Tschechien nimmt das Recht auf Schusswaffenbesitz in seine Verfassung auf. Was hat es damit auf sich?
Verfassungsänderungen sind in Tschechien selten. Die bislang einzige in der noch jungen Geschichte unseres Nachbarlandes geht auf 1998 zurück. Damals wurde entschieden, dass ein mutmaßlicher Verdächtiger in einem Kriminalfall von der Polizei nicht mehr 48, sondern nur noch 24 Stunden in vorläufigen Gewahrsam genommen werden darf.
Da überraschte es schon, dass die Medien des Landes über die zweite Verfassungsänderung dieser Tage eher beiläufig berichteten: über das künftige Recht der Tschechen, sich in einer Notsituation letztlich auch mit einer Waffe zur Wehr zu setzen.
Vernarrtheit in Waffen will eigentlich so gar nicht zu den meist friedlichen Mitmenschen in meinem Berichtsland passen. Zwar wird ein alkoholmächtiger Streit in einer Dorfkneipe gern mal mit den Fäusten entschieden. Aber Waffen? Nun, man irrt sich mitunter. So sind die Tschechen sehr passionierte Jäger. Deshalb können traurige aber irgendwie auch immer gern gelesene Nachrichten kaum verwundern: Darüber, dass mal wieder ein Jägerkollege tödlich getroffen worden sei, nachdem der Schütze ihn mit einer Wildsau verwechselt hätte. R.I.P.
Schusswaffen in illegalem Besitz bei Polizei abgeben
Derzeit läuft in Tschechien eine Amnestie, bei der illegal gehaltene Schusswaffen und Munition straflos bei der Polizei abgegeben werden können. Die Polizisten staunen Bauklötzer, dass da auch Leute allen Ernstes illegale Panzer oder Flugabwehrgeschütze „anzeigen“. Die Waffen werden zunächst mit einer Datenbank abgeglichen, um festzustellen, ob sie gestohlen, bei einer Straftat verwendet oder als vermisst gemeldet wurden. Hat die Waffe alle Prüfungen bestanden, wird sie für „sauber“ erklärt und ihr bislang illegaler Besitzer kann entscheiden, was er damit machen möchte.
Unter den verschiedenen Möglichkeiten gibt es auch die, den legalen Besitz der Waffe zu beantragen. Einen Panzer T-34 oder ein Flugabwehrgeschütz hat nicht jeder hinter seiner Gartenhecke. Da hüpft das Sammlerherz schon mal höher.
Waffenlobby in Tschechien ist groß
Rund 900.000 Waffen sind unter den 10,7 Millionen Tschechen verbreitet. Als die EU vor Jahren nach Terroranschlägen in Frankreich bestimmte Waffen verbieten wollte, liefen die Tschechen Sturm. Der damalige Innenminister Milan Chovanec argumentierte damit, dass sich die „Sicherheitslage in Europa verschlechtert hat“, vor allem durch die vielen illegalen Muslime, – von denen es jedoch speziell in Tschechien überhaupt keine gab. Er wolle dagegensteuern und die 290.000 Waffenbesitzer in seinem Land per Verfassungsänderung zu „Garanten der Landessicherheit“ umfunktionieren. Private Waffenträger könnten „effektiver für Ordnung sorgen, als die meist zu spät eintreffende Polizei“. Sagte ausgerechnet der Minister, der für die Polizei zuständig war.
Gegner von Wild Ost beklagen, dass sie letztlich von der Waffenlobby niedergerungen wurden. Die ist groß in Tschechien. Schon Hitlers Waffenschmieden standen hier. Heute ist das Land ein bedeutender Exporteur von Kleinwaffen. Die tschechische CZG-Gruppe übernahm jüngst den traditionsreichen US-Konkurrenten Colt. Tolle Aussichten! Ich gehe dann mal in Deckung.