Tschechien ruft einen neuen Notstand aus. Im Bild: Regierungschef Andrej Babiš bei der Pressekonferenz am Sonntag. Foto: ČTK/Šimánek Vít

Auf Bitten der Bezirkschefs hat die tschechische Regierung einen neuen Notstand ausgerufen. Dieser gilt ab Montag 0.00 Uhr für zunächst 14 Tage. Damit bleiben die Corona-Maßnahmen in Tschechien zunächst in Kraft.

Vorerst wird es in Tschechien keine Lockerungen der Corona-Maßnahmen geben. Die tschechische Regierung ruft auf Bitten der Bezirkschefs einen neuen Notstand aus und umgeht damit die Entscheidung des Parlaments, das am Donnerstag gegen die erneute Verlängerung des seit 5. Oktober geltenden Notstands gestimmt hatte. Dieser neue Notstand soll zunächst bis Ende Februar gelten. Das verkündete die Regierung nach ihrer Verhandlung mit den Bezirkshauptleuten (hejtmani), den gewählten Vertretern der Bezirke, am Sonntagnachmittag. „Das ist zum gegebenen Zeitpunkt der einzige Weg, wie wir die Krise in unserem Land bewältigen können“, sagte der Bezirkshauptmann von Mährisch-Schlesien Ivo Vondrák (ANO).  

„Ich habe eine gute Nachricht für unsere Bürger“, zeigte sich Premierminister Andrej Babiš (ANO) erfreut über die Einigung, nachdem in letzten Tagen unklar war, wie es mit den Corona-Maßnahmen, die rechtlich an den Notstand gebunden sind, weitergehen soll. Dessen Ende hätte bedeutet, dass ein Großteil der Maßnahmen trotz hoher Infektionszahlen ab Montag außer Kraft gewesen wäre. Diese Situation konnte die Regierung letztlich abwenden. Laut Wirtschaftsminister Karel Havlíček (parteilos, für ANO) müssen Geschäfte und Restaurants weiterhin geschlossen bleiben, auch die nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr bleibt bestehen. Eine Lockerung gibt es vorerst nur bei den Öffnungszeiten der Behörden, hier werden ab Montag alle Einschränkungen aufgehoben. Die Bezirkshauptleute fordern allerdings von der Regierung, ab 1. März die Schulen für die oberen Klassen zu öffnen und auch im Einzelhandel sowie im Dienstleistungsbereich zu lockern – bei Einhaltung entsprechender Hygieneregeln. Premierminister Babiš glaubt angesichts der angespannten Pandemie-Situation im Land aber nicht daran, dass es im März ohne Notstand weitergehen kann. Die kommenden zwei Wochen möchte er nutzen, um mit der Opposition zu verhandeln und deren Zustimmung im Parlament zu gewinnen. Dort hat die Regierungskoalition keine Mehrheit und ist auf Stimmen aus der Opposition angewiesen.

Neuer Notstand verfassungswidrig?

Inwiefern die Umgehung der Entscheidung im Parlament, den Notstand nicht erneut zu verlängern, mit der Verfassung konform geht, ist indes umstritten. Der Vorsitzende des Senats, Miloš Vystrčil (ODS), hält die erneute Ausrufung des Notstands durch die Regierung für verfassungswidrig. „Kippt das Abgeordnetenhaus den Notstand oder stimmt dessen Verlängerung nicht zu, kann die Regierung nicht unmittelbar einen weiteren ähnlichen Notstand ausrufen. In diesem Fall würde das Abgeordnetenhaus seine Kontrollfunktion verlieren“, schrieb Vystrčil in einem offenen Brief an die Regierung und wies diese darauf hin, dass das tschechische Rechtssystem eine Reihe von Instrumenten der Epidemie bereithält, „ohne dass die Verfassung umgangen oder mit Füßen getreten werden muss.“ Auch die Verfassungsrechtler Jan Wintr und Jan Kysela von der Juristischen Fakultät der Karlsuniversität Prag halten die Ausrufung eines Notstands in der gleichen Form wie des vorherigen für eine Umgehung des Parlaments und damit der Verfassung. Laut ihrer Auffassung wäre die Ausrufung eines neuen Notstands nur möglich, wenn sich die Pandemie-Situation bedeutend verschlechtert. „Dass die Bezirkshauptleute es wollen, ist keine ausreichende neue Situation, um den Notstand zu erklären“, so Wintr. Die Regierung sieht sich im Recht, da der neue Notstand auf einer anderen Rechtsgrundlage ausgerufen wurde. Senatspräsident Vystrčil erklärte am Sonntagabend gegenüber aktualne.cz, eine Klage beim Verfassungsgericht einreichen zu wollen.

Die Infektionszahlen sind in Tschechien im Vergleich zur Vorwoche wieder angestiegen. Die landesweite 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit bei 492,5. Besonders betroffen sind die Kreise Eger (Cheb) und Falkenau (Sokolov) mit einer Inzidenz von jeweils etwa 1.100. Der Kreis Trautenau verzeichnet 1.279 Infizierte pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen. Über 18.100 Menschen sind in Tschechien seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben.

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