Das tschechische Abgeordnetenhaus hat ein Pandemie-Gesetz verabschiedet, mit dem auch ohne den bisher dazu nötigen Notstand weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie erlassen werden können.
Die in Tschechien geltenden Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie sind rechtlich an den Notstand gebunden, der von der Regierung für 30 Tage ausgerufen werden kann und anschließend jedes Mal vom Parlament verlängert werden muss. Das tschechische Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag in einem Schnellverfahren dem Entwurf eines Pandemie-Gesetzes zugestimmt, wonach das Gesundheitsministerium und die Gesundheitsämter auch ohne Notstand beispielsweise den Betrieb von Geschäften, Schwimmbädern und Fitnessstudios, das Angebot von Dienstleistungen (z. B. Friseure), den öffentlichen Nahverkehr und die Versammlungsfreiheit einschränken oder etwa eine Maskenpflicht erlassen können. Das „Gesetz über die Maßnahmen gegen die COVID-19-Epidemie“ sieht auch eine Testpflicht in Unternehmen vor, die eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung der Pandemie spielen.
Wenn auch der Senat dem Gesetzesentwurf zustimmt, kann es ab nächste Woche Freitag in Kraft treten, teilte Petr Fiala (ODS) mit. Laut Innenminister Jan Hamáček (ČSSD) wird der Notstand mit dem Inkrafttreten des Pandemie-Gesetzes beendet. Die Durchsetzung eines Pandemie-Gesetzes hatten Ende letzter Woche vor allem die Bezirkshauptleute gefordert, die nur unter dieser Bedingung der Ausrufung eines neuen Notstands für 14 Tage zustimmten. Zuvor hatte das Parlament den seit 5. Oktober geltenden Notstand nicht mehr verlängern wollen.
Einigung über Entschädigungszahlungen
„Der Zweck des Gesetzesentwurfs ist es, ein adäquates Instrument zur Bewältigung der Epidemie zu gewinnen, und das auch nach dem Ende des Notstands. Die derzeitige Gesetzgebung im Rahmen des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Gesundheit hat sich in dieser Hinsicht als unzureichend erwiesen“, sagte Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos, für ANO). Auch der Fraktionschef der oppositionellen Piraten, Jakub Michálek, zeigte sich zufrieden: „Die Einigung ist ein großer Schritt von der unendlichen Verlängerung des Notstands hin zu einem normaleren Leben.“ Die rechtsextreme SPD stimmte gegen das Gesetz, genauso die fraktionslosen Abgeordneten und Teile der kommunistischen Partei.
Ein großer Streitpunkt zwischen Regierung und Opposition war die Frage, wie und in welcher Höhe Unternehmen und Selbstständige, die durch die Pandemie und die Gegenmaßnahmen Verluste gemacht haben, entschädigt werden sollen. Doch in diesem Punkt konnte letztendlich eine Einigung erzielt werden: Der Staat muss den geschädigten juristischen und physischen Personen den tatsächlichen durch die Pandemie-Maßnahmen entstandenen Schaden erstatten, abzüglich der bereits durch den Staat erbrachten Hilfszahlungen. Die entstandenen Schäden bzw. Verluste müssen dem Finanzamt nachgewiesen werden, das sechs Monate Zeit für die Bearbeitung hat. Nicht erstattungsfähig sind allerdings Ausgaben für Schutzmittel, etwa Masken oder Desinfektionsmittel. Laut Premierminister Andrej Babiš (ANO) bestehe das Recht auf Entschädigung nach dem Pandemiegesetz ab dem 1. März bis zum Ende der Wirksamkeit der Verordnungen.
Notstand bleibt vorerst in Kraft
Die Verlängerung oder Nicht-Verlängerung des Notstands war in den vergangenen Wochen immer wieder Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen im tschechischen Parlament. Die Verlängerung des seit 5. Oktober geltenden Notstands hatte das Parlament in der vergangenen Woche mehrheitlich abgelehnt. Daraufhin rief die Regierung einen neuen Notstand aus, was einige Verfassungsrechtler und auch der Senatspräsident Miloš Vystrčil für verfassungswidrig halten. Die SPD schlug am Donnerstag im Parlament vor, den Notstand zu beenden, wofür sich aber keine Mehrheit fand. „Wir dulden, dass der Notstand bis Ende Februar andauert, aber keinen Tag länger“, sagte Vít Rakušan, Vorsitzender der Bürgermeisterpartei STAN auf einer Pressekonferenz vor der Parlamentssitzung.
Auch bei dem neuen Pandemie-Gesetz, das einen „Zustand der Pandemie-Reaktion“ vorsieht, soll die parlamentarische Kontrolle gewährleistet sein. „Das Parlament erhält die Befugnis, den Zustand zu beenden oder erneut einzuleiten“, informierte Gesundheitsminister Blatný. Außerdem ist die Regierung verpflichtet, das Parlament alle sechs Wochen über die Anwendung der Maßnahmen zu informieren.
Das Abgeordnetenhaus genehmigte am Donnerstag außerdem die Erhöhung des Haushaltsdefizits von 320 auf 500 Milliarden Kronen (ca. 19,3 Milliarden Euro) sowie eine Erhöhung der Kompensationszahlungen an durch Corona-Maßnahmen geschädigte Unternehmen oder Selbstständige.