Bahnhof Warnsdorf (Varnsdorf). Der nicht renovierte mittlere und hintere Teil des einst stattlichen Empfangsgebäudes ist inzwischen abgerissen. Güterzüge sind hier selten geworden. Foto: Felix Bührdel

Herbe Gegensätze zeigen sich an der althergebrachten sächsisch-böhmischen Bahnstrecke von Zittau nach Eibau via Warnsdorf (Varnsdorf).

Alleine in Warnsdorf: Hier der privat finanzierte moderne Haltepunkt, da der riesige Bahnhofsbau, seit Jahren leerstehend und nun zu zwei Dritteln nur noch ein Schuttberg. Dann auf der einen Seite ein Bahnhof mit optimaler Verknüpfung zum regionalen Busverkehr und guter Zukunftsperspektive als Jugendtreff und Aufenthaltsraum für Reisende: Großschönau. Auf der anderen Seite ein Bahnhof, der seit Jahren vergeblich auf die Wiederinbetriebnahme des Bahnverkehrs wartet und immer weiter dem Vandalismus anheimfällt: Seifhennersdorf. So widersprüchlich wie sich die aktuelle Situation dieser Bahnlinie zeigt, so wechselhaft ist auch ihre Geschichte.

Einst führten „Korridorzüge“ über das auf tschechischem Gebiet liegende Warnsdorf (Varnsdorf). Foto: Mapy.cz/ Redaktion

Einst führten „Korridorzüge“ über das auf tschechischem Gebiet liegende Warnsdorf (Varnsdorf). Foto: Mapy.cz/ Redaktion

Wenngleich die später folgenden innersächsischen, kürzeren Strecken einen Teil des vorher über den böhmischen Zipfel laufenden Verkehr aufnahmen, entwickelte sich dennoch die Linie via Großschönau, Warnsdorf und Seifhennersdorf dank der aufstrebenden Textilindustrie in der Region sowie dem Warenaustausch zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn recht gut. Betriebliche Besonderheit waren die „Korridorzüge“: Züge, die das österreichische und später tschechische Warnsdorf passierten, deren Start- und Zielbahnhof aber im deutschen Gebiet lagen. Durchgangsreisende wurden beim Überqueren der Grenze nicht kontrolliert, jedoch die in Warnsdorf aus- und einsteigenden Passagiere im Bahnhof. Dieses Verfahren hielt sich bis 1945, als das Kriegsende die Schließung der Grenze brachte. Ab 1982 durften die Korridorzüge der Tschechoslowakischen Staatsbahn (ČSD) in Zittau einen Halt einlegen und Reisende damit den Grenzübergang Großschönau – Warnsdorf offiziell nutzen. Angesichts der strengen Regeln zum Grenzverkehr kurios erschienen dabei Umleiterzüge der ČSD, die aufgrund von Bauarbeiten zwischen Zittau und Großschönau mehrfach über Eibau und Oberoderwitz, und somit mit zweifachem Fahrtrichtungswechsel durch das Gebiet der DDR geführt wurden. Ebenso kurios gestaltet sich die Bedienung des Gleisanschlusses des Heizkraftwerks in Warnsdorf: Da die Staatsgrenze unmittelbar hinter der letzten Weiche in Richtung Großschönau verläuft, wird sie durch Rangierfahrten in diesen Anschluss zwangsläufig gequert.

Neu-Aufbruch und Einbrüche im Wechsel

Die politische Wende 1989 brachte weitere Veränderungen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr mit sich. Zunächst wurden 1994 die verbliebenen deutschen Güterzugfahrten zwischen Seifhennersdorf und Großschönau eingestellt, die Personenzüge leerten sich ebenfalls zunehmend. Mit den immer weniger genutzten Zügen der Deutschen Bahn ging eine schleichende Vernachlässigung der Gleisanlagen einher, so dass am 10. Juni 2001 zwischen Großschönau und Eibau auf Busverkehr umgestellt werden musste. Das absehbare Ende der Verbindung konnte nur durch die Betriebsaufnahme der privaten Sächsisch-Böhmischen Eisenbahn (SBE) im Jahr 2002 vermieden werden. Die von der SBE eingesetzten Uerdinger Schienenbusse waren trotz ihres Alters bei den Fahrgästen beliebt, konnten aber nicht verhindern, dass der regionale Verkehrsverbund ZVON wegen schlechter Fahrgastzahlen den Verkehr zwischen Eibau und Seifhennersdorf Ende 2005 abbestellte – eigenwirtschaftlich bot die SBE weiterhin zwei Zugpaare an. Im Dezember 2006 war endgültig Schluss und Seifhennersdorf Endstation der aus Richtung Zittau bzw. Reichenberg (Liberec) kommenden Züge. Zuvor hatte es die SBE endlich nach einem langen Kampf mit den Behörden geschafft, den Bahnhof Warnsdorf regulär bedienen zu dürfen. Dies wirkte sich positiv auf die Fahrgastzahlen nach Zittau und Reichenberg aus, denn insbesondere für den innertschechischen Pendlerverkehr spielt die Bahnverbindung eine wichtige Rolle. Parallel zur SBE verkehrten aber auch weiterhin die Personenzüge der tschechischen Bahn.

