Wie aus einem düsteren Science-Fiction-Film entsprungen, wirkt dieses Gebäude. Dunkel metallisch, schroff geometrische Formen. Die Unregelmäßigket der Fassade mit unterschiedlichen Bauhöhen tut ihr Übriges. Keine Frage: Das Steuerungszentrum der Öffentlichen Verkehrsbetriebe (budova Centrálního dispečinku Dopravního podniku, DPP) ist ein besonders ungewöhnliches Bauwerk der Zeit der 1970er Jahre.
Man begann mit den Planungen für das Gebäude 1970. Mit dem damaligen Beginn des Baus der Metro wuchs die Aufgabenfülle der Öffentlichen Verkehrbetriebe. Man brauchte ein großes Gebäude um die Steuerung, die Fahrzeugverwaltung, die Sicherheitsüberwachung und vieles mehr unter einem Dach erledigen zu können.
Zuerst hatte man an einen Ort in der Altstadt als Standort gedacht, aber das schien irgendwie ein zu schwerer Eingriff in das Stadtbild zu sein. So wählte man eine etwas abgelegene Nebenstraße in der Neustadt, die Na bojišti 1452/5. Auch das war nicht unumstritten, da sich auch hier die brachiale moderne Architektur nicht wirklich in die Umgebung einpasste, wenngleich das Ganze (vor allem, da das Gebäude etwas von der Straße eingerückt wurde) etwas weniger sichbar war. Deshalb ist die komplexere Dachstruktur nur von weitem zu erkennen. Sechs Neorenaissancehäuser wurden dafür übrigens abgerissen.
Zwischen 1972 und 1978 wurde das Gebäude nach den Plänen des Architektenehepaars Ehepaar Eva Růžičková und Vratislav Růžička, die ganz in der Nähe die Klinik für Urologie geplant hatten, und vor allem durch den gemeinsamen Entwurf für den Bürokomplex Merkuria in Prag-Holešovice bekannt wurden. Beide können als geradezu archetypische Vertreter des Brutalismus in Prag gelten. Die brutalistische Architektur mit ihrem formenreichen Hang zu Stahl und viel Rohbeton war lange Zeit ein wenig verpönt – vor allem, weil man sie mit dem Kommunismus verband (obwohl es sie in im Westen in dieser Zeit ebenfalls gab), aber auch weil er sich nicht immer leicht überall in die Umgebung einpasste.
Das Gebäude besteht auf zwei unterschiedlich großen Komponenten mit sechs bzw. zehn Stockwerken und darunter liegenden Tiefgaragen. Es handelt sich um eine klassisch-brutalistische Konstruktion aus Stahlgerüsten und Rohbeton. Der Effekt des Ganzen wurde aber durch die aus eckigen Elementen bestehende Fassadenverkleidung noch einmal „brutalistischer“ verstärkt, die aus Royal, eine Messingblech-Speziallegierung in schwarzer (mit kaum sichtbarer brauner Beimischung) besteht. Diese Art der Verkleidung macht das Gebäude ungewöhlich. Man findet derartiges sonst nur bei einigen Bauten des Starehepaar Vladimir Machonin und Věra Machoninová, etwa dem zeitgleich entstandenen Einkaufszentrum Kotva (1972) in der Neustadt erbaut wurde (erwähnten wir bereits hier).
So avantgardistisch der architektonische Anspruch gewesen sein mag, das Gebäude der DPP blieb immer umstritten. Etliche Architekturkritiker bewerten die Fassadengestaltung auf als erhaltenswert und originell. Aber insgesamt nimmt das das Gebäude kaum aus der Kritk. Noch 2012 erschien in der Zeitung Lidové Noviny noch ein Aufruf zum Abriss, in dem das Gebäude mit einem „rostigen Heizkörper“ verglichen und als Ausbund „kommunistischer Bosheit“ bezeichnet wurde. Und 2017 meinte der Architekurhistoriker und -kritker Petr Kučera: „Dieses Gebäude hat schon immer eher negative Reaktionen hervorgerufen und ruft es immer noch hervor. Ich glaube, wenn über sein Schicksal in einem Referendum entschieden würde, würde die Öffentlichkeit es abreißen lassen.“
Dass das Gebäude der DPP tatsächlich abgerissen wird, ist indes nicht zu befürchten. Schon weil bei der Planung in den 1970er das Prager Bauamt darauf bestanden hatte, dass das Ganz zwei Stockwerke weniger als geplant haben sollte, ist der städteplanerische Schaden zwar nicht völlig beseitigt worden, aber im Vergleich zu anderen städtebaulichen Sünden im Prag gering. Zudem hat das Gebäude unabhängig von seinem umstrittenen Platz im Umfeld auch immanente architektonische Positivmerkmale aufzuweisen, insbesondere die recht kühne konstruierte Fassade. Und als Verwaltungsgebäude der DPP tut es jedenfalls noch seinen Dienst ohne Fehl und Tadel.
Ahoj aus Prag! Seit September 2016 leben wir berufsbedingt in Prag. Wir – eigentlich Rheinländer – haben sie schon voll in unser Herz geschlossen, diese Stadt! Deshalb dieser Blog, in dem wir Fotos und Kurzberichte über das posten, was diese Stadt so zu bieten hat und was wir so erleben. Wir, das sind:
Lieselotte Stockhausen-Doering und Detmar Doering
… und unser Hund Lady Edith! Wer sich in Prag einmal umschauen möchte, wird auf diesem Blog nach einiger Zeit sicher Interessantes finden, was nicht jeder zu sehen bekommt, der die Stadt besucht. Viel Spaß beim Lesen!