Die bayerischen Bahngipfelstürmer im Zwiespalt zwischen Nord- und Süd-Achse.
In der vorangegangenen Folge „Eger–Schirnding“ war von den dort seit 2004 verschwundenen EuroCity-Zügen (EC) von und nach Prag die Rede, die auf deutscher Seite via Nürnberg bis ins Ruhrgebiet liefen. Ein ähnliches Bild bietet sich auf der weiter südlich nach Bayern führenden Grenzpassage zwischen Taus (Domažlice) bzw. Böhmisch Kubitzen (Česká Kubice) und Furth im Wald. Über viele Jahre, schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs, rollten hier die Fernzüge zwischen Prag und München, ein Zugpaar sogar als EC bis Zürich. Doch im Jahr 2002 stellte die Deutsche Bahn diesen Fernverkehr ein. Züge aus Prag kamen immerhin noch bis Furth im Wald.
Schon historisch: der EuroCity-Zug Prag – München – Zürich mit seiner internationalen Wagenreihung, vorn die Schweizer Waggons, und – einst selbstverständlich – gefragtem tschechischen Speisewagen. Böhmisch Kubitzen (Česká Kubice). Foto: Heiko Rüdiger
Protest aus Sachsen und Oberfranken
Etwas weiter nordwärts kam es jüngst zu Protesten der sächsisch-bayerischen Städtegemeinschaft der „Sachsen-Franken-Magistrale“ gegen die erheblichen Plankürzungen im künftigen Deutschland-Takt, die speziell auch den Bahnknoten Marktredwitz und damit die Linie Nürnberg–Eger–Pilsen betreffen. Man sieht sich arg getäuscht, zumal auch der längst verkündete Schienenwegeausbau weiter auf sich warten lässt, während dies auf tschechischer Seite, im Abschnitt Pilsen–Eger, längst geschehen ist, und beruft sich auf das deutsch-tschechische Abkommen von 1995, wonach Nürnberg–Marktredwitz/Eger–Prag die Hauptfernverkehrslinie sein solle. Jedoch sind all die Jahre tatenlos verstrichen und inzwischen hat die bayerische Staatsregierung offenbar ihren Bahn-Kompass neu justiert: zugunsten der Strecke Furth im Wald – Pilsen. Die ersten Pflöcke sind im Juli 2017 beim ersten Bayerisch-Tschechischen Bahngipfel in eben jenem Furth im Wald von den Verkehrsministern aus München, Berlin und Prag samt ČD-Generaldirektor versenkt worden. Es gab ein schnelles Ergebnis: Seit Ende 2017 hat sich der Fernreisezugverkehr nahezu verdoppelt und es gibt zwischen Prag und München ein zweistündliches Zugangebot. Verbunden ist dies mit einem leichten Fahrzeitgewinn durch den Neubautunnel südöstlich von Pilsen. Die Gesamtreisezeit für Prag–München soll von sechs auf viereinhalb Stunden reduziert werden.
Tschechische Seite erneut voran
Dies zu erreichen ist schwierig genug, schaut man sich nur den topographisch bedingt ungünstigen Trassenverlauf zur Grenze auf der böhmischen Seite an, wo eigentlich nur ein langer Tunnel die zeitgemäße Korrektur böte. Nun aber müssen partielle Begradigungen und ähnliche Maßnahmen reichen. Und wieder geht die tschechische Bahninfrastrukturgesellschaft voran: Im Dezember 2019 wurde mit Inbetriebnahme der neuen Haltestelle Plzeň-Skvrňany der Streckenumbau im Pilsener Stadtgebiet nach zwei Jahren abgeschlossen. Die neu trassierte zweigleisige Strecke beschleunigt den Zugverkehr in Richtung Bayern durch Ausweitung der zuvor engen Gleisbögen. Je näher man auf den 81 Kilometern ab Pilsen der Staatsgrenze kommt, umso beschaulicher erscheint die Fahrt. Die Expresszüge (EX) nach und von München halten in Taus (Domažlice) Hauptbahnhof, nicht jedoch an der stadtnäheren Station Domažlice město, wo aber sämtliche Regionalzüge aus/nach Pilsen enden bzw. beginnen. Die beiden auf weiteren zehn Kilometern folgenden Stationen Babilon (Babylon) und Böhmisch Kubitzen werden von Inlandszügen gar nicht bedient. Allein die täglich zwei internationalen Pendel-Triebwagen der Oberpfalzbahn zwischen Schwandorf und Taus stoppen hier zugunsten der Wanderer entlang der Further Senke.
Wann kommt die Metropolenbahn?
Angesichts der zweifellos beeindruckenden Streckenromantik erscheint die im politischen Bayern für diese Linie bereits gebrauchte Bezeichnung „Metropolenbahn“ arg futuristisch. Doch nur unter diesem Label und ausgewiesen als Nürnberg/München – Furth im Wald – Prag konnte sie wohl in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 gelangen, zusammen mit der nördlicheren Grenzpassage via Marktredwitz–Schirnding. Anders als das Sächsisch‐Bayerische Städtenetz lehnt der Fahrgastverband PRO BAHN das Ausspielen der beiden Verbindungen gegeneinander aber ab. „Wir sprechen nicht von einer Konkurrenz der Franken‐Sachsen‐Magistrale zur Linie über Schwandorf und Furth, sondern von sich ergänzenden Verbindungen. Wir brauchen beide“, sagt Lukas Iffländer, stellvertretender Vorsitzender von PRO BAHN Bayern.
„Es wird Zeit, dass zwischen Bayern und Tschechien mehr Verkehr auf den Gleisen rollen kann“, mahnte der bayerische Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann schon auf dem Bahngipfel 2017. Es wurde noch immer nicht mit dem Streckenausbau begonnen. Für wirksame Trassenverbesserungen gibt es drei Varianten, u. a. eine Verbindungskurve oder eine Umgehung von Schwandorf. Weiter nach Furth im Wald soll elektrifiziert und teils zweigleisig ausgebaut werden, damit hoffentlich auch die einst zahlreichen Güterzüge wieder rollen können.
… unser Zug aus Prag passiert die Staatsgrenze und kurz darauf den Klöpfelsbergtunnel, bevor er am neugebauten Bahnsteig von Furth im Wald hält. Wie seit langer Zeit bereits findet hier der Personalwechsel statt, die Lokomotiven werden seit Jahren bereits in Pilsen umgespannt. Wer in Furth aussteigt, kann die großen leerstehenden Bahn- und Zollgebäude beschauen: eine kleine Geisterstadt, die das emsige Treiben am einstigen Grenzbahnhof erahnen lässt. Kaum noch vorstellbar ist aber angesichts heutiger Planungs- und Bauzeiten die seinerzeit benötigte Frist: nur 17 Monate für die gesamte Strecke von Pilsen hierher! Eröffnet wurde sie im Oktober 1861 durch die k. k. priv. Böhmische Westbahn.