Wer in der Prager Altstadt den Abend bei einem Bier ausklingen lassen möchte, muss sich auf gehobene Preise einstellen. Unsere Landesbloggerin hat eine Alternative gefunden, die günstigere Preise bei ähnlichem Ambiente verspricht.
Ein Spaziergang entlang der Náplavka-Promenade macht deutlich: Die Ausgehkultur in Prag ist geteilt. Da gibt es diejenigen, die bereit sind, die gehobenen Preise in einer der Bars entlang des Moldauufers zu zahlen, und andere, die es sich daneben auf dem Asphalt gemütlich machen und Mitgebrachtes verzehren. Dabei bietet Prag an vielen Orten eine innovative Lösung: die „Prager Tische und Stühle“ (Pražské židle a stolky).
Smarte Parkbänke
In Städten wie New York, Kopenhagen, Zürich und Stockholm sind Stadtmöbel an öffentlichen Plätzen bereits seit vielen Jahren erfolgreich im Einsatz. 2016 folgte auch Prag dem Beispiel anderer Länder und startete mit dem Pilotprojekt „Prager Tische und Stühle“ mit 300 Stühlen und 80 Tischen an acht Standorten in seine erste Saison. Die Initiative ist eine Kollaboration des IPR (Institut für Planung und Entwicklung der Hauptstadt Prag), des Trade Center Praha sowie zahlreicher lokaler Institutionen und Einzelpersonen.
Die Möbel erfreuen sich seitdem großer Beliebtheit und werden von Jahr zu Jahr zahlreicher. In diesem Jahr rechnen die Koordinatoren damit, den Bewohnern und Besuchern der Stadt an 90 Plätzen mit 1.845 Stühlen und 483 Tischen eine flexible Sitzgelegenheit zu bieten. Jedes Jahr können die Prager bei einer offenen Ausschreibung mitbestimmen, wo sie in der kommenden Saison gerne auf die flexiblen Stadtmöbel treffen möchten. Lokale Partner kümmern sich anschließend um die Pflege und Verwahrung der Stühle und Tische.
Die Möbel transformieren Vorplätze, Hinterhöfe, Parks, Böschungen und Straßen zu Orten zum Verweilen und beleben den öffentlichen Raum. Dabei sind die schwarzen Klappstühle und -tische der klassischen Parkbank um einiges voraus. Während die meisten Bänke fest installiert sind und über keinen Tisch verfügen, können die innovativen Stadtmöbel frei bewegt und nach Bedarf in den Schatten gerückt oder zu Sitzgruppen arrangiert werden. Außerdem ist es möglich, sie flexibel in der ganzen Stadt zu bewegen: Erfahren Sie an einem Ort keinen Zulauf, können Sie beliebig an einen anderen Ort wandern.
Das Logo der Stadt Prag sowie das Projektlogo machen die Sitzmöglichkeiten kenntlich. Foto: Lara Kauffmann
Ausgehen zu Supermarktpreisen
Als Studentin bin ich es gewohnt, bei meiner Freizeitgestaltung nach günstigen Optionen Ausschau zu halten. Da meine Zeit hier in Prag allerdings begrenzt ist, möchte ich trotzdem nicht darauf verzichten, am Abend bei schönem Ambiente ein Getränk zu genießen, ohne mein Erasmus-Budget zu sehr auszureizen. Die Möglichkeit, zu Supermarktpreisen an schönen Orten alleine oder in der Gruppe zu sitzen, scheint mir die perfekte Alternative zum überteuerten Besuch in einer der touristischen Bars.
Bei einem Besuch des Prager Metronoms fielen mir die Tische und Stühle zum ersten Mal auf. Skater ruhten sich hier aus und junge Menschen führten angeregte Gespräche, ohne den Druck, etwas bestellen zu müssen. Unweit meiner Wohnung in Vinohrady begegnete mir wenige Zeit später eine weitere Sitzgruppe vor einer außergewöhnlichen Kulisse: Im Vorgarten einer kleinen Kapelle im Osten des Stadtteils beobachte ich einen Anwohner, der bei einem Buch und selbst mitgebrachten Keksen die Sonne genoss. Auf meine Frage hin, ob ich mich hier einfach setzen dürfe, machte er mich auf die Logos, die auf der Rückseite der Stuhllehnen befestigt sind, aufmerksam und berichtete mir, dass er regelmäßig diesen Ort besucht. Das rote Logo der Stadt Prag sowie das Projektlogo kennzeichnen die kostenlosen Sitzmöglichkeiten in der Hauptstadt. Auch in unmittelbarer Nähe der LandesEcho-Redaktion laden die Klappstühle auf dem Tylovo Náměstí dazu ein, sich von der Shoppingtour auf dem Bauernmarkt zu erholen. Die Sitzmöglichkeiten können nicht nur den Restaurantbesuch ersetzen, ich entdeckte hier auch zwei junge Männer, die ihr Büro nach draußen verlegt hatten.
Auf dem Bauernmarkt auf dem Tylovo Náměstí kann hier eine Pause eingelegt werden. Foto: Lara Kauffmann
Beim Spaziergang durch die kleinen Gassen der historischen Altstadt werde ich von der Dichte an Bars und Restaurants fast erschlagen. Die gastronomischen Betriebe versuchen, mit vermeintlichen Angeboten Touristen in ihre Läden zu locken. Ich widerstehe den bunten Reklamen und entdecke nur wenige Meter entfernt vor dem Neuen Rathaus die kostenlosen Sitzgruppen. Bei einem Minimarkt um die Ecke decke ich mich mit Snacks ein und lasse den Abend bei gleichem Ambiente für weniger Geld ausklingen.
Ob alleine oder in der Gruppe, ob zum Arbeiten oder Speisen, die „Prager Tische und Stühle“ sind ein komfortables und kostengünstiges Angebot der Stadt, das ich während meines Aufenthalts in Prag bestimmt noch öfter nutzen werde.