Es wird nicht ruhig im Fall „Storchennest“ um den ehemaligen Premierminister Andrej Babiš. Aufgrund einer neuen Beweislage wurde er nun erneut wegen Subventionsbetrug mit EU-Geldern angeklagt.
Der Vorwurf wiegt schwer, rund 50 Millionen Kronen (ca. 2 Millionen Euro) an EU-Subventionsgeldern soll der ehemalige tschechische Regierungschef Andrej Babiš unrechtmäßig erschlichen haben. Ein Vorwurf, der seit Jahren im Raum steht. Die EU hat bereits einen Interessenskonflikt festgestellt und somit einen Verstoß gegen europäisches Recht. Im Parlamentswahlkampf wurde der Kampf gegen Korruption deshalb zum zentralen Thema, mit Petr Fiala (ODS) konnte der Gegenkandidat von Andrej Babiš (ANO) die Wahl für sich entscheiden. Nicht zuletzt, weil Babiš auch in den Enthüllungen um die „Pandora Papers“ mit zweifelhaften Geschäften genannt wurde. In Tschechien wurde über Babiš allerdings noch kein Urteil gefällt, dies soll sich jetzt ändern.
Der Fall „Storchennest“
Bei dem konkreten Vorwurf handelt es sich um einen komplexen Subventionsbetrug, der den Ermittlern einiges an Kopfzerbrechen bereitete. Einfach heruntergebrochen konzentriert er sich darauf, ob das Wellness und Kongress-Ressort „Storchennest“ Subventionen erhielt, welche es nicht hätte erhalten dürfen. Das Gelände befand sich in der Hand von Babišs Firma Agrofert Holding, wurde dann aus dem Unternehmen herausgelöst und an seinen Sohn überschrieben. Dadurch fiel es in die Förderung mittlerer Unternehmen der EU und konnte 50 Millionen Kronen an Subventionsgeldern akquirieren.
Laut den Ermittlern wurde der Hof, auf dessen Gelände das Ressort gebaut wurde, gezielt aus der Holding entfernt, um die Subventionen zu erhalten. In Wahrheit handele es sich dabei nicht um ein mittleres Unternehmen, welchem eine solche Unterstützung zustehe. Zudem sei Babiš weiterhin als Leiter des Projekts aufgetreten, auch als dieses bereits an seinen Sohn überschrieben war. Daher wurde nun Andrej Babiš wegen der Beihilfe zum Subventionsbetrug angeklagt, die damals zuständige Managerin bei Agrofert, Jana Mayerová, wegen Subventionsbetrugs.
Sohn und ehemalige Manager sagen aus
Am 3. März hob das tschechische Unterhaus die Immunität des jetzigen Abgeordneten Babiš auf, damit erneut Ermittlungen eingeleitet werden konnten. Dies sind nicht die ersten Ermittlungen gegen den ehemaligen Premier, diese wurden bereits einmal eingestellt, dann wieder aufgenommen und mussten schließlich nach der Wahl erneut auf eine Aufhebung der Immunität warten. Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Ermittlungen sind neue belastende Aussagen, die die Staatsanwaltschaft schließlich auch dazu bewogen haben, Anklage zu erheben. Dabei handelt es sich um die Aussagen des Sohnes von Andrej Babiš und von ehemaligen Managern.
So wird in Frage gestellt, ob der Sohn freiwillig Teil des vermeintlichen Betrugs wurde. Gutachter zweifeln inzwischen an, ob die Unterschrift auf dem Dokument zur Eigentumsübertragung echt ist. Der Sohn stellte die Echtheit seiner Unterschrift auf diesem Schlüsseldokument bei einer Befragung bereits in Frage. Zudem sagte Babiš Junior bei der Polizei aus, dass er von seinem Vater auf die Krim verschleppt worden sei, damit er im Fall „Storchennest“ nicht gegen ihn aussagen kann. Dieser Verdacht wurde den Klägern zu Folge inzwischen ausgeräumt.
Ehemalige Mitglieder des Managements sagen ebenfalls gegen den ehemaligen Premier aus. Diese gaben an, bei vorherigen Ermittlungen und bei den Ermittlungen der europäische Anti-Korruptionsbehörde OLAF falsch ausgesagt zu haben. Die Anwälte von Babiš sollen ihnen gesagt haben, was sie aussagen sollen. Inzwischen schildern sie, welchen Einfluss Babiš auf das Projekt tatsächlich gehabt haben soll. Angeblich sollen zum Beispiel Vertragsbedingungen direkt mit Andrej Babiš verhandelt worden sein.
Babiš streitet Vorwürfe ab
Der ehemalige Premier selbst streitet die Vorwürfe ab, er habe zu keiner Zeit das Recht verletzt. Das Verfahren bezeichnete er als einen erfundenen, politisch motivierten Prozess gegen ihn. Er werde vor Gericht beweisen, dass er nicht verbrecherisches getan habe, so Babiš.
Der Innenminister Vít Rakušan (STAN) sieht es als positives Zeichen, dass nun ein Gericht zu den Vorwürfen verhandelt. „Die Abgeordnetenkammer hat ein klares Signal gegeben, dass über Schuld und Unschuld ein Gericht entscheiden soll“, so Rakušan. Damit solle dieser langjährige Streit endlich zu einen endgültigen Urteil finden. Auch der neue Premierminister Petr Fiala setzt sein Vertrauen voll auf den tschechischen Rechtsstaat. „Es wird für alle gut sein, wenn der ganze Fall zu einer Entscheidung kommt. Ich werde das laufende Verfahren nicht kommentieren, ich vertraue den unabhängigen Gerichten“, so der Premier.
Babiš selbst kandidiert zudem als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Präsidenten. Der Prozess findet also unter enormem Druck statt und kann ganz reale politische Konsequenzen haben. Wenn Babiš vor Abschluss des Prozesses Präsident Tschechiens wird, steht er unter Immunität. Für einen anderen Fall stellen sich für die Tschechische Republik ganz neue Fragen, nämlich wenn es zu einer Verurteilung vor der Wahl kommen sollte. In Tschechien dürfen auch Häftlinge zur Wahl antreten. Kann ein Gefangener das Amt eines Präsidenten aus dem Gefängnis heraus wahrnehmen? Könnte er sich selbst als Präsident begnadigen?