100 Tage ist Petr Pavel neuer Prager Burgherr. Für einen politischen Quereinsteiger macht er bislang fast alles richtig. Seine Landsleute honorieren das. Doch deren Erwartungsdruck ist auch sehr hoch.
Das war dem durchtrainierten 62-jährigen tschechischen Präsidenten Petr Pavel richtig peinlich: Als er kürzlich bei einem Aufenthalt in Iglau (Jihlava) auf einem Sportareal in Sportsachen schlüpfte, um mit Gymnasiasten einen Staffellauf zu absolvieren, bekam er einen Krampf im Oberschenkel und rettete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht stolpernd gerade so ins Ziel. Den anwesenden Reportern der Wochenzeitung Respekt gegenüber gab er zu, sich überschätzt und sich deshalb nicht richtig warmgemacht zu haben. „So etwas rächt sich.“
Gute Umfragewerte für Pavel
Dieser Stolperer war aber bisher so ziemlich der einzige, den sich Pavel vorhalten muss. Ansonsten sorgte er in den ersten 100 Tagen seines Amtes für Furore. „Er ist unglaublich aktiv“, sagen die Tschechen übereinstimmend. „Man sieht ihn jeden Tag im Fernsehen. Seinen Vorgänger Miloš Zeman bekam man mitunter Monate nicht zu Gesicht.“ Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass Pavels Landsleute die Umtriebigkeit des neuen Staatsoberhauptes zu würdigen wissen. 58 Prozent sprechen ihm nach so kurzer Zeit bereits ihr Vertrauen aus. Zemans Beliebtheit lag vor Jahresfrist unter 30 Prozent.
Pavel verdankt seine Zustimmung vor allem seiner unaufgeregten Art, mit der er auch heikle Dinge angeht. Er hat eine Gruppe von kompetenten Beratern um sich geschart. Manche arbeiteten schon in der Wahlkampagne für ihn. Andere, wie der frühere Außenminister Karel Schwarzenberg, der nach 1989 Kanzleichef bei Václav Havel war, stießen erst jetzt hinzu.
Gute Figur auch bei schwierigen Verhandlungen
Ganz wichtig ist Pavel, dass er mit den beiden Parlamentskammern und der Regierung konstruktiv zusammenarbeitet. Der Präsident traf aber zu einer gemeinsamen Beratung nicht nur Regierungschef Petr Fiala, sondern lud auch Oppositionsführer Andrej Babiš dazu. Wie Pavel sich bei schwierigen Verhandlungen über komplizierte Gesetze generell mit der Opposition kurzschließt. So etwa beim Rentenanpassungsgesetz. Schattenregierungschef Karel Havlíček bescheinigte dem Präsidenten „ordentliche Informiertheit und Sachlichkeit“. Auffallend ist, dass sich Pavel wiederholt für die Bedürftigen in der Gesellschaft stark gemacht hat, sich als eine Art soziales Gewissen versteht.
Pavel kann auch zäh sein. Als der Senat zwei von drei seiner Personalvorschläge für neue Verfassungsrichter ablehnte, warb er so eindringlich vor den Senatoren für seine Protagonisten, dass er sie letztlich alle durchbekam.
Außen- und sicherheitspolitisch ist der Präsident in Tschechien ein absolutes Schwergewicht. Da macht sich seine dreijährige Erfahrung als Vorsitzender des Militärausschusses der NATO bezahlt. Teilnehmer eines kürzlichen Vortrags vor der Akademie für Landesverteidigung in Österreich nannten Pavels Auftritt „brillant“. Ausländische Amtskollegen betonen, dass sie Pavels Analyse der Dinge in der Ukraine sehr hoch schätzen. Diese Analyse lässt auch für Kiew womöglich unangenehme militärische Entwicklungen zu, die andere so deutlich nicht aussprechen. Pavel wird zudem nicht müde, China als den eigentlich gefährlichen Widerpart des Westens zu bezeichnen – trotz Putin.
Erwartungen an Pavel riesig
Wenn Pavel in den ersten 100 Tagen vor allem eines gelernt hat, dann das, dass er nicht nur gut bei den Tschechen ankommt, sondern dass auch deren Erwartungshaltung an ihn riesig ist. „Leider lassen sich nicht alle Prozesse schnell ändern und neu konfigurieren. Der grundsätzliche Appell an die Bürger wäre also etwa so: Seien Sie geduldig, wenn manche Dinge nicht von einem Tag auf den anderen geändert werden können, weil sie eine große Trägheit haben“, sagte Pavel der Zeitschrift Respekt. An ihm liegt es nicht, dass manches nicht schneller geht. Auch wenn er im „Sauseschritt“ sein Land besser machen möchte – auch für Pavel hat der Tag nur 24 Stunden.
Und – auch das mögen die Tschechen an ihm – dazu gehört auch, mal durchzuschnaufen. Mit Theaterbesuchen beispielsweise oder Ausfahrten mit seiner geliebten BMW.