Das Schönhengster Land (Hřebečsko), auch Schönhengstgau genannt, ist eine historische Region an der Grenze zwischen Böhmen und Mähren. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war dies die größte deutsche Sprachinsel in der Tschechoslowakischen Republik mit einem reichen Schatz an Sagen und Legenden. Dieses wertvolle kultur- und sprachkulturelle Erbe droht heute verloren zu gehen. Irene Kunc, Leiterin des Begegnungszentrums „Walther Hensel“ Mährisch Trübau (Moravská Třebová), trägt für das LandesEcho ausgewählte Sagen zusammen. Diese erscheinen nun jeden Samstag an dieser Stelle.
Grünhütl streife durch die Wälder, sagen noch heute ältere Bewohner des Schönhengster Landes. In den Waldungen, die sich von Greifendorf (Hradec nad Svitavou) bis hinter Mährisch Trübau (Moravská Třebová) hinziehen, treibe er sein Unwesen, foppe und narre die Leute und führe sie auf unrechte Wege.
Ein grüner Hut, geziert von einer traditionellen Hahnenfeder, gibt dem Geist seinen Namen. Zusammen mit seiner grauen Kleidung weist er ihn als Jäger aus. Er geht zu den Leuten und plaudert mit ihnen die längste Weile, fragt wohl auch nach diesem oder jenen, und verschwindet dann ganz plötzlich.
Oft weint und ruft er. Eilt dann der Wanderer hilfsbereit in seine Richtung, so jammert und klagt der Berggeist schon wieder an einer ganz anderen Stelle. Das treibt er so lange, bis sich der Wanderer gänzlich verirrt. Zu Zeiten wieder singt und pfeift, schreit und plärrt Grünhütl, dass es den Anschein hat, alle Teufel der Hölle seien ausgerückt.
Grünhütls Unrast
Einmal ging ein Mann von Ober-Heinzendorf (Horní Hynčina) über den Hellgraben nach Krönau (Křenov). Als er den Wald erreichte, den er dabei zu passieren hatte, hörte er verworrene Menschenstimmen links von einem Feld her, das ringsum von Wald umgeben war. Er konnte aber keine klaren Worte heraushören. Deutlich vernahm er nur ein Geräusch, als ob auf dem Feld Hafergarben auf einen Wagen geladen würden. „Das müssen Diebe sein“, dachte er.
Und schon wollte er nachsehen, um etwa den Diebstahl zu hindern, als ihm einfiel, dass es nicht ratsam wäre und er sich eine derbe Tracht Schläge holen könnte. Er setzte seinen Weg fort. Auf einmal hörte er das Gespräch, undeutlich wie früher, hinter sich auf seinem Weg und vernahm auch die Stimme eines Fuhrmanns, der unter heftigem Peitschenknall seine Pferde aus allen Leibeskräften zum Ziehen antrieb. Er hörte das Rasseln der Ketten, das Knarren der Räder und Achsen des Wagens, der mit einer schweren Last beladen schien.
Der Wanderer vermutete, dass ein Johnsdorfer Bauer nachkäme und beabsichtigte nun, mit nach Johnsdorf (Janůvky) und von dort nach Krönau, seinem Wohnort, zu gehen. Also stellte er sich zur Seite des Wegs auf, damit der Bauer vorbeifahre. Aber der mit Peitsche und Geschrei arbeitende Fuhrmann fuhr mit seinem knarrenden Wagen abseits in das größte Dickicht des Walds hinein, worauf es nach und nach still wurde. Es war Grünhütl gewesen, wie der Wanderer jetzt wusste. Und so musste er seinen Weg nach Hause weiter zu Fuß gehen.
Spuk mit Gespann
Vor vielen Jahrzehnten begab sich ein Bauer in die Stadt, um einige Einkäufe zu besorgen und sonstige Geschäfte abzuwickeln. Erst gegen Abend trat er, vom Genuss geistiger Getränke etwas angeregt, den Heimweg an. An der Stelle, wo der Steinberg sich jäh in das Tal gegen ein Dörfchen hinabsenkt, machte der einsame Wanderer halt und setzte sich auf die weichen, ausgedehnten Moospolster, um seinem müden Körper etwas Ruhe zu gönnen. Plötzlich erklang durch die dämmrige Waldesstille das Rollen und Rasseln eines Fuhrwerks. Immer näher und näher kam es heran. Knapp vor dem zutiefst Erschrockenen kehrte der Fuhrmann, der niemand andrer als Grünhütl war, sein Gespann um und lenkte es unter lautem „Bjehaho! Bjehaho!“ wieder zurück in die Waldestiefe. Schleunigst verließ der Mann das Revier Grünhütls und soll vor ausgestandener Furcht todkrank geworden sein.
Geist des Waldes
Einige Leute wollten nachts aus dem Wald unerlaubterweise Holz wegbringen. Als sie zur Stelle kamen, wo die Bäume lagen, trat unversehens ein Jägersmann an sie heran. Der Jäger fing an, freundlich zu reden, erzählte allerlei wirre, unverständliche Dinge und machte beständig Handbewegungen. Wenn der eine oder der andere etwas erwidern wollte, fiel ihm der Unheimliche sofort in die Rede, er wollte alles am besten wissen und kennen. Da merkten die Leute, dass es Grünhütl war, der sich mit ihnen in ein Gespräch eingelassen hatte, und sie wagten nicht mehr, das Holz aufzuladen. So sehr sie auch im Geheimen den Gesellen zum Teufel wünschten, der Grünhütl rührte sich doch nicht von der Stelle. Als sie so die längste Weile gestanden hatten und dem Geschnatter des verwunschenen Jägers zugehört hatten, zogen sie unverrichteter Dinge wieder heim.
So lang Grünhütls Gebeine nicht in geweihter Erde ruhen, muss auch die Seele ziel- und planlos in den Waldungen umherziehen, bald hier, bald dort. Je weiter man ihn glaubt, desto näher ist er. Jedermann ist froh, der ihn nicht sieht und nicht hört.
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