Aus Richtung Seifhennersdorf nähert sich der Zug nach Zittau dem Bahnhof Warnsdorf (Varnsdorf). Foto: Felix Bührdel

Aus Richtung Seifhennersdorf nähert sich der Zug nach Zittau dem Bahnhof Warnsdorf (Varnsdorf). Foto: Felix Bührdel

Der Streckenabschnitt Eibau – Staatsgrenze Deutschland/Tschechien wurde 2010 an die Deutsche Regionaleisenbahn (DRE) verpachtet. Diese errichtete etwa 100 Meter vor dem Bahnhof Seifhennersdorf einen provisorischen Bahnsteig aus Gerüstteilen, an dem ab Dezember 2010 alle Züge endeten. Der Bahnhof Seifhennersdorf konnte damit aufgegeben werden. Zum gleichen Zeitpunkt übernahm die „Vogtlandbahn“ den Betrieb auf der nun L7 genannten Bahnstrecke Reichenberg – Zittau – Warnsdorf – Seifhennersdorf/Teichstatt (Rybniště) von der Tschechischen Bahn und SBE. Für die SBE bedeutete der Verlust dieser Verkehrsleistungen das Ende, für die Fahrgäste ergaben sich aber nicht nur aus dem Einsatz moderner Fahrzeuge, sondern auch aus der Etablierung eines Fahrplans mit Halt aller Züge an allen Zwischenstationen Vorteile.

Aus Mitteln des EU-Förderprogramms „Ziel 3“ zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit wurde die Bahnstrecke in den folgenden Jahren aufgewertet. Dabei wurde die Trasse nach Großschönau für Geschwindigkeiten bis 80 Kilometer pro Stunde ertüchtigt, in Reichenberg der Bahnsteig 5 barrierefrei ausgebaut und der Haltepunkt „Varnsdorf staré nádraží“ neu errichtet (an seiner Stelle befand sich bis 1945 der Bahnhof Altwarnsdorf). Und nur wenige Meter vor der Staatsgrenze entfernt, unmittelbar neben der Brauerei Kocour, schuf deren Betreiber den neuen Haltepunkt „Varnsdorf Pivovar Kocour“ – eine in Deutschland wohl kaum mögliche Initiative! Parallel wurden erste Untersuchungen zu einer Neubaustrecke Seifhennersdorf – Rumburk publik. Mit dieser soll die Linie U28 aus Richtung Sebnitz weiter gen Reichenberg geführt werden können, womit der Freizeitverkehr in Richtung Sächsische und Böhmische Schweiz gestärkt werden könnte und – eigentlich weit bedeutsamer – wohl auch mögliche neue Berufspendlerkreise für den Ballungsraum Reichenberg zum Zugfahren animiert würden.

Aktueller Lichtblick für Wiederanschluss

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das zeigt an unserer Bahnstrecke die Einstellung des Verkehrs zwischen Seifhennersdorf und Brauereihaltepunkt aufgrund fehlender Genehmigungen für den Betrieb des deutschen Teils ab Mitte 2015. Wurden zunächst Gerichte bemüht, damit der Betrieb wieder aufgenommen werden kann, versandete das Thema zusehends. Ideen des Warnsdorfer Brauereibesitzers zu einem „Bierzug“ zwischen seinem Haltepunkt und der Schwarzbiergemeinde Eibau waren letztendlich ebenso vage Hoffnungen auf eine Wiederbelebung wie etwa die diskutierte Streckenübernahme durch ein anderes Infrastrukturunternehmen. Nun kommt erneut Bewegung auf, das kurze deutsche Stück zu sichern. Jüngst gab es zwei betriebliche Prüffahrten nach Seifhennersdorf. Die Stadt habe großes Interesse daran, dass sie wieder mit der Bahn erreichbar ist, sagt Bürgermeisterin Karin Berndt. Lichtblick: Statt auf Bundesebenen kann nun die Landesbahnaufsicht darüber entscheiden. Michal Barták, Niederlassungsleiter „Trilex“ des Betreibers Länderbahn, würde gern noch in diesem Sommer hier seine Züge wieder täglich fahren sehen, denn: „Der Schienenersatzverkehr wirkt sich sehr negativ auf die Fahrgastzahlen aus.“

Der auf Privatinitiative hin entstandene Haltepunkt Varnsdorf Pivovar Kocour. Der als Gast gekommene Vogtland-Werbe-Triebwagen abfahrbereit nach Zittau. Foto: Hans-Jürgen Barteld

Der auf Privatinitiative hin entstandene Haltepunkt Varnsdorf Pivovar Kocour. Der als Gast gekommene Vogtland-Werbe-Triebwagen abfahrbereit nach Zittau. Foto: Hans-Jürgen Barteld

Das einstmals stolze Empfangsgebäude von Seifhennersdorf wird wohl weiter verfallen. Ebenso traurig sah ja die Zukunft des Warnsdorfer Grenzbahnhofsgebäudes aus, 2019 wurden hier allerdings barrierefreie Bahnsteige errichtet, neue Stellwerkstechnik in Betrieb genommen und der westliche Teil des Empfangsgebäudes saniert. Der ruinöse größere Mittel- und Ostteil ist im Herbst 2020 abgerissen worden. In Großschönau entstand eine zeitgemäße Verknüpfungsstation zum Busverkehr und die denkmalgerechte Sanierung des Empfangsgebäudes hat begonnen. Etwa zeitgleich wurden auf dem Streckenast nach Teichstatt die Haltepunkte Niedergrund (Dolní Podluží) und Sankt Georgenthal (Jiřetín pod Jedlovou) modern hergerichtet. Geradezu grotesk mutet es da an, dass mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2020 die Tschechische Bahn wieder den Verkehr zwischen Warnsdorf und Teichstatt übernommen hat und die neueren „RegioShuttle“ bzw. „Desiro“-Züge der Länderbahn-Marke „Trilex“ durch alte tschechische Triebwagen der Baureihe 810 abgelöst wurden. Aber solche Widersprüche gehören wohl einfach zum Schicksal dieser grenzüberschreitenden Bahnstrecke.

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