanischer Herrkunft, Tomio Okamura, vornehmen. Sie machen darauf aufmerksam, dass die heutige tschechische Gesellschaft vor den schwierigen Entwicklungen nach 1989 lieber die Augen schließt und keine Fragen stellt. Möchte man tatsächlich in einem solchen Korruptions- und Lobbyistenland leben, das von Mafiapaten gesteuert wird?
Das Festival endet am 8. Dezember mit der deutschen Andcompany und ihrer Inszenierung Invisible Republic. In diesem etwas nostalgischen Jahr, in dem gleich an mehrere Jubiläen erinnert werden – 50 Jahre ’68, 100 Jahre Novemberrevolution, 200. Geburtstag von Karl Marx – bezieht sich das Autorenteam auf einen Satz von Daniel Cohn-Bendit: „Wir haben sie so geliebt, die Revolution. “ Ausgehend von der gängigen Narration der 1968er, die ihre revolutionären Jugendsünden als Liebestäuschung ausgeben, stellt sich die Frage, ob man mit dem Liebesverzicht leben will oder sich ein neues Liebesobjekt sucht, um mit seiner postrevolutionären Depression umzugehen. „Das Schwelgen in linker Melancholie ist eine sehr männliche Perspektive“, erläutert der Regisseur des Stückes, Alexander Karschnia. In der Inszenierung treten die vier Schauspielerinnen Nina Kronjäger, Mira Partecke, Marianne Senne a Claudia Splitt auf. Gemeinsam reisen sie durch einen seltsamen, alten Kontinent und suchen nach der Liebe, sei es im revolutionären Paris oder Prag.
Alle Inszenierungen des Dokumentartheaterfestivals Akcent sind deutsch und englisch übertitelt.
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