Andrej Babiš im Jahr 2020 bei seinem Besuch in Litvínov. Foto: Lucie Bartoš
Illustrationsfoto: Andrej Babiš im Jahr 2020 bei seinem Besuch in Litvínov. Foto: Lucie Bartoš

Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei im tschechischen Parlament, Andrej Babiš (ANO), hat es in der vergangenen Woche mit einem Skandal in Schlagzeilen der überregionalen Zeitungen geschafft. In einer privaten E-Mail-Korrespondenz forderte er kompromittierendes Material über den amtierenden Außenminister Jan Lipavský an.

In den vergangenen Monaten hat sich Andrej Babiš immer wieder kritisch zur tschechischen Unterstützung der Ukraine geäußert. Zuletzt forderte er Ende Februar die tschechische Regierung im Abgeordnetenhaus zu Friedensverhandlungen auf. „Warum betreiben die Regierung und der Präsident Kriegspropaganda und streben nicht nach Frieden und organisieren keine Friedenskonferenz in Prag?“, fragte er.

Die Haltung von Babiš findet in der Regierung wenig Anklang. In einer Fernsehdebatte sagte der amtierende Außenminister Jan Lipavský (Priaten), dass Babiš keine Ahnung von Außenpolitik habe: „Er hat völlig verrückte Dinge in den tschechisch-polnischen Beziehungen getan. Und jetzt hat er sich von Orbán auch auf völlig verrückte Weise in der Europapolitik zu einer pazifistischen Note verleiten lassen. Ich weiß nicht, wer für Babiš die friedenspolitischen Stellungnahmen schreibt. Aber ich finde, dass er langsam zu einer Sicherheitsbedrohung für unser Land wird.“

Babiš sucht nach kompromittierendem Material  

Im Anschluss an diese Fernsehdebatte soll Andrej Babiš seinen Berater Jan Rovenský in einer E-Mail in einem sehr vulgären Ton dazu aufgefordert haben, zusammenzutragen, wie Lipavský „auf unsere Leute pfeift“ oder „überall hinfährt und Kampagne macht“. In der E-Mail habe Babiš zudem danach gefragt, ob Lipavský Kinder und eine Ehefrau habe.

Die E-Mail ging jedoch zunächst nicht an seinen Berater Jan Rovenský, sondern an seinen Namensvetter, der für die Partei ANO im städtischen Umweltausschuss im nordböhmischen Leutensdorf (Litvínov) sitzt. Wie dieser gegenüber dem Tschechischen Rundfunk sagte, war es nicht das erste Mal, dass er eine solche E-Mail bekam. „Zuvor habe ich das nie öffentlich gemacht, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass das im allgemeinen Interesse wäre. Aber hier wird eine rote Linie überschritten, weil die Kinder und die Ehefrau von Herrn Lipavský erwähnt werden. Dies geht einfach zu weit“, rechtfertigte Rovenský die Veröffentlichung der E-Mail.

Scharfe Kritik an Babiš Vorgehensweise

Politiker der Regierungskoalition haben Babiš inzwischen scharf kritisiert. „Kompromittierendes Material, das Einbeziehen von Kindern und Familien in einen politischen Kampf, Verleumdungen, persönliche Angriffe… Abscheuliche Methoden, die an die Vergangenheit erinnern. Die demokratische Gesellschaft wird sich bei jeder nächsten Wahl dagegen wehren“, schrieb Premierminister Petr Fiala (ODS) auf dem Kurznachrichtendienst X dazu. Auch der Vorsitzende der Piratenpartei, Ivan Bartoš, bezeichnete das Einbeziehen von Frauen und Kindern in die politische Auseinandersetzung als abscheulich.

Andrej Babiš hingegen wies die Vorwürfe zurück. Er habe nicht nach kompromittierendem Material gesucht, sondern lediglich nach Unterlagen, um seinen geplanten Auftritt im Abgeordnetenhaus vorzubereiten. „Schließlich handelt es sich hierbei um Dokumente aus öffentlichen Quellen. Ich möchte auf seine Lügen im Unterhaus antworten und ihm eine einfache Frage stellen: Würde er seine Kinder in den Krieg schicken? Das würde ich nicht tun. Deshalb war ich daran interessiert“, sagte er. Für seinen vulgären Ton hat sich Babiš bei Lipavský in einem Post auf X entschuldigt.

Verrohung der tschechischen Debattenkultur?

In der Öffentlichkeit hat dieser Skandal um die geleakten E-Mails vor allem die Frage aufgeworfen, wie es um die Debattenkultur und den gegenseitigen Umgang zwischen den Politikern in Tschechien steht. Wie Radio Prague International berichtete, musste der Mandats- und Immunitätsausschuss erst im Februar ein dreiseitiges Papier mit Empfehlungen für ein gutes Verhalten an alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses verschicken.

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.