Nach Verstreichen eines Ultimatums an Russland verkleinert Tschechien das russische Botschaftspersonal massiv auf die Größe der Prager Botschaft in Moskau.
Ganz Tschechien schaute am Donnerstagmittag mit einiger Sorge auf die Uhr: Um 12 Uhr lief ein Ultimatum von Außenminister Jakub Kulhánek ab: Russland solle die Ausweisung von 20 Angehörigen der tschechischen Botschaft in Moskau zurücknehmen und deren Rückkehr ermöglichen. Falls Russland das ablehne, werde Tschechien weitere Angehörige der russischen Botschaft aus Prag des Landes verweisen. Die Rede war davon, dass die Zahl der Mitarbeiter der russischen Botschaft auf die der verbliebenen Angehörigen der tschechischen Vertretung in Moskau reduziert werden könnte. Das würde die Ausweisung von 60 bis 70 russischen Botschaftsangehörigen bedeuten.
Da das Ultimatum ergebnislos auslief, wurde diese Drohung von Seiten Prags Stunden später wahr gemacht. Wie Außenminister Kulhánek auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Premier Andrej Babiš und Vizepremier Jan Hamáček sagte, müsse Russland das Personal seiner Botschaft bis Ende Mai reduzieren. Dann dürfen dort nur noch so wenige Diplomaten verbleiben wie derzeit tschechische in der russischen Hauptstadt. Prag selbst sagt, dass die eigene Botschaft de facto kaum noch arbeitsfähig ist.
Damit droht nunmehr eine weitere Verschärfung des Konflikts, der der größte zwischen beiden Ländern seit dem gewaltsamen Ende des Prager Frühlings 1968 unter Führung der damaligen Sowjetunion ist. Doch anders als damals kann sich Prag heute auf seine Bündnispartner verlassen. EU und Nato erklärten sich am Donnerstag solidarisch mit Tschechien. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte zugleich „die tiefe Besorgnis“ des Bündnisses über die „weiterhin destabilisierenden Aktionen Russlands im euro-atlantischen Raum“.
Gegen Mittag, noch vor der Entscheidung, telefonierte der tschechische Außenminister zudem mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas. Die Haltung Deutschlands ist in Prag während der aktuellen Krise wiederholt kritisch hinterfragt worden. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise im Fernsehsender ČT24 auf den derzeitigen Moskau-Besuch des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer aufmerksam gemacht. Kretschmer stehe stellvertretend für die Mehrheit der deutschen Politiker, die Russland als wichtigen Partner ansähen, mit dem man ungeachtet aller Probleme den Dialog führen müsse.
Hintergrund des eskalierenden Streits ist der Vorwurf Prags, Moskau sei in die Explosion eines tschechischen Munitionslagers im Jahr 2014 verwickelt gewesen. Dieser Anschlag ist nach Erkenntnissen des tschechischen Geheimdienstes und anderer Ermittlungsorgane eindeutig von zwei Mitgliedern des russischen Militärgeheimdienstes GRU verübt worden. Bei dem Zwischenfall waren zwei Tschechen zu Tode gekommen.
In einer ersten Reaktion hatte Tschechien 18 als „Spione“ enttarnte Mitarbeiter der russischen Botschaft in Prag ausgewiesen. Moskau reagierte seinerseits mit der Ausweisung von 20 Mitarbeitern der dortigen tschechischen Botschaft. Das russische Außenministerium und der Kreml sprachen von „absurden und völlig unbegründeten Anschuldigungen Tschechiens“. Die Sprecherin des Außenamtes, Maria Sacharowa sagte: „Wir empfehlen Prag, sich Ultimaten für die Kommunikation innerhalb der Nato aufzuheben. Mit Russland ist solch ein Ton unzulässig.“ Im Tagesverlauf wollte die russische Seite dem tschechischen Botschafter die Reaktion Moskaus auf das verstrichene tschechische Ultimatum mitteilen.
Tschechien fordert Reparationen
Babiš und Kulhánek betonten in ihrer Erklärung vor der Presse, dass sie die Entwicklung ausdrücklich bedauerten. Der Konflikt sei unerfreulich. Tschechien sei aber „ein souveräner und selbstbewusster Staat“ und könne solche flagranten terroristischen Aktionen nicht einfach hinnehmen.
Die jetzige Entscheidung war von beiden Häusern des tschechischen Parlaments gefordert worden. Im Abgeordnetenhaus äußerten sich lediglich die Vertreter der Kommunisten und der Rechtsextremen gegenteilig.
Außenminister Kulhánek, der erst mitten in der Krise sein Amt angetreten hat, sprach gegenüber der Zeitung Lidové noviny auch davon, dass sein Land angesichts der materiellen Schäden, die die Explosion angerichtet hatte, von Russland zudem entsprechende Reparationen zu fordern.