Ab Montag wird die Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Es gilt fast überall FFP2-Maskenpflicht. Schulen, Kitas und die meisten Läden werden geschlossen.
„Wir müssen wieder so diszipliniert sein, wie im März 2020“, forderte Premierminister Andrej Babiš seine Mitbürger am Freitagabend auf und kündigte zugleich eine härtere Gangart an. Tschechien verschärft ab Montag die Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Damit reagiert das Land auf die immer weiter explodierenden Infektionszahlen und überfüllten Krankenhäuser. So wird die Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Das Haus darf nur noch zur Arbeit, zum Einkaufen, für den Arztbesuch und einige wenige weitere Ausnahmen verlassen werden. Dazu gehören auch Spaziergänge oder Gassi gehen. Spaziergänge sind aber auf das Gebiet der Heimatkommune beschränkt. Bestehen bleibt die nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr. Der nächtliche Gang mit dem Hund vor die Tür ist auf einen Radius von 500 Metern von der Wohnung beschränkt.
Sollte doch ein Verlassen des Gemeinde- und Stadtgebiets nötig sein, ist spätestens an der Landkreisgrenze Schluss. Der Kreis darf nur für Arbeit oder Arztbesuch verlassen werden. Das muss durch ein Formular belegt sein.
Verschärfte Maskenpflicht
Ab 1. März gilt zudem in allen öffentlichen geschlossenen Räumen die Pflicht, eine FFP2-Maske zu tragen. Das betrifft vor allem Läden, den Arbeitsplatz und Verkehrsmittel. Außerhalb geschlossener Räume gilt im bebauten Stadt- und Gemeindegebiet die Pflicht, eine medizinische Maske zu tragen. In der Natur ist das nur nötig, wenn sich in der Nähe Menschen befinden, die nicht zum gemeinsamen Hausstand gehören.
Neu ist auch die erneute Schließung von Kitas und Schulen. Bisher hatten die ersten und zweiten Klassen sowie teil die Abschlussklassen Präsenzunterricht. Auch einige Läden schließen wieder, wie Schreibwaren, Kinderschuhe- und Kleidung oder Hundefriseure. Die Liste der Geschäfte und Dienstleister, die offen bleiben dürfen, ist trotzdem noch relativ lang. Neben Lebensmitteln, Apotheken, Tankstellen und Drogerien sind das unter anderem auch Optiker, Zeitungskioske, Geschäfte zum Abholen bestellter Ware, Tierfutterhandlungen, Blumengeschäfte, Waschsalons, Haushaltswaren, Wertstoffhöfe und Bestattungsinstitute. Restaurants dürfen weiterhin außer Haus verkaufen.
Kein kompletter Lockdown
Der vielfach geforderte komplette Lockdown, also auch die Schließung der Wirtschaft, blieb aus. Damit bleibt es bei einem relativ hohen Anteil von Menschen, die weiterhin auf Arbeit fahren. Die Regierung will aber ab 1. März eine kostenlose Testkampagne in Betrieben starten. Die Testung ist jedoch freiwillig. Alle Maßnahmen gelten zunächst für drei Wochen.
Die Abschottung der Kommunen bzw. Landkreise ist eine Ausweitung der Sperrung dreier Kreise auf das ganze Land. Aufgrund von Wocheninzidenzen von über 1.000 hatte die Regierung vor zwei Wochen die Kreise Trautenau (Trutnov) im Riesengebirge sowie Eger (Cheb) und Falkenau (Sokolov) in Westböhmen gesperrt. Die rasante Verbreitung wird neben den zu lockeren Maßnahmen mit dem Auftauchen der britischen Virusmutation in Zusammenhang gebracht.
Seit der Sperrung der drei Kreise sind die Inzidenzen dort aber nur unwesentlich gesunken, dafür aber in weiteren Kreisen auf über 1.000 gestiegen. Trauriger Spitzenreiter ist der Kreis Tachau (Tachov) in Westböhmen mit 1.603 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen. Für ganz Tschechien lag die Wocheninzidenz am Samstag bei 727. Es wurden 14.676 neue Infektionen gemeldet, fast 5.000 mehr als das achtmal größere Deutschland. Die Zahl der Covid-Patienten in Krankenhäusern war zuletzt deutlich gestiegen und lag am Freitag bei über 7.176. Bisher haben sich in Tschechien 1,2 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert, davon sind 20.194 gestorben. Die Zahl der Menschen, die bereits gegen das Virus geimpft wurden, liegt bei über 600.000.
Notstand verlängert
Die Regierung rief am Freitagabend einen neuen Notstand aus, der vom 28. Februar bis zum 28. März gilt. Zuvor hatte das Parlament die Verlängerung des bisherigen Notstands abgelehnt. Allerdings stimmte das Parlament dafür, dass die Regierung einen Notstand ausruft. Dieser scheinbare Widerspruch hat verfassungsrechtliche Gründe. Eigentlich kann nur das Parlament über eine Verlängerung des Notstands entscheiden. Das hatte das Parlament vor zwei Wochen abgelehnt. Daraufhin hatte die Regierung auf Anforderung der regionalen Verwaltungen eigenmächtig einen neuen Notstand ausgerufen und die Maßnahmen damit verlängert. Dagegen hat eine Gruppe von Senatoren beim Verfassungsgericht Beschwerde eingereicht. Die Opposition will erst das Ergebnis abwarten und lehnte die Verlängerung im Parlament deshalb wieder ab.