Nach der Parlamentswahl am vergangenen Wochenende verhandelt Andrej Babiš mit der ultrarechten SPD und den Motoristen über eine mögliche Regierungskoalition. Derweil scheint die Zukunft des Bündnisses Spolu von Premier Fiala ungewiss.
Bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden der Wahlergebnisse lud Andrej Babiš, dessen Partei ANO mit 34,5 Prozent deutlich stärkste Kraft geworden war, SPD und die Autofahrerpartei Motoristen zu Gesprächen ein. Während Babiš unmittelbar nach der Wahl noch eine von ANO geführte Minderheitsregierung ins Spiel brachte, scheint diese Option vorerst vom Tisch: Aktuell verhandeln die drei Parteien über eine Koalitionsregierung. Zusammen kommen sie im neuen Abgeordnetenhaus auf 108 Mandate, sieben mehr als für eine Mehrheit nötig.
Auch Präsident Pavel, der nach der Wahl Gespräche mit allen Parteien Gespräche führte, bezeichnete ein Dreierbündnis aus ANO, SPD und Motoristen als wahrscheinlich. Bis spätestens nächsten Freitag sollen laut Babiš die Grundzüge einer solchen Regierung feststehen.
„Wenn wir das ausgehandelt haben, gehe ich zum Präsidenten. Ich hoffe, dass das bis Freitag klappt. Hoffen wir, dass wir bis zum neuen Abgeordnetenhaus, das im November zusammentritt, auch den Koalitionsvertrag hinkriegen“, sagte Babiš am Mittwoch in einem Video auf Facebook. In der kommenden Woche erwartet er zudem eine Einigung über die Besetzung der Ausschüsse des Abgeordnetenhauses.
Wer bekommt welche Ministerien?
Zentraler Gegenstand der aktuellen Verhandlungen ist die Verteilung der Ministerien sowie die Besetzung der wichtigsten Ämter im Abgeordnetenhaus. Am Dienstag teilte Babiš mit, dass die SPD durch „Experten“ und die Motoristen in einer möglichen Regierung durch Politiker vertreten sein sollen.
Die Besetzung von Ministerposten mit „Experten“ hatte die ultrarechte SPD im Wahlkampf wiederholt angekündigt – sollte sie in Regierungsverantwortung kommen. Zum Teil dürfte diese Überlegung aber auch darauf abzielen, die Beteiligung der umstrittenen Partei – die unter anderem einen Austritt aus EU und NATO fordert – gesellschaftlich akzeptabler zu machen.
Nach Informationen tschechischer Medien sollen die Motoristen drei Ministerien, die SPD zwei erhalten. Interesse zeigten die Motoristen am Umwelt-, Kultur- und Außenministerium. Als möglicher Außenminister gilt Motoristen-Ehrenpräsident Filip Turek, derzeit Mitglied des Europäischen Parlaments. Für die SPD sind vor allem die Ressorts Inneres, Landwirtschaft und Verkehr im Gespräch.
Wer wird Premierminister?
Ungeklärt ist bislang auch Babišs eigene Rolle in einer künftigen ANO-Regierung. Bisher hat sich Babiš, der bereits von 2017 bis 2021 Regierungschef war, nicht geäußert, ob er in das Amt zurückkehren möchte. Aktuell agiert er als Chefverhandler für die ANO-Partei.
Möglich ist aber auch, dass der ehemalige Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček den Posten des Premierministers übernimmt. Als gesetzt gilt eine Rückkehr von Alena Schillerová als Finanzministerin. Spekuliert wird in tschechischen Medien aber auch über eine Rückkehr von Adam Vojtěch als Gesundheitsminister.
Fiala kündigt Rückzug an
Nach der Wahlniederlage diskutiert auch das regierende Bündnis Spolu (ODS, KDU-ČSL, TOP 09) über das weitere Vorgehen. Nach einer gemeinsamen Sitzung des Bündnisses in der Prager Zentrale der ODS teilte Premierminister Petr Fiala auf X mit, dass er beim nächsten Parteitag nicht erneut als Parteivorsitzender kandidieren wolle. „Zur Politik gehört auch Verantwortung. Spolu hat die Wahlen nicht gewonnen. Als ihr Vorsitzender trug ich die Verantwortung für das Ergebnis. Deshalb habe ich mich entschieden, nicht erneut für den Vorsitz der ODS zu kandidieren, und habe die Mitglieder des Exekutivrats am Dienstag über meine Entscheidung informiert. Ich danke allen für ihre Unterstützung, es war eine großartige Zeit“, erklärte Fiala auf X.
Fiala stand seit 2014 an der Spitze der ODS. Das liberal-konservative Bündnis Spolu (deutsch: „zusammen“) war 2020 im Vorfeld der letzten Parlamentswahlen gegründet worden. Noch ist offen, ob die drei Parteien bei künftigen Wahlen erneut gemeinsam antreten werden.
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