In Sachen Laternen hat Prag ja bekanntlich einiges zu bieten. Aber diese hier ist einzigartig. Denn nur einmal in dieser Welt gibt es eine echte kubistische Straßenlaterne.
Die steht hier am Jungmann Platz (Jungmannovo náměstí) seit dem Jahr 1912. Entworfen wurde sie von dem Architekten Emil Králíček, der schon u.a. hier Gegenstand unseres Blog war. Dessen Bedeutung für das Stadtbild Prags kann man kaum unterschätzen. Er arbeitete nämlich für den bekannten Bauunternehmer Matěj Blecha, der einen großen Teil der Umgestaltung des Wenzelsplatzes zur Zeit der Jahrhundertwende zu verantworten. Und Králíček wurde dadurch zu einem führenden Repräsentanten des modernen und avantgardistischen Prags. Er versetzte dem zuvor das Stadtbild des neuen Prags dominierenden Historismus quasi den Todesstoß.
Begonnen hatte Králíček als Schüler eines der Pioniere des Jugendstils, Joseph Maria Olbrecht. Aber hier in Prag begann er um 1911/12, dem Jugendstil zu entwachsen und mit dem Kubismus zu liebäugeln. Dessen eigentlicher architektonischer Pionier in Böhmen wurde er. Die Straßenlaterne stellt einen Teil der künstlerischen Entwicklung Králíčeks dar. Sie gehört nämlich zu dem Gebäude der ebenfalls von ihm erbauten Adamova Lékárna (Adam Apotheke), über die wir bereits hier berichtet haben. Deren Vorderseite kann man auf dem Wenzelsplatz bewundern. Sie ist noch in einem seltsam anmutenden Spätjugendstil gehalten Die Rückseite des Gebäudes ist schon im streng geometrischen Kubismus gefasst und genau vor dieser Rückseite zum Jungmann Platz steht die Laterne.
Künstlerisch hat Králíček mit der Gestaltung der Laterne in mancher Hinsicht den kristallinen Kubismus in der Malerei (u.a. Picasso) vorweggenommen. Geometrische, meist „kristallin“ dreieckige Flächen werden ineinander verschoben. Der Steinsockel setzt dies nach unten in einer Weise fort, dass die Laterne dort – wie praktisch! – eine Sitzmöglichkeit bietet. Die eigentliche Laterne, die auf die Säule wie mit Krallen bewehrt aufgesetzt ist, setzt die Idee als feine Metallkonstruktion verspielt fort. Die innovative Idee des Architekten wird noch deutlicher, wenn man die Laterne nun – wie im großen Bild oben – in Kontrast mit dem historistischen Gebäude dahinter setzt.
Touristen setzen sich gerne mal auf den Sitzsockel der Laterne. Die Möglichkeit, auf einem bedeutenden Kunstwerk zu sitzen, sollte man sich auch nicht entgehen lassen. Wer das getan hat und anschließend noch mehr vom Leben erwartet, kann sich nur wenige Meter entfernt in den Biergarten der Gaststätte U Pinkasů (wir berichteten hier), der ältesten Pilsnerkneipe Prags. Aber man sollte dabei den Besuch der Laterne nicht nur als Vorwand nehmen. Sie hat unsere volle Aufmerksamkeit verdient – als eine kulturelle Rarität sondergleichen.
Der Beitrag erschien zuerst am 19. Februar auf Ahoj aus Prag!
Ahoj aus Prag! Seit September 2016 leben wir berufsbedingt in Prag. Wir – eigentlich Rheinländer – haben sie schon voll in unser Herz geschlossen, diese Stadt! Deshalb dieser Blog, in dem wir Fotos und Kurzberichte über das posten, was diese Stadt so zu bieten hat und was wir so erleben. Wir, das sind:
Lieselotte Stockhausen-Doering und Detmar Doering
… und unser Hund Lady Edith! Wer sich in Prag einmal umschauen möchte, wird auf diesem Blog nach einiger Zeit sicher Interessantes finden, was nicht jeder zu sehen bekommt, der die Stadt besucht. Viel Spaß beim Lesen